Wirtschaft kompakt:IWF-Chef: Zweifel am deutschen Wirtschaftswunder

Deutschlands starkes Wachstum könnte einbrechen, warnt Strauss-Kahn. Und: Ein Deutscher leitet künftig den US-Computerkonzern HP. Das Wichtigste in Kürze.

IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn bezweifelt, ob Deutschland sein zuletzt starkes Wachstumstempo wird halten können. Mit Blick auf den starken Zuwachs der deutschen Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal sagte Strauss-Kahn dem Handelsblatt vom Freitag: "Aber wir wissen noch nicht, ob das der Beginn eines neuen Wachstumsmodells für Deutschland ist - was ich bezweifle - oder nur eine Art 'Kalendereffekt". Deutschland müsse immer beachten, dass drei Viertel seiner Exporte in die Euro-Zone gehen. "Und wir haben eine schwache Euro-Zone, da kann man nicht noch mehr exportieren", warnte er.

Treffen der EU-Finanzminister

IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn zweifelt am deutschen Wirtschaftswunder.

(Foto: dpa)

Er mahnte im Hinblick auf konjunkturpolitische Impulse: "Die USA sollten den Fuß nicht so schnell vom Gaspedal nehmen". Das gelte auch für den Rest der Welt. Dass Irland als erstes Mitgliedsland den Euro-Rettungsschirm beanspruchen muss, glaubt der IWF-Chef nicht. "Das erwarte ich nicht", erklärte er. Allerdings stehe der Fonds als Partner dieses Prozesses "bereit, wenn wir gebraucht werden".

Apotheker übernimmt HP

Der weltgrößte PC-Hersteller Hewlett-Packard wird künftig von einem Deutschen geführt. Der ehemalige SAP-Chef Léo Apotheker wird Vorstandschef von HP. Apotheker werde auch dem Verwaltungsrat des Unternehmens angehören, teilte HP mit. Der Manager aus Deutschland übernimmt die Geschäfte in Palo Alto am 1. November. Erst vor knapp zwei Monaten war der Posten frei geworden: Der ehemalige CEO Mark Hurd war nach einem internen Skandal und Vorwürfen wegen einer falsche Spesenabrechnung zum Konkurrenten Oracle gewechselt.

HP hat im Service- und Hardware-Geschäft mit Unternehmenskunden bereits seit langem eng mit SAP zusammengearbeitet. Mit der Ernennung des neuen Chefs dürfte HP vor allem dieses Geschäft mit Unternehmenskunden stärken und damit noch deutlicher in Konkurrenz zu Oracle rücken. Die deutsche SAP aus Walldorf ist auf dem Gebiet der Business-Software der härteste Rivale von Oracle. HP berief auch noch Ray Lane in den Aufsichtsrat, der einst als Kronprinz von Oracle- Gründer Larry Ellison galt, bevor er zur Investorenfirma Kleiner Perkins Caulfield & Byers wechselte.

Apotheker tritt die Nachfolge von Cathie Lesjak an, die im August dieses Jahres zur Interims-Chefin ernannt worden war. Lesjak, die seit 2007 Finanzchefin bei HP ist, wird diesen Posten auch weiterhin bekleiden. Der 57-jährige Apotheker war SAP über 20 Jahre eng verbunden. Zuletzt rückte er im April 2008 zum Vorstandschef des inzwischen größten europäischen Software-Konzerns auf. In die Zeit des durchaus umstrittenen Managers fielen Verzögerungen bei der neuen SAP-Mittelstandssoftware sowie eine Revolte von Kunden gegen geplante Preiserhöhungen. Mitarbeiter sagten ihm einen zu schroffen Führungsstil nach. Nach strategischen Differenzen mit SAP-Gründer Hasso Plattner nahm Apotheker schließlich seinen Hut.

Zumwinkel muss nicht aussagen

Im Prozess um die Telekom-Bespitzelungsaffäre muss der frühere Aufsichtsratschef Klaus Zumwinkel nicht aussagen. Zumwinkel hatte in einem Schreiben an den zuständigen Richter des Bonner Landgerichts erklärt, dass er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch mache und sich nicht zur Sache äußern wolle.

Da gegen Zumwinkel früher in dem Fall selbst ermittelt worden sei und gegen die Verfahrenseinstellung noch Beschwerden liefen, stehe ihm ein "umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zu", sagte der Richter. Damit muss Zumwinkel nicht als Zeuge aussagen. Ex-Vorstandschef Kai-Uwe Ricke erklärte unterdessen, dass er vor Gericht aussagen werde.

Öl-Firmen ziehen sich aus Iran zurück

Unter dem Druck der UN-Sanktionen wollen vier große Mineralölkonzerne ihre Zusammenarbeit mit dem Iran einstellen. Wie die US-Regierung am Donnerstag bekannt gab, ziehen sich der französische Total-Konzern, die britisch-niederländische Shell-Gruppe sowie die norwegische Statoil und der italienische ENI-Konzern aus dem Iran zurück.

US-Vizeaußenminister James Steinberg begrüßte die Entscheidung in Washington. Damit seien die vier Konzerne vor US-Sanktionen geschützt, erklärte Steinberg, der Untersuchungen gegen andere Unternehmen ankündigte, die sich weiter im Iran engagierten. Namen nannte Steinberg nicht. Der Westen verdächtigt den Iran, heimlich Atomwaffen zu entwickeln.

In dem seit Jahren schwelenden Streit hatte der UN-Sicherheitsrat am 9. Juni eine vierte Sanktionsrunde gegen Teheran beschlossen, um das Land zu einem Verzicht auf sein Atomprogramm zu bewegen. Zusätzlich zur UN-Resolution 1929 beschlossen die USA, Kanada und die EU sowie Australien und Japan schärfere Maßnahmen.

Ein bisschen weniger Defizit

Die Neuverschuldung Deutschlands wird dank des kräftigeren Wachstums in diesem Jahr niedriger ausfallen als bisher angenommen. Die Bundesregierung habe an die EU-Kommission für 2010 einen Fehlbetrag von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts gemeldet statt der bisher angenommenen 4,5 Prozent, erklärte Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen nach dem informellen Treffen der EU-Finanzminister und Notenbankchefs in Brüssel.

Der Schuldenstand werde auf 75,4 Prozent steigen nach 73,4 Prozent im vergangenen Jahr. Die Abwicklungsbank der staatlichen Immobilienbank Hypo Real Estate werde mit 8,5 Prozentpunkten beim Schuldenstand zu Buche schlagen. "Deutschland ist die Wachstumslokomotive im Euroraum", sagte Bundesbankpräsident Axel Weber. Deutschland profitiere vom Aufschwung der Weltwirtschaft, doch Europa und die Welt profitierten auch von der Dynamik der deutschen Wirtschaft.

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