Wirtschaft kompakt:Middelhoff kann Luft holen

Im Prozess gegen Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff müssen die Kläger nachbessern. Außerdem: Waschpulverhersteller erhalten harte Kartellstrafen. Das Wichtigste in Kürze.

Ein Punktsieg für sie war es nicht. Aber der frühere Arcandor-Chef Thomas Middelhoff und zehn weitere ehemalige Topmanager des Handels- und Touristikkonzerns dürften - obwohl nicht anwesend - mit Zufriedenheit registriert haben, wie die Erste Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen die 175 Millionen Euro schwere Klage gegen sie zum Prozessauftakt bewertete: Die von Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg aufgemachte Berechnung der Schadensumme sei nicht nachvollziehbar, stellte die Vorsitzende Richterin Regina Pohlmann fest.

Thomas Middelhoff

Der frühere Arcandor-Chef Thomas Middelhoff dürfte mit Zufriedenheit registriert haben, wie die Erste Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen die 175 Millionen Euro schwere Klage gegen ihn und andere Beklagte zum Prozessauftakt bewertet hat.

(Foto: dpa)

Sie räumte dem Kläger zwei Monate Zeit ein, um aufzuschlüsseln, wie er den Schaden ermittelt hat, der Arcandor dadurch entstanden sein soll, dass Middelhoff und andere Manager möglicherweise pflichtwidrig gehandelt haben.

Hintergrund sind der Verkauf und die anschließende Anmietung von fünf Karstadt-Häusern, bei denen das Unternehmen geschädigt worden sein soll. Zwar war das Immobilien-Geschäft von Middelhoffs Vorgängern eingefädelt worden.

Aber Görg sah ein Fehlverhalten, weil das Management unter Middelhoff keine Regressansprüche geltend gemacht hatte. Nach Auffassung des Gerichts haben die Beschuldigten nach bisherigem Stand jedoch möglicherweise allenfalls bei einer Transaktion ihre Pflichten verletzt: Beim Verkauf des Karstadt-Hauses Wiesbaden an einen Fonds des Bauunternehmers Josef Esch im Oktober 2005.

Dabei wurde das Unternehmen Görg zufolge um 58 Millionen geschädigt. Ein Sprecher von Görg kündigte an, diese Berechnung in den nächsten Wochen sehr detailliert aufzuschlüsseln. Fachleute halten eine Schadensberechnung für sehr schwierig. Denn dafür müsste aufgezeigt werden, wie es Karstadt ergangen wäre, wenn das beanstandete Immobiliengeschäft nicht zustande gekommen wäre.

Für die sechs beklagten früheren Aufsichtsräte von Arcandor, darunter der Ex-Vorsitzende Hero Brahms, könnte der Prozess schon am 31. August, dem nächsten Verhandlungstag, zu Ende sein. Nach derzeitiger Einschätzung hätten die Kontrolleure keine Pflichtverletzung begangen, sagte Pohlmann. Sie hätten in der Sache drei Gutachten eingeholt und die Angelegenheit im Gremium kritisch besprochen. "Mehr muss man als Aufsichtsrat nicht tun", meinte die Vorsitzende Richterin.

Harte Strafen für die Hersteller von Ariel und Coral: Die Waschpulverhersteller Procter & Gamble (Ariel) und Unilever (Coral) müssen wegen illegaler Preisabsprachen eine Geldbuße von insgesamt 315 Millionen Euro zahlen. Henkel (Persil, Weißer Riese), ebenfalls an den Manipulationen beteiligt, erließ die EU die Strafe, weil das Unternehmen die Wettbewerbshüter über das Kartell informiert hat. Das teilte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel mit.

Auf dem hart umkämpften Markt hielten die drei führenden Waschmittelproduzenten Europas drei Jahre lang die Preise künstlich hoch. Die Absprache betraf Vollwaschmittelpulver in acht Ländern, darunter Deutschland - und garantierte den Konzernen gute Einnahmen

"Die Firmen wollten ihre Marktanteile halten und vereinbarten, die Preise nicht zu senken, selbst wenn sie die Verpackung verkleinerten", sagte EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia. Verbraucher und Haushalte seien massiv geschädigt worden. Das Kartell habe im Januar 2002 begonnen und bis März 2005 gedauert.

