Wirtschaft kompakt:Online-Wurst in der Kritik

Zu teuer, zu undurchsichtig: Verbraucherschützer kritisieren den Lebensmittelversand von Amazon. Außerdem: Novartis zahlt 250 Millionen Dollar wegen Diskriminierung.

Verbraucherschützer kritisieren den Online-Lebensmittelhandel von Amazon. Ein Praxistest habe sehr enttäuschende Ergebnisse gebracht, sagte Lebensmittel-Experte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. Das Angebot sei teuer, umständlich und wenig transparent. "Es ist noch keine Alternative zum Supermarkteinkauf. Amazon muss nachbessern." Das Angebot sei in der Beta-Version, sagte eine Sprecherin von Amazon. "Wir sammeln Feedback unserer Kunden und optimieren Kundenbedürfnissen entsprechend unseren Shop."

Kein Kundenrueckgang in Metzgerei

Amazon in der Kritik: Verbraucherschützer bemängeln den Lebensmittelversand des Onlinehändlers.

(Foto: ag.ddp)

Amazon hat vor etwa zwei Wochen auch Lebensmittel und Getränke in sein Online-Angebot aufgenommen, das bisher unter anderem Bücher, Elektronik, Spielzeug und Kleidung umfasst. Anfangs waren rund 35.000 Produkte von Gemüse, Fleisch und Fisch über Backwaren bis hin zu Delikatessen im Angebot. Inzwischen sind es nach Angaben der Amazon-Sprecherin schon etwa 60.000, darunter viele von rund 60 Partnerunternehmen. Nach Angaben des Anbieters ist dies die größte Auswahl an Lebensmitteln, die es online in Deutschland gibt.

Im Praxistest kaufte die Verbraucherschutzzentrale die gleichen Lebensmittel bei Amazon und bei einem lokalen Supermarkt. Ein typischer Familieneinkauf mit 31 verschiedenen Produkten wie Brot, Bananen, Marmelade und Kaffee war bei Amazon mehr als doppelt so teuer wie im lokalen Supermarkt. Ein Single-Einkauf mit zehn Produkten erwies sich sogar als fast dreimal so teuer. "Neben den hohen Versandkosten trugen dazu die im Durchschnitt höheren Lebensmittelpreise bei Amazon bei", sagte Verbraucherschützer Valet.

Die Verbraucherschützer bemängeln auch lange Lieferzeiten und die mangelnde Kennzeichnung der Lebensmittel. So werde nur bei etwa jedem zehnten Produkt eine Liste der Zutaten angezeigt und auch Allergiker würden schlecht informiert. "Das sind Verstöße gegen geltendes Recht", sagte Lebensmittel-Experte Valet.

Novartis zahlt wegen Diskriminierung

Der Schweizer Pharmakonzern Novartis zahlt in einem Vergleichsverfahren 152,5 Millionen Dollar an Mitarbeiterinnen in den USA, die sich diskriminiert fühlen. Das berichtete das Unternehmen auf seiner Website. Es geht dabei um Mitarbeiterinnen und ehemalige Angestellte seiner Tochter Pharmaceuticals Corporation (NPC).

Ein Gericht in New York hatte das Unternehmen im Mai verurteilt, 250 Millionen Dollar an die Frauen zu zahlen. Diese hatten den Konzern beschuldigt, sie wegen ihres Geschlechts systematisch zu benachteiligen. Nun hätten sich die Klägerinnen mit ihren Anwälten sowie Novartis auf die Zahlung geeinigt, die über drei Jahre verteilt werde. Zudem werde ein 22,5 Millionen Dollar umfassendes Förderprogramm aufgelegt, teilte das Unternehmen mit.

"Obwohl wir davon ausgehen, dass es bei NPC keine durchgängige Diskriminierung gab, haben die Untersuchungen aber ergeben, dass Einige Erfahrungen gemacht haben (...), die mit unseren Werten nicht zu vereinbaren sind", zitiert Novartis Unternehmenschef Joe Jimenez.

Zwölf Frauen hatten eine Klage eingereicht: NPC habe sie bei Beförderungen übergangen, habe für die gleiche Arbeit nicht den gleichen Lohn bezahlt und Schwangere benachteiligt. Eine neunköpfige Jury in Manhattan gab ihnen Recht.

Slowakei billigt Rettungsschirm

Unter dem Druck der anderen Euro-Länder hat die Regierung der Slowakei den milliardenschweren Rettungsschirm für Staaten in Not gebilligt. Allerdings stellt die neue Mitte-Rechts-Regierung für ihre Unterstützung der Hilfen von bis zu 750 Milliarden Euro Bedingungen, wie aus einer Erklärung hervorgeht.

Die 16 Staaten mit dem Euro hatten sich Anfang Mai auf den Stabilisierungs-Mechanismus geeinigt. Er sieht Garantien der Euro-Länder von bis zu 440 Milliarden Euro vor sowie 60 Milliarden Euro aus dem EU-Budget und 250 Milliarden Euro vom Internationalen Währungsfonds (IWF).

Die slowakische Ministerpräsidentin Iveta Radicova sagte, ihre erst vor einer Woche angetretene Koalition werde den Rettungsschirm trotz anfänglicher Bedenken mittragen. Allerdings pocht die Slowakei auf ein Rahmenabkommen, welches Bedingungen zur Auszahlung der Hilfsgelder festlegen soll.

