Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft kompakt:Milliarden, aber dalli!

Sorgen und Nöte: Die Konjunkturhilfen fließen zu schleppend, klagt die Baubranche. Hapag-Lloyd braucht höhere Bürgschaften - und viele Mittelständler mehr Geld.

Der Staat hat viel Geld in Aussicht gestellt, doch im deutschen Baugewerbe regt sich dennoch Unmut: Ein halbes Jahr nachdem das Konjunkturpaket II angelaufen ist moniert die Branche, dass die Mittel aus dem Investitionsprogramm für Kommunen nur schleppend abgerufen werden. Das Konjunkturpaket II werde in diesem Jahr kaum zu einer Belebung des Branchengeschäfts, so die Befürchtung.

Maximal 20 Prozent der zehn Milliarden Euro, die den Kommunen für öffentliche Investitionen in Infrastruktur und Bildung durch den Bund zur Verfügung gestellt werden, würden in diesem Jahr bei den Baufirmen real ankommen, sagte der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Baugewerbes, Karl Robl, der Berliner Zeitung.

Vorgesehen war, dass bis Ende 2010 die Hälfte der zehn Milliarden Euro ausgegeben wird. "Eine konjunkturstützende Wirkung des Pakets ist derzeit bei uns noch nicht zu erkennen", sagte Robl.

Die Bundesregierung geht hingegen nach Informationen der Financial Times Deutschland davon aus, dass mehr als die Hälfte der Konjunkturmittel von den Ländern bewilligt sind. Rund sechs Milliarden Euro des Konjunkturpakets seien genehmigt, berichtet das Blatt. Das Geld komme in einigen Ländern sogar außergewöhnlich schnell an, verlaute aus Regierungskreisen.

Der Wirtschaftsforscher Gustav Adolf Horn warnte unterdessen vor vorschnellen Urteilen über das kommunale Investitionsprogramm des Bundes. Zwar sei es "ein Manko, dass dieses Konjunkturpaket relativ spät kam", doch lasse sich eine Zwischenbilanz erst zum Jahresende ziehen, sagte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Passauer Neuen Presse.

Der Auftragseingang der Bauindustrie zeige schon jetzt, "dass sich einiges bewegt", sagte Horn weiter. Die geringe Summe der tatsächlich abgeflossenen Gelder sei noch kein Kriterium, um den Erfolg des Programms zu bewerten.

Autoabsatz in Russland sackt ab

Der russische Automarkt spielt in den Überlegungen des Opel-Interessenten Magna eine große Rolle, doch derzeit leidet dieser unter großen Rückschlägen: Der Absatz brach im Juli um 58 Prozent ein und damit noch etwas stärker als im Vormonat. Wie der Verband europäischer Firmen in Russland (AEB) am Montag mitteilte, wurden in den ersten sieben Monaten des Jahres insgesamt nur halb so viele Autos verkauft wie im Vorjahreszeitraum. Das entspricht knapp 882.000 Fahrzeugen weniger.

Zu den größten Verlierern zählten im vergangenen Monat die Hersteller Toyota, Ford und Hyundai, deren Absatz im Jahresvergleich um mehr als 70 Prozent einbrach.

Die großen Autokonzerne haben in den vergangenen Jahren stark in den russischen Markt investiert, der auf dem besten Weg war, 2009 zum größten Automarkt Europas aufzusteigen.

Stattdessen brach der Markt aber auf beispiellose Weise ein, während andere Schwellenländer wie Indien und China weiter deutlich wachsen. Die Entwicklung in Russland könnte auch für den Rüsselsheimer Autobauer Opel von großer Bedeutung sein, falls der kanadische Autozulieferer Magna wie geplant mit der russischen Sberbank bei Opel einsteigt.

Washington Post: "Abonnenten sterben buchstäblich aus"

Nach mehr als einem Vierteljahrhundert will die Washington Post zum Jahresende ihre wöchentlich erscheinende nationale Ausgabe einstellen. Grund seien der anhaltende Leserschwund und die wegbrechenden Anzeigen, schrieb Ombudsmann Andrew Alexander in seinem Blog.

Die Auflage des Wochenblatts mit seiner Mischung aus aktuellen Nachrichten, Reportagen, Buchkritiken, Kommentaren, Leitartikeln und Comics sei in den vergangenen zehn Jahren von 150.000 auf 20.000 Stück geschrumpft, die "Abonnenten sterben buchstäblich aus".

