Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft kompakt:Grüner Punkt - ab in die Tonne

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Der Finanzinvestor KKR stellt den "Grünen Punkt" zum Verkauf. Außerdem: Audi zahlt eher höhere Löhne und Escada macht auf männlich: Das Wichtigste in Kürze.

Der Verpackungsmüll-Entsorger Duales System Deutschland (DSD) steht nach sechs Jahren wieder zum Verkauf. Der Prozess laufe bereits, sagten mehrere mit dem Vorhaben vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Der Finanzinvestor KKR hatte das als "Grüner Punkt" bekannte System 2004 für 260 Millionen Euro übernommen und die vormalige Selbsthilfe-Organisation von Industrie und Handel zu einem auf Profit ausgerichteten Unternehmen umgebaut.

Der Verkauf des seit 20 Jahren bestehenden DSD ist überfällig: Finanzinvestoren wie KKR steigen in der Regel nach rund fünf Jahren bei ihren Beteiligungsunternehmen aus. KKR und DSD wollten sich zu den Plänen nicht äußern.

Einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zufolge ist mit einem Abschluss noch vor dem Ende des Jahres zu rechnen. Ein Börsengang sei vom Tisch. KKR hatte das DSD mit der Auflage gekauft, das ehemals monopolistische System für den Wettbewerb zu öffnen. Inzwischen tummeln sich neun Unternehmen auf dem Markt für Abholung, Sortierung und Recycling von Verpackungen.

Das DSD kommt aber noch immer auf einen Marktanteil von knapp 60 Prozent, die börsennotierte Interseroh ist die Nummer zwei. Ein Verkauf an einen der acht Konkurrenten ist den Kreisen zufolge wegen der dominierenden Marktposition des DSD aus Kartellgründen schwer vorstellbar. Damit schiede auch der von der Zeitung genannte Interessent Sita Deutschland aus, der zum französischen Suez-Konzern gehört. Sita ist seit 2007 mit Belland Vision bereits auf dem Entsorgermarkt aktiv.

Der FAZ zufolge zeigen auch zwei oder drei Finanzinvestoren Interesse. Das DSD macht ein Geheimnis aus seinen Geschäftszahlen. Die letzten bekannten Zahlen stammen von 2007: 850 Millionen Euro Umsatz und ein operativer Gewinn von 70 Millionen Euro. Laut dem Bericht ist das Betriebsergebnis nach Branchenangaben inzwischen auf 40 bis 50 Millionen Euro gesunken.

Auch Audi zieht angesichts des brummenden Geschäfts die vereinbarte Tariferhöhung vor. Statt wie geplant zum 1. April 2011 bekommen die rund 45.000 Mitarbeiter an den deutschen Standorten der Volkswagen-Tochter bereits zum 1. Februar 2,7 Prozent mehr Geld, wie Audi mitteilte.

"Die Audianer haben in den vergangenen Monaten ein Maximum an Leistung erbracht", sagte der Chef des Gesamtbetriebsrats Peter Mosch. "Wie die aktuellen Absatzzahlen deutlich zeigen, haben wir die Wirtschaftskrise des vergangenen Jahres erfolgreich bewältigt und sind für die Zukunft bestens aufgestellt", sagte der neue Personalvorstand Thomas Sigi.

Die Ingolstädter fahren nach dem Krisenjahr 2009 wieder auf Rekordkurs. Audi legte in den ersten neun Monaten kräftig zu und verdoppelte das operative Ergebnis verglichen mit dem Vorjahreszeitraum nahezu auf rund 2,3 Milliarden Euro. In dieser Woche hatte der Zulieferer Bosch als erstes deutsches Großunternehmen angekündigt, die Entgelterhöhung von 2,7 Prozent um zwei Monate vorzuziehen. Der Konkurrent ZF erklärte daraufhin, Geschäftsleitung und Arbeitnehmer verhandelten derzeit über eine Sonderzahlung. Auch bei Porsche in Stuttgart gibt es solche Verhandlungen.