Die Entscheidung der slowakischen Regierung muss noch vom Parlament und dem Präsidenten bestätigt werden. Bevor der Rettungsfonds Ende des Monats die Arbeit aufnehmen kann, muss auch Italien noch die Verträge ratifizieren.

Institut prognostiziert Vollbeschäftigung

Die Arbeitslosenquote in Deutschland könnte nach Berechnung von Wirtschaftsforschern schon in wenigen Jahren auf Werte fallen, wie sie zu Zeiten der Bonner Republik in Westdeutschland üblich waren. Die Wochenzeitung Die Zeit zitiert aus einer Studie des Beratungsinstituts Kiel Economics, die prognostiziert, dass 2014 nur noch 1,84 Millionen Menschen ohne Job sein könnten. Die Arbeitslosenquote läge damit knapp unter 4,5 Prozent . Einige Ökonomen sprechen da bereits von Vollbeschäftigung.

Als Grund für die überraschend schnelle Senkung der Arbeitslosigkeit sehen die Forscher die umstrittenen Hartz-Reformen der Agenda 2010 unter Kanzler Gerhard Schröder. Institutschef Carsten-Patrick Meier beschreibt die Entwicklung als Langfristfolge der Arbeitsmarktreform der rot-grünen Bundesregierung, die zwischen 2003 und 2005 umgesetzt wurde.

Der Lohnanstieg in Deutschland sei ab 2004 deutlich hinter der Produktivität zurückgeblieben, sagte Meier. Die "Früchte dieser Lohnzurückhaltung werden nun geerntet". Neben den Reformen habe auch ein durch die Globalisierung bedingter Wettbewerbsdruck die Löhne schrumpfen lassen.

Im Juni 2010 waren in Deutschland 3,15 Millionen Menschen ohne Beschäftigung, 88.000 weniger als im Mai. Die Arbeitslosenquote verringerte sich im Monatsvergleich um 0,2 Prozentpunkte auf 7,5 Prozent.

Brüderle erwartet Wirtschaftswachstum

Aufschwung in der deutschen Wirtschaft: Nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) soll sie bis spätestens 2013 die Folgen der Krise komplett überwunden haben. Das Wachstum werde "im Jahr 2010 nach eigener Prognose bei einem Plus von 1,4 Prozent oder sogar etwas mehr stehen", sagte Brüderle der Augsburger Allgemeinen. Daher sei er "zuversichtlich, dass wir die Krise in zwei bis drei Jahren komplett überwunden haben".

Politik und Wirtschaft müssten nun "zur Normalität der sozialen Marktwirtschaft zurückfinden", sagte Brüderle dem Blatt. Er bekräftigte, den Deutschlandsfonds für im Zuge der Krise in Mitleidenschaft gezogene Firmen wie geplant zum Jahresende auslaufen zu lassen. "Deshalb sollten wir auch die anderen Rettungsschirme rechtzeitig wieder zuklappen", forderte der Minister ein Ende weiterer staatlicher Krisenmaßnahmen.

Russen bestellen bei Airbus

Die russische Fluggesellschaft Aeroflot hat Kreisen zufolge bei Airbus mehrere Maschinen des Typs A330 bestellt. Der Wert der Order betrage nach Listenpreis mehr als zwei Milliarden Euro, sagte eine mit dem Geschäft vertraute Person. "Aeroflot hat den Auftrag bereits vor einigen Tagen erteilt", hieß es. Erst am Wochenende hatte Aeroflot die Aufstockung ihrer Flotte mit 22 Boeing 787 und 22 Airbus A350 bekanntgegeben.

Ministerpräsident Wladimir Putin ermahnte die Gesellschaft jedoch, mehr russische Fabrikate zu kaufen. Russland hat erstmals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion mit dem Superjet ein neues Passagierflugzeug entwickelt. Russische Fluggesellschaften stehen daher unter politischem Druck, die heimische Luftfahrtbranche anzukurbeln.

Weniger Wachstum in den USA erwartet

Die US-Notenbank Fed hat ihre Prognosen zur Entwicklung der US-Konjunktur gesenkt. Die Wirtschaft werde in den kommenden Jahren langsamer wachsen als bislang erwartet. Darum werde auch die Arbeitslosigkeit langsamer sinken, heißt es in dem Protokollen der Fed-Sitzung von Ende Juni. Die Fed kündigte dabei an, die Notwendigkeit neuer Konjunkturmaßnahmen zu prüfen.

Einige Mitglieder des Geldpolitik-Ausschusses der Fed sähen die Gefahr einer Deflation, heißt es zudem in den Unterlagen. Die Fed erwartet nun für das laufende Jahr in den USA ein Wirtschaftswachstum von drei bis 3,5 Prozent. Bei der letzten Sitzung im April war sie noch von 3,2 bis 3,7 Prozent ausgegangen. Für Ende 2010 erwartet sie wie in der Schätzung vom April eine Arbeitslosenquote von 9,2 bis 9,5 Prozent. Erst in den Folgejahren soll sie langsam zurückgehen. Für Ende 2012 erwartet die Fed nun eine Quote von 7,1 bis 7,5 Prozent.

Der Ausschuss kündigte außerdem eine Prüfung an, "ob weitere Konjunkturmaßnahmen nötig sein werden, wenn sich der Ausblick spürbar verschlechtert".

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