Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) einigt sich nun auf eine einheitliche Linie. Es entkräftete seine am Wochenende an die Öffentlichkeit gelangte These, dass es in Deutschland heute und in der Zukunft grundsätzlich nicht an Fachkräften fehle. Kurzfristig sei der Bedarf an Fachkräften noch beherrschbar, langfristig werde der Mangel an entsprechend qualifizierten Mitarbeitern aber zu einem entscheidenden Thema, heißt es in einem Aufsatz von DIW-Präsident Klaus Zimmermann.
DIW-Chef Klaus Zimmermann erwartet nun doch einen Fachkräftemangel - einer seiner Wissenschaftler hatte das kürzlich anders gesehen.
(Foto: ddp)Es gebe heute mehr qualifizierte Arbeitslose, als offene Stellen für diese Qualifikationen vorhanden seien, schreibt der Institutschef. Nicht übersehen werden dürfe dabei aber der erstaunliche Rückgang der Arbeitslosigkeit seit der Wirtschaftskrise, die schwer zu überbrückende Kluft zwischen Bedarf und vorhandenen Qualifikationen von Arbeitslosen und der unabwendbare demografische Einbruch ab dem Jahr 2015. Mittel- und langfristig werde die Fachkräfteknappheit daher zu einem bestimmenden Thema der deutschen Wirtschaftspolitik.
DIW-Forscher Klaus Brenke beurteilt die Situation aus einem anderen Blickwinkel: In einem Aufsatz, aus dem der Spiegel bereits am vergangenen Wochenende zitierte, kommt Brenke zu dem Schluss, dass "wir in manchen Branchen eine Fachkräfteschwemme haben werden". Gerade im naturwissenschaftlich-technischen Bereich und im Ingenieurswesen werde in einem Maße ausgebildet, dass Studienabsolventen gar nicht auf dem deutschen Arbeitsmarkt untergebracht werden könnten.
Als Konsequenz könnten qualifizierte Fachkräfte sogar vermehrt aus Deutschland abwandern. In seiner Analyse nicht berücksichtigt hat Brenke indes regionale Aspekte. So könnten in besonders wachstumsstarken Gebieten, aber auch in großen Teilen Ostdeutschlands, wo die Einwohnerzahl besonders stark schrumpfe, erhebliche Engpässe beim Arbeitskräfteangebot entstehen, schreibt er. Zimmermann forderte die Politik vor dem Hintergrund der Studien erneut zum Handeln auf. Deutschland müsse sich als Zielland für international gesuchte Spitzenkräfte etablieren.
In Deutschland arbeiten über vier Millionen vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor. Das geht aus einer neuen Statistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor, die erstmals die Daten aller knapp 27 Millionen ozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Deutschland umfasst. Nach Angaben der Statistiker verdienten 2009 gut 22 Prozent der vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer (ohne Auszubildende) monatlich weniger als 1.784 Euro brutto und arbeiteten damit unterhalb der Niedriglohnschwelle.