Der Mode-Hersteller Escada bereitet erstmals eine Herren-Kollektion vor. Vorstandschef Bruno Sälzer sagte in einem vorab verbreiteten Interview der Wirtschaftswoche, unter der Marke Escada könne auch Herrenmode verkauft werden. Deutlich vor dem Ende seines bis 2014 laufenden Vertrages solle eine entsprechende Kollektion auf den Markt kommen. 2011 werde es aber noch nicht soweit sein.

Sälzer und mittlerweile fast die komplette zweite Führungsebene von Escada ist von Hugo Boss gekommen und hat somit langjährige Erfahrung mit Herren-Anzügen. Nach der Insolvenz und dem Verkauf an Megha Mittal, die Schwiegertochter des milliardenschweren indischen Stahlbarons Lakshmi Mittal, will Escada 2011 wieder schwarze Zahlen schreiben.

Auch nach Steuern und Abschreibungen solle ein Profit übrig bleiben, so Sälzer. Zudem dürfte der Umsatz womöglich um mehr als zehn Prozent steigen. Für dieses Jahr prognostizierte Sälzer Erlöse von rund 280 Millionen Euro, was etwa dem Vorjahresniveau entsprechen würde. Escada werde zwar deutlich mehr verkaufen, die Preise seien aber im Schnitt 20 Prozent gesenkt worden.

Die Deutsche Telekom ist ins Visier der Kartellwächter geraten. Der Bonner Konzern stehe unter dem Verdacht, zwischen 2006 und 2008 ein Vertriebskartell mit den Rivalen Freenet und Debitel betrieben zu haben, sagte ein Sprecher des Bundeskartellamts und bestätigte damit einen Vorabbericht der Wirtschaftswoche.

Das gehe aus Unterlagen hervor, die die Behörde erhalten habe. "Uns liegt ein Anfangsverdacht für kartellrechtlich bedenkliche Absprachen vor." Nun werde geprüft, ob ein Verfahren gegen die Telekom eingeleitet werde. Nach Aussage der Telekom ist der Verdacht des Kartellamts unbegründet. "Die Telekom hat bei den Vereinbarungen mit Vertriebspartnern nicht gegen Wettbewerbsregeln verstoßen", sagte ein Konzernsprecher.

Freenet wollte keine Stellungnahme abgeben. Konkret nehmen die Wettbewerbshüter unter die Lupe, ob die Telekom seinerzeit Debitel und Freenet verstärkt als Vertriebspartner für die eigenen Produkte eingesetzt hat, um Marktanteile im Mobilfunk hinzuzugewinnen und den Kundenschwund im Festnetz zu stoppen.

Insbesondere die zu Debitel gehörende Ladenkette "dug" soll vorwiegend Telekom-Produkte verkauft haben. Debitel wurde mittlerweile von Freenet geschluckt. Üblicherweise verkaufen Mobilfunk-Service-Provider wie Freenet oder der Konkurrent Drillisch in ihren Filialen die Verträge aller großen Netzbetreiber.

Kurz vor dem geplanten Börsengang bringt General Motors seine Finanzen in Ordnung. Der größte Autohersteller der USA zahlt weitere Schulden beim Staat zurück, sichert sich bei Banken frisches Geld und sorgt für die Pensionen seiner Mitarbeiter vor.

Mit den von Finanzchef Chris Liddell verkündeten Aktionen müht sich GM um Vertrauen bei seinen künftigen Aktionären und befreit sich von Lasten. Der Konzern nimmt insgesamt knapp elf Milliarden Dollar in die Hand, um seine Bilanz auf Vordermann zu bringen.

Diesen Luxus kann sich GM ein gutes Jahr nach seiner Beinahepleite nur leisten, weil die wieder angesprungenen Autoverkäufe ausreichend Geld in die Kasse gespült haben. Künftig spart das Unternehmen nun Hunderte Millionen Dollar an Zinszahlungen und zeigt Stärke nach außen.