Die höchste Strafe entfällt auf Procter & Gamble mit 211 Millionen Euro, Unilever muss 104 Millionen Euro überweisen. Beiden Firmen wurde die Strafe ermäßigt, weil sie geständig waren und der Kommission bei der Aufklärung des Falls halfen. Es ist bereits die dritte Kartellentscheidung der Kommission in diesem Jahr.

Absprachen zum Schaden von Verbrauchern und Unternehmen sind in der EU streng verboten. Die Kommission kann Unternehmen mit bis zu zehn Prozent eines Jahresumsatzes bestrafen. Almunia kündigte an, auch weiter "mit aller Entschiedenheit" gegen Kartelle vorzugehen.

Volkswagen mit Erfolgs-Quartal

Wie zu Käfer-Zeiten: Die Marke Volkswagen hat im ersten Quartal 2011 1,2 Millionen Autos verkauft und damit einen Rekord erzielt. Weltweit sind die Auslieferungen damit im Vergleich zum Vorjahresquartal um 10,4 Prozent gestiegen. Allerdings ließ das Absatz-Plus im März nach und betrug nur noch 4,9 Prozent.

"Vor allem in den Wachstumsmärkten konnten wir zulegen", erklärte Vertriebsvorstand Christian Klingler. So boomte das Geschäft in erster Linie im wichtigsten Absatzmarkt China. Hier stiegen die Auslieferungen um 18,5 Prozent. Auch Indien ist stark im Kommen. Hier verzehnfachte sich die Stückzahl.

In Deutschland verkaufte VW 141 500 Autos - vor einem Jahr waren es bis Ende März 142 100 Fahrzeuge. In Europa insgesamt legte der Absatz aber um 2,9 Prozent zu. Der Absatz in Nordamerika wuchs um 15,5 Prozent. In den USA, dem zweitgrößten Markt nach China, setzt VW auf eigens für diesen Markt entwickelte Modelle.

Daimler nimmt Kurs auf Rekordjahr

Einen Rekord will auch Daimler im Jahr 2011 einfahren. Anlass dazu gibt das erste Quartal, in dem die Stuttgarter ihren Absatz um 12 Prozent steigern konnten. Auch der Gewinn vor Zinsen und Steuern werde die Vorjahres-Marke von 7,2 Milliarden Euro voraussichtlich deutlich übertreffen, teilte der Konzern mit. Daimler will in diesem Jahr über 1,2 Millionen Autos der Marke Mercedes-Benz verkaufen, zusammen mit Smart sollen es über 1,3 Millionen sein.

"Lange waren die Perspektiven in unserer Branche nicht so gut wie heute", sagte Firmenchef Dieter Zetsche auf der Hauptversammlung. An den glänzenden Aussichten änderten auch die Katastrophe in Japan und die Konflikte in der arabischen Welt nichts. "Wir wollen das Jubiläumsjahr zu einem Rekordjahr machen", sagte Zetsche. Vor 125 Jahren hatten Gottlieb Daimler und Carl Benz das Auto erfunden.

Vor allem bei Lastwagen hatte Daimler in den ersten drei Monaten gut verdient. Der Konzern verkaufte dank des Aufschwungs nach eigenen Angaben 27 Prozent mehr Lkw. In der Auto-Sparte setzt das Unternehmen auf den Erfolg mit neuen Modellen.

Regierung: Zahlungsstopp der Energiekonzerne ist Vertragsbruch

Aus Sicht der Bundesregierung ist der Zahlungsstopp der vier großen Energieversorger an den Fonds zur Förderung erneuerbarer Energien ein Vertragsbruch. Dieser Schritt stehe "nicht im Einklang" mit dem Vertrag, den die Bundesregierung mit den Unternehmen im vergangenen Jahr geschlossen habe, sagte der Parlamentarische Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk (CSU). Die Bundesregierung prüfe daher "die Einleitung rechtswahrender Schritte".

RWE, EnBW, E.ON und Vattenfall hatten mitgeteilt, dass die Zahlungen an den Förderfonds vorübergehend eingestellt werden. Sie begründeten dies damit, dass die Beiträge an die 2010 beschlossene Verlängerung der Laufzeiten für Kernkraftwerke gebunden seien.

Bundesregierung und Energiekonzerne hatten vereinbart, dass ein Teil der Zusatzgewinne der Energieversorger in einen Fonds investiert werden sollen, mit dem der Ausbau erneuerbarer Energien gefördert werden soll.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: