Wirtschaft kompakt:Google geht fremd

Nur Internet? Das kann langweilig sein. Jedenfalls investiert Google jetzt in einen gewaltigen Windpark vor der US-Ostküste. Außerdem: Ex-Metro-Chef Körber soll Air Berlin kontrollieren und Léo Apotheker muss vor Gericht aussagen. Das Wichtigste in Kürze.

Google stößt in immer neue Bereiche außerhalb seines Kerngeschäfts vor. Der Internet-Konzern investiert in einen riesigen Offshore-Windpark vor der US-Ostküste, der rund 1,9 Millionen Haushalte versorgen kann. Das geplante System der Windkraftanlagen soll sich vor der US-Küste über 350 Meilen (gut 560 Kilometer) von New Jersey bis Virginia hinziehen, berichtete Google in einem Blogeintrag.

Surfboards lean against a wall at the Google office in Santa Monica

Google drängt aufs Wasser - und investiert in einen riesigen Windpark vor der US-Küste.

(Foto: REUTERS)

Der Internet-Riese beteiligt sich zunächst mit 37,5 Prozent an der Atlantic Wind Connection (AWC), zusammen mit den Partnern Good Energies und Marubeni. Die Windanlagen mit einer Gesamtkapazität von 6000 MW sollen etwa 15 bis 25 Kilometer vor der Küste ins Meer gebaut werden.

Google hatte bereits im Mai eine Investition in zwei kleinere Windparks im Bundesstaat North Dakota angekündigt. Google ist mit seinen riesigen Datenzentren ein bedeutender Stromabnehmer.

Google-Chefökonom Varian berichtete unterdessen auch noch von der Arbeit an einem Preisindex, der auf Daten aus dem Online-Handel beruht. Er räumte ein, dass der "Google Price Index" zwar Trends anzeigen könne, aber keine vollwertige Alternative zu klassischen Inflationsstatistiken sei. Das liege vor allem daran, dass der Online-Handel andere Schwerpunkte habe.

So könne man ziemlich gut die Preisentwicklung zum Beispiel bei Uhren oder Kameras nachzeichnen. Dies gelte aber weniger etwa für Autoteile, die seltener im Internet gehandelt werden. Auch die Gewichtung der Immobilienpreise sei in einem klassischen Preisindex deutlich höher.

Google experimentiert bereits seit einiger Zeit mit solchen Auswertungen - zum Beispiel um die Ausbreitung von Grippe-Infektionen nachzuverfolgen. Zudem konnte der Internet-Konzern anhand der Suchanfragen zwei Jahre in Folge die Sieger des European Song Contests richtig vorhersagen.

Zeitarbeit: Arbeitgeber für Mindestlohn

Die Arbeitgeber machen Druck auf die FDP, einen bundesweiten Mindestlohn in der Zeitarbeit nicht weiter zu blockieren. Arbeitgeber-Präsident Dieter Hundt plädierte für die Aufnahme der Branche in das Entsendegesetz. Er begründete dies mit der ab Mai 2011 herrschenden Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus den EU-Beitrittsstaaten wie Polen. Ohne gesetzliche Regelung drohe die Zeitarbeit in Verruf zu geraten, weil ausländische Anbieter die in Deutschland herrschenden Löhne dann unterbieten könnten.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) unterstützte den Vorstoß zwar. Der Dachverband forderte darüber hinaus, den Grundsatz gleicher Bezahlung der Zeitarbeit gesetzlich klarzuziehen.

"Der Gesetzgeber hat nach meiner Überzeugung nicht die Option, nichts zu tun", sagte Hundt vor Journalisten. "Sonst ist das eine Einladung zum Missbrauch." Bisher lehnt die FDP und vor allem deren Vizefraktionschef Heinrich Kolb die Aufnahme der Zeitarbeit in das Entsendegesetz kategorisch ab. Dies wäre die Voraussetzung dafür, dass Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) tarifliche Mindestlohnverträge für allgemeinverbindlich erklärt. Sie würden dann auch für aus dem Ausland entsandte Arbeitnehmer gelten, die nicht an deutsche Tarife gebunden sind.