Ein gutes Image ist derzeit alles: Der Börsengang wird für November erwartet und dürfte einer der größten aller Zeiten werden. Entsprechend viele Investoren muss GM überzeugen, ihr Geld ins Unternehmen zu stecken. Momentan liegt der Konzern vor allem in den Händen des amerikanischen Steuerzahlers, der den Autohersteller im vergangenen Jahr mit 49,5 Milliarden Dollar vor dem Bankrott bewahrt und einen Neuanfang ermöglicht hatte.

Einen Teil der Schulden hat GM schon zurückgezahlt, nun kommen weitere 2,1 Milliarden Dollar hinzu. GM übernimmt von der Regierung gehaltene Vorzugsaktien. Dadurch steigt die Gesamtsumme inklusive Zinsen, die bislang an die Staatskasse zurückgeflossen ist, auf 9,5 Milliarden Dollar. Das restliche Geld soll im Wesentlichen der Börsengang in die Kasse spülen.

Um sich für die Rückkehr aufs Parkett hübsch zu machen, hat sich GM bei einer Gruppe von Banken zudem eine Kreditlinie von fünf Milliarden Dollar gesichert. Fünf Jahre lang kann der Autohersteller auf das Geld zugreifen und damit etwa die Neuentwicklung von spritsparenden Autos oder die Modernisierung von Werken finanzieren.

Für die Pensionen der Mitarbeiter legt GM mindestens sechs Milliarden Dollar zur Seite, neben Bargeld zahlt der Konzern auch in Aktien. Darüber hinaus begleicht das Unternehmen 2,8 Milliarden Dollar an Schulden gegenüber dem Gesundheitsfonds der Autogewerkschaft UAW. Mit milliardenschweren Zugeständnissen hatten die Arbeitnehmer die Rettung von GM mitgetragen. Dafür halten sie heute einen Anteil am Unternehmen.

Die Mehrheit liegt mit 60,8 Prozent aber beim US-amerikanischen Staat. Auch Altinvestoren und der kanadische Staat sind mit im Boot. Die Kanadier hatten ebenfalls milliardenschwere Hilfen gewährt, weil GM im Land große Fabriken unterhält. General Motors war Mitte vergangenen Jahres in die Insolvenz gerutscht. Eine verfehlte Modellpolitik, überbordende Schulden, veraltete Werke und hohe Kosten fürs Personal hatten in die Katastrophe geführt.

Trotz des kräftigen Aufschwungs sind die Löhne im Sommer so schwach gestiegen wie seit dreieinhalb Jahren nicht mehr. Die tariflich vereinbarten Monatsverdienste lagen im Juli um 1,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. So gering war der Zuwachs zuletzt im Januar 2007 ausgefallen, teilte das Statistische Bundesamt mit.

"Ein Grund dafür ist, dass die meisten der berücksichtigten Tariferhöhungen noch unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise vereinbart wurden", schrieben die Statistiker. "Bei vielen Tarifverhandlungen stand die Beschäftigungssicherung und nicht die Tarifsteigerung im Vordergrund." Die höheren Löhne und Gehälter wurden fast vollständig von steigenden Lebenshaltungskosten aufgezehrt. Die Inflationsrate lag im Juli bei 1,2 Prozent. Die Reallöhne legten damit lediglich um 0,1 Prozent zu.

Die stärksten Tariferhöhungen erhielten die Beschäftigten im Handel mit 2,1 Prozent. Es folgten Verkehr und Lagerei sowie Information und Kommunikation mit jeweils 2,0 Prozent, vor den Beschäftigten des Baugewerbes mit 1,9 Prozent. Am geringsten vielen die Tariferhöhungen mit 0,5 Prozent im Verarbeitenden Gewerbe, das maßgeblich von der Metallindustrie und der Chemischen Industrie bestimmt wird.

"Gerade in diesen Branchen stand vor allem die Beschäftigungssicherung im Vordergrund", hieß es. Vom kräftigen Aufschwung der Industrie dürften aber künftig auch die Mitarbeiter profitieren. Die Stahlbranche einigte sich Ende September auf ein Lohnplus von 3,6 Prozent. Der Autozulieferer Bosch will Lohnerhöhungen vorziehen.

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