Bisher habe der nationale Ableger noch einen kleinen Gewinn erwirtschaftet, doch sei damit in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen. Auch die Zeitung selbst kämpft seit Jahren mit einer schrumpfenden Auflage; Gewinne macht der Konzern in erster Linie mit Lehrbüchern.

Heidelberger Druck stoppt Auftragsschwund

Der angeschlagene Druckmaschinen-Hersteller Heidelberger Druck hat den Auftragsschwund im ersten Quartal seines Geschäftsjahres 2009/2010 stoppen können.

Mit 550 Millionen Euro bekam das Unternehmen wieder mehr neue Bestellungen als in den drei Monaten zuvor. Vor einem Jahr hatte Heidelberger Druck aber noch Order über knapp 1,2 Milliarden Euro eingesammelt. Das damalige Zwischenhoch in der seit fast zwei Jahren andauernden Flaute der Druckmaschinen-Branche war aber einzig der wichtigen Messe Drupa geschuldet.

Weil die Aufträge von damals nun jedoch abgearbeitet sind, erreichte der Umsatz einen neuen Tiefstand in der Krise. Das Unternehmen erlöste von April bis Juni gerade einmal 514 Millionen Euro.

In den drei Monaten zuvor hatte Heidelberger Druck noch 788 Millionen Euro umgesetzt. Der Verlust reduzierte sich unterdessen von 130 Millionen auf 69 Millionen Euro. Damit traf das Unternehmen die Analysteneinschätzungen in etwa, bei den Bestellungen übertraf es sie. Heidelberger Druck hatte die Belastungen aus dem laufenden Stellenabbau großteils im vorangegangenen Quartal verbucht und konnte nun bereits von ersten Einsparungen profitieren.

Hapag Lloyd braucht höhere Geldsicherheiten

Die angeschlagene Reederei Hapag-Lloyd benötigt nach Informationen der Financial Times Deutschland höhere Finanzzusagen als bislang bekannt. Die Containerreederei habe den Bedarf bis 2011 inzwischen auf bis zu 1,95 Milliarden Euro beziffert, berichtet die Zeitung am Dienstag unter Berufung auf eine mit der Sache vertraute Person.

Statt einer Milliarde Euro sollen jetzt 1,2 Milliarden Euro über staatliche Kredite und Bürgschaften abgesichert werden.

Die übrigen 750 Millionen Euro sollen wie geplant die Gesellschafter zuschießen, zu denen die Stadt Hamburg und der Reisekonzern TUI zählen.

Diese Summe basiere auf den Annahmen eines Worst-Case-Szenarios, hieß es weiter. Ziehe der Welthandel und damit die Containerschifffahrt schneller an als gedacht, müssten die höheren Kreditlinien nicht voll ausgeschöpft werden. Ein Sprecher von Hapag-Lloyd habe sich dazu nicht äußern wollen. Der frühere Mutterkonzern TUI ist noch mit 43,3 Prozent an der Reederei beteiligt.

Jeder siebte Mittelständler fürchtet um Existenz

Jeder siebte Mittelständler sieht sich bei anhaltender Wirtschaftsflaute in seiner Existenz bedroht. Bei 15 Prozent der Betriebe würde eine sechsmonatige Fortdauer der Krise existenzielle Probleme nach sich ziehen, hieß es in einer Umfrage der Unternehmensberatung Ernst & Young. Befragt wurden 700 Firmen.

"Die Unternehmen stemmen sich mit drastischen Kostensenkungen, Kurzarbeit und häufig sogar mit Einsatz ihres Privatvermögens gegen die Krise", sagte Peter Englisch, Partner bei Ernst & Young. "Aber die Zeit wird knapp: Bei immer mehr Mittelständlern droht bald das Geld auszugehen."

Derzeit rechnet nur jedes vierte Unternehmen damit, dass die Krise im kommenden Jahr vollständig überwunden sein wird. Im Januar waren die Befragten noch davon ausgegangen, dass die Krise bis Herbst 2010 ausgestanden sein würde. Nun erwarten sie die vollständige Erholung der Wirtschaft erst für den Juni 2011.

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