An die FDP gewandt sagte Hundt, er verstehe und akzeptiere deren Standpunkt, dass sie gegen die Einführung weiterer Mindestlöhne sei. "Aber darum geht es in der Zeitarbeit nicht mehr", sagte Hundt. Er verwies darauf, dass Arbeitgeberverbände mit den unterschiedlichen Gewerkschaften der Branche inzwischen Mindestlohntarifverträge abgeschlossen haben, die ab Mai 2011 Mindestlöhne auf gleichem Niveau vorsehen. Die Untergrenzen liegen bei 7,79 Euro im Westen und 6,89 Euro im Osten.

Damit gibt es faktisch branchenweit eine Lohnuntergrenze. Denn vom Grundsatz gleicher Bezahlung von Stammbeschäftigten und Zeitarbeitern darf nur aufgrund von Tarifverträgen abgewichen werden. Diese Sonderklausel im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz würde auch ausländischen Zeitarbeitsfirmen erlauben, mit eigenen Tarifverträgen die Löhne zu unterbieten. In Polen würden Tarifverträge mit Löhnen von 4,80 Euro vorbereitet, sagte Hundt.

DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki nannte die Aufnahme der Branche in das Entsendegesetz einen "wichtigen Schritt". Dies reiche aber nicht aus. Durch eine Gesetzesänderung müsse das Prinzip gleicher Bezahlung für gleiche Tätigkeiten verankert werden, "ohne die Möglichkeit, davon nach unten abzuweichen". Dies lehnte Hundt kategorisch ab. Durch die Einführung gleicher Bezahlung ohne Abstriche würde sich nach seinen Worten "Zeitarbeit in einem Maße verteuern, dass der Einsatz insbesondere von Geringqualifizierten und Langzeitarbeitslosen vielfach nicht mehr in Betracht käme".

Air Berlin bekommt neuen Chefkontrolleur

Air Berlin bekommt einen neuen Aufsichtsratvorsitzenden. Zum Jahreswechsel übernimmt der ehemalige Metro-Chef Hans-Joachim Körber die Leitung des Kontrollgremiums (Chairman des Board of Directors) der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft, wie das Unternehmen mitteilte. Der 64-jährige löst den Bonner Unternehmer Johannes Zurnieden ab.

Zurnieden ist Inhaber des Reiseveranstalters Phoenix und Miteigentümer der Airline. Er bleibe auch künftig Aktionär und Mitglied des Gremiums, wolle sich künftig jedoch verstärkt anderen Aufgaben widmen, hieß es in der Mitteilung. Firmenchef Joachim Hunold dankte ihm. "Johannes Zurnieden hat die Entwicklung unseres Unternehmens von einer kleinen Charterfluggesellschaft zur zweitgrößten deutschen Airline begleitet und gefördert", sagte er.

Zurnieden ist seit dem Börsengang von Air Berlin 2006 Vorsitzender des Gremiums. Anders als bei einer deutschen Aktiengesellschaft sind in einem Board of Directors wie bei Air Berlin sowohl das operative Management als auch kontrollierende Aufsichtsräte vertreten.

Oracle zerrt Apotheker in Zeugenstand gegen

Der Industriespionage-Streit mit Oracle verfolgt Ex-SAP-Chef Léo Apotheker bis in den Chefsessel von Hewlett-Packard. Oracle will Apotheker als Zeugen in dem für November geplanten Prozess aufrufen, wie ein SAP-Vertreter dem Wall Street Journal am Montag bestätigte. SAP hatte im August zugegeben, dass die US-Tochter TomorrowNow vor einigen Jahren wiederholt unrechtmäßig Oracle-Daten heruntergeladen hatte. Der deutsche Konzern hatte die Tochter letztlich 2008 geschlossen. Hewlett-Packard-Verwaltungsratsmitglied Ray Lane kritisierte, Oracle habe Apotheker erst in den seit 2007 laufenden Industriespionage-Streit hineingezogen, nachdem er vor wenigen Tagen neuer HP-Chef geworden sei.

