Wirtschaft kompakt:Griechen jagen Siemens-Manager

Nach der Flucht des früheren Siemens-Managers Volker Jung hat Griechenland einen Haftbefehl ausgestellt. Und: Das Defizit des Landes ist weit höher als gedacht. Dies und mehr im Wirtschaft kompakt.

Griechenland hat gegen den früheren Verwaltungsratschef von Siemens Hellas, Volker Jung, einen Haftbefehl ausgestellt. Jung ist aus dem Land geflohen. Ein Athener Gerichtssprecher sagte, Jung sei nicht auf der Polizeistation der Insel Paros in der Ägäis erschienen, wo er sich einmal im Monat habe melden müssen, um Untersuchungshaft zu vermeiden.

Griechischer Haftbefehl gegen frueheren Siemens-Manager Jung

Haftbefehl gegen Jung: Er soll sich derzeit in Deutschland aufhalten.

(Foto: dapd)

Jung hat dort seit Jahren ein Ferienhaus. Er durfte das Land seit Mitte 2009 nicht verlassen und wird nun in Deutschland vermutet. Griechenland verdächtigt den früheren Chef von Siemens Hellas der Korruption. Der 71-Jährige war einst auch Vizepräsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Die Athener Staatsanwaltschaft ordnete eine Untersuchung an, wie Jung Paros verlassen konnte.

Die Insel hat einen kleinen Inlands-Flughafen mit Verbindungen nach Athen und einen Fährhafen, von wo aus Schiffe nach Piräus, Rafina, Mykonos und Santorin fahren. Im September hatte der 71-Jährige in einem Interview mit der SZ erklärt: "Ich will auf legalem Weg endlich nach Hause, zu meiner Familie. In Griechenland zählt die Familie doch mehr als anderswo. Auch ich habe eine Familie und Freunde in Deutschland. Ich bin unglücklich hier."

Er sagte weiter: "Die Münchner Staatsanwaltschaft hat zusammen mit US-Anwälten, die Siemens als interne Ermittler eingesetzt hat, jeden Stein bei Siemens umgedreht. Inzwischen hat mir die Staatsanwaltschaft bescheinigt, dass nichts gegen mich vorliegt. Ich bin unschuldig. Das wissen die Griechen."

Jung arbeitet der Münchner Beteiligungsberatung General Capital Group zufolge als "Senior Adviser" für die Firma. Gleichzeitig ist er der Firma zufolge noch Mitglied des Aufsichtsrats der Direkt Anlage Bank, von Vattenfall, der Messe München und "Independent Non-session Member" des Board of Directors der Intracom SA in Athen.

Griechenland: Alles viel schlimmer

Europas größter Schuldensünder Griechenland steckt tiefer in der Klemme als bisher offiziell bekannt. Die Neuverschuldung lag im vergangenen Jahr bei 15,4 Prozent der Wirtschaftsleistung, fast zwei Punkte höher als die bisher angegebenen 13,6 Prozent, wie die Europäische Statistikbehörde Eurostat am Montag in Luxemburg mitteilte. Die gesamtstaatliche Verschuldung kletterte auf 126,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, das ist weit mehr die bisher bekannten 115,1 Prozent.

Die neuen Zahlen von Eurostat kamen nicht überraschend. Seit Wochen wurde in der griechischen Presse darüber berichtet, auch die EU-Kommission hatte höhere Zahlen erwartet. Eurostat hatte bereits im April Vorbehalte gegenüber den griechischen Zahlen geäußert. Grund waren Unsicherheiten beim Überschuss der Sozialversicherung.

Auch die Defizit- und Schuldenzahlen der Jahre 2006 bis 2008 wurden nachträglich nach oben korrigiert. Der Sprecher von Rehn sagte, die Sparziele für das laufende Jahr blieben weiter gültig. Athen habe sich verpflichtet, das Defizit um vier Punkte zu drücken. Griechenland steht seit dem Frühjahr unter harter Dauerkontrolle der EU-Institutionen und des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Kanada lässt BHP abblitzen

Der australische Bergbauriese BHP Billiton hat seine 39 Milliarden Dollar schweren Übernahmepläne für den kanadischen Düngemittelkonzern Potash begraben. Das Unternehmen zog seine feindliche Offerte zurück und reagierte damit auf das Veto der kanadischen Regierung, die wirtschaftliche Nachteile befürchtet hatte.

Auch Potash hatte die Offerte abgelehnt. BHP scheiterte damit bereits zum dritten Mal mit einem großen Übernahmevorstoß. Die Aktien des Kasseler Potash-Rivalen K+S reagierten am Montag mit Abschlägen: Übernahmespekulationen rund um die BHP-Offerte hatten den Titeln in den vergangenen Wochen Auftrieb verliehen. BHP will nun zunächst den Aktionären Geld zurückgeben und kauft Aktien im Wert von 4,2 Milliarden Dollar zurück.

Experten werteten dies als Hinweis darauf, dass BHP vorerst keine größeren Zukäufe mehr plane. "Obwohl wir alle notwendigen kartellrechtlichen Genehmigungen für das Gebot erhalten haben, waren wir leider nicht in der Lage, eine Freigabe nach dem 'Investment Canada Act' zu bekommen und haben uns deswegen entschieden, die Offerte zurückzuziehen", erklärte BHP-Chef Marius Kloppers.

Anfang November hatte die kanadische Regierung überraschend ein Veto gegen den Verkauf von Potash an BHP eingelegt. BHP hätte sein Angebot daraufhin noch nachbessern können. Nach dem "Investment Canada Act" darf die Regierung in Ottawa den Kauf eines heimischen Konzerns blockieren, wenn eine Übernahme keine positiven Auswirkungen auf Arbeitsmarkt, Export, Produktion und Investitionen hat.

BHP teilte mit, die kanadische Regierung habe zu viele Zugeständnisse eingefordert. Der kanadische Industrie-Minister Tony Clement bekräftigte nach dem BHP-Rückzug die Haltung der Regierung. Der Einspruch basiere auch darauf, dass BHP nicht über ausreichende Expertise bei Kali verfüge, sagte er. Daher sei nicht sicher gewesen, ob die Übernahme für Kanada von Vorteil gewesen wäre. Kanada begrüße aber auch in Zukunft ausländische Investoren.

"Unsere Regierung kennt indes an, dass es möglicherweise Wege gibt, den Genehmigungsprozess zu verbessern", sagte Clement. Ministerpräsident Stephen Harper kündigte klarere Richtlinien für ausländischen Investitionen an. Potash ist der weltgrößte Produzent von Kali. Das Mineral ist neben Phosphat und Stickstoff eines der drei Hauptbestandteile von Düngemitteln. Der Konzern ist einer der größten Rohstoffkonzerne Kanadas und kontrolliert 25 Prozent des Kali-Weltmarktes. Die Offerte von BHP hatten die Kanadier als zu niedrig zurückgewiesen. Ob der russische Rivale Phosagro sich noch mit einen Kaufgebot vorwagt, war offen. Der Kasseler Konkurrent Rivale K+S rüstete sich unterdessen für den Fall eines unerwünschten Übernahmevorstoßes und erwägt, seine Aktien auf Namensaktien umzustellen. Damit könnte frühzeitig erkannt werden, wenn einzelne Investoren größere Stimmrechtspakete anhäufen und so eine Übernahmeofferte vorbereiten.

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