In einer E-Mail an die New York Times nahm er den Ex-SAP-Manager ausdrücklich in Schutz. TomorrowNow habe nicht unter Apothekers Aufsicht gestanden und er habe die Tochter seinerzeit als Co-Konzernchef geschlossen. Auslöser für Lanes Mail dürfte auch ein Artikel in der Zeitung gewesen sein, in dem ein Times-Kolumnist die Berufung von Apotheker mit Blick auf die Industriespionage-Vorwürfe scharf kritisierte - und dagegenstellte, dass Apothekers Vorgänger Mark Hurd für vergleichsweise harmlose Unregelmäßigkeiten bei Spesenabrechnungen geschasst worden sei. Lane erwiderte darauf in der vom Technologieblog "All Things Digital" veröffentlichten Mail, Hurd habe den HP-Verwaltungsrat wiederholt belogen und deshalb dessen Vertrauen verloren. Lane war einst die Nummer zwei bei Oracle nach Konzernchef Larry Ellison, bevor er zu einer bekannten Investorenfirma ging.

Mit dem neuen Schlagabtausch werden die Gräben zwischen HP und Oracle tiefer. Die beiden Unternehmen sind Kooperationspartner und Wettbewerber zugleich. Als Ellison den bei HP herausgedrängten Hurd zu einem seiner Top-Manager machte, ging es Schlag auf Schlag. HP klagte erst gegen Hurd und zeigte sich wegen möglichen Geheimnisverrats besorgt. Dann ließ Hewlett-Packard die Klage fallen und holte sich mit Apotheker den Ex-Chef des schärfsten Oracle-Konkurrenten SAP an die Spitze.

Der für markige Worte berüchtigte Ellison kommentierte beide Personalentscheidungen ziemlich giftig. In dem Industriespionage-Prozess, der am 1. November in Kalifornien beginnen soll, weist SAP weiterhin die Milliarden-Schadenersatzforderung von Oracle zurück. Die Walldorfer sehen den Schaden nach bisherigen Angaben eher bei einigen Dutzend Millionen Dollar

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) rechnet mit einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr. Vorstandsmitglied Heinrich Alt sagte der Stuttgarter Zeitung einem entsprechenden Vorabbericht zufolge, er rechne im Jahresdurchschnitt mit drei Millionen Arbeitslosen. Das seien durchschnittlich 200.000 weniger als in diesem Jahr. Damit gingen die Erwerbslosenzahlen zwar nicht mehr so deutlich zurück wie in diesem Jahr. Alt erwartet aber, dass auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen weiter abnimmt. Die günstige Entwicklung am Arbeitsmarkt werde den Etat der Arbeitsagentur weiter entlasten, sagte Alt. Dennoch müsse die Behörde nach den Vorgaben der Regierung sparen. Weniger Mittel stünden unter anderem für Eingliederungsprogramme zur Verfügung.

Es solle aber vermieden werden, dass der Rotstift bei der Weiterbildung von Arbeitslosen und der Integration von Jugendlichen angesetzt werde. Auf dem Ausbildungsmarkt will die Arbeitsagentur neue Wege gehen, um mehr Lehrstellenbewerber unterzubringen.

"Wir sehen, dass wir mittlerweile nicht mehr so viele Ausbildungsverhältnisse am Markt vorbei anbieten müssen", sagte Alt. Schulabgänger ohne Lehrstelle sollen im ersten Jahr eine außerbetriebliche Ausbildung in einem Schulungszentrum erhalten und im zweiten Jahr direkt in einen Betrieb wechseln können.

Der Warenhauskonzern Karstadt soll nach dem Abschluss seiner Sanierung von einem Handelsexperten geführt werden. Die Geschäftsführung solle in "absehbarer Zeit mit einem weiteren Handelsexperten" verstärkt werden, der "die Gesamtleitung von Karstadt" übernehmen solle, teilte der Konzern mit. Den Umbau der Kette soll aber zunächst der Restrukturierungsexperte Thomas Fox vorantreiben, der noch ein Jahr Karstadt-Chef bleiben solle.

Fox hatte Karstadt bereits während der Insolvenzphase begleitet. Der Aufsichtsrat hatte mit Rewe-Chef Alain Caparros bereits einen neuen Vorsitzenden bekommen. Rewe betreibt in einem Gemeinschaftsunternehmen mit Karstadt 42 "Perfetto"- Feinkostabteilungen in den Warenhäusern, in denen allein 2600 Menschen beschäftigt sind. Nach diesem Muster sucht Berggruen auch für andere Bereiche von Karstadt unternehmerische Partner. Der Milliardär Nicolas Berggruen ist nach dem Ende der 15-monatigen Insolvenz seit Beginn des Monats Eigentümer des Rivalen von Kaufhof. Die Kette gehört zum Metro-Konzern.

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