Wirtschaft kompakt:Cash für Chemiker

Die Chemieindustrie vereinbart einen neuen Tarifabschluss, der IWF gibt sich mit Blick auf die Konjunktur optimistischer - und Berlin spendiert der Solarindustrie 100 Millionen Euro. Das Wichtigste im Überblick.

Einmalzahlungen in der Chemieindustrie vereinbart

Chemie, Tarife, Techniker im Labor der Firma Degussa, Foto: ddp

Die Chemieindustrie erhält einen neuen Tarifvertrag - mit kurzer Laufzeit.

(Foto: Foto: ddp)

Die Chemieindustrie hat nach dem Krisenjahr 2009 einen neuen Tarifabschluss. Die 550.000 Beschäftigten der Branche erhalten eine Einmalzahlung in Höhe von pauschal 550 Euro sowie einen Bonus abhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihres Unternehmens.

Der Tarifvertrag hat mit elf Monaten eine kurze Laufzeit. Das teilten die Arbeitgebervertreter und die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie nach zweitägigen Verhandlungen in Würzburg mit. Die Tarifparteien verständigten sich auch über die Themen Beschäftigungssicherung und bessere Perspektiven für Berufsanfänger.

Die Chemieindustrie ist die viertgrößte deutsche Industriebranche. 1900 Betriebe sind von dem Abschluss betroffen. Die Tarifparteien hatten seit Dienstag über einen neuen Tarifvertrag für die stark exportorientierte Branche verhandelt. Der Einigung nach sollen von 2011 bis 2013 bundesweit 9000 neue Ausbildungsplätze pro Jahr angeboten werden. Übernahmen von Azubis, die wegen der Krise eigentlich keinen Arbeitsplatz gehabt hätten, sollen finanziell unterstützt werden. Dazu wollen die Arbeitgeber einen sogenannten Nachwuchssicherungsfonds in Höhe von 25 Millionen Euro einrichten.

Sorgenkind Staatsverschuldung

Optimistisch für die Konjunktur, aber in Sorge um die Defizite: Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft wegen der stärkeren Erholung in den USA, Japan und den Schwellenländern angehoben. Allerdings schaut der Fonds mit Hauptsitz in Washington mit Unbehagen auf die hohe Staatsverschuldung in vielen Ländern.

"Die Hauptsorge ist, dass der Spielraum für politisches Handeln in vielen Industriestaaten weitgehend erschöpft oder stark eingeschränkt ist", teilte der Fonds mit. Deshalb sei die Erholung in vielen Ländern anfällig für neue Schocks. Der Konjunkturausblick sei außergewöhnlich unsicher. Mittelfristig müssten die meisten Industrieländer ihre ausufernden Staatsdefizite in den Griff bekommen.

IWF-Chefvolkswirt Olivier Blanchard warnte vor einer "Schulden-Explosion". Im laufenden Jahr sollten Finanz- und Geldpolitik zwar noch für Impulse sorgen. Im nächsten Jahr müssten die Industriestaaten aber weitgehend mit der Haushaltskonsolidierung beginnen, einige sogar eher. Der IWF geht davon aus, dass das globale Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 4,2 Prozent zulegt. Im Januar hatte er nur plus 3,9 Prozent veranschlagt. "Die Erholung kommt schneller voran als erwartet", hieß es im Weltwirtschaftsausblick.

Regierung stellt 100 Millionen Euro für Solarindustrie bereit

Im Streit um die Kürzung der Subventionen für die Solarförderung versucht die Bundesregierung gut Wetter zu machen: Das Kabinett hat ein Sonderförderprogramm für die Solarindustrie in Höhe von rund 100 Millionen Euro verabschiedet, das vor allem den Herstellern in Ostdeutschland zugute kommen soll. Die Kürzung der Förderung von Solarstrom wird zudem wohl weniger hart ausfallen als bislang geplant.

Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) stellte die Innovationsallianz Photovoltaik nach der Kabinettssitzung vor. Danach wird die Regierung in den kommenden "drei bis vier Jahren" rund 100 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Über Partnerschaften mit Unternehmen würden "zusätzliche Mittel generiert", sagte Schavan. Das Ministerium rechne damit, dass ein Euro öffentliches Geld fünf Euro privates Geld mobilisiere, sagte ein Sprecher Schavans - für die Photovoltaik wäre das eine Summe von 500 Millionen Euro.

Chrysler verliert Milliarden

Die Kunden sind skeptisch, die Verluste sind nach wie vor hoch. Dennoch herrscht Aufbruchstimmung beim gestrauchelten Autohersteller Chrysler. Die finanzielle Lage entspanne sich zusehends und Chrysler sei auf dem Weg, seine Ziele für das laufende Jahr zu erreichen, sagte Konzernchef Sergio Marchionne. Im laufenden Jahr will er zumindest operativ in die schwarzen Zahlen zurückkehren.

Davon war Chrysler im vergangenen Jahr noch weit entfernt. Auch nach Verlassen der Insolvenz im Sommer schrieb das Unternehmen tiefrote Zahlen. Unterm Strich summierte sich der Verlust von Juni bis Dezember auf 3,8 Milliarden Dollar, das meiste davon fiel im Schlussquartal an. Vor allem ein Gesundheitsfonds für Pensionäre belastete das Ergebnis.

Der Umsatz kam bei 17,7 Milliarden Dollar heraus. Die Insolvenz hatte viele Kunden abgeschreckt, erschwerend kam die Wirtschaftskrise hinzu. Und auch heute noch steht der kleinste der drei US-Autoherstellern am schwächsten da. Während die Verkäufe bei den Konkurrenten in den vergangenen Monaten kräftig zugelegt haben, verbuchte Chrysler weiterhin Rückgänge. Die Modellpalette gilt als veraltet, neue Modelle mit technischer Hilfe von Fiat kommen nicht vor dem Jahreswechsel 2011/2012 auf den Markt.

Marchionne, der gleichzeitig Fiat-Chef ist, hatte nach der überstandenen Insolvenz von Chrysler das Steuer übernommen. Fiat hält 20 Prozent an dem US-Hersteller, die Mehrheit liegt nach milliardenschweren Staatshilfen bei der Regierung. In den kommenden zwei Jahren will Marchionne den Anteil in mehreren Schritten auf 35 Prozent aufstocken - aber nur, sofern er Chrysler wieder in die Spur bringen kann.

Auf dem Papier sieht die Zukunft von Chrysler rosig aus: 2010 soll der Umsatz wieder bei 40 bis 45 Milliarden Dollar liegen. Nach einem geplanten Modellfeuerwerk sollen die Erlöse bis 2014 schließlich auf 68 Milliarden Dollar steigen und operativ fünf Milliarden Dollar Gewinn herauskommen. Auch seine Schulden beim Staat will der Autohersteller bis dahin voll zurückgezahlt haben.

Lidl - fair ist nicht fair genug

Die Discounter-Kette Lidl muss nach einer Klage von Verbraucherschützern und Menschenrechtlern auf Werbung für Kleidung aus angeblich weltweit fairer Produktion verzichten.

Lidl habe sich dazu in einer entsprechenden Unterlassungserklärung verpflichtet, teilte die Verbraucherzentrale Hamburg (VZHH) mit. Der Discounter dürfe nun nicht mehr behaupten, seine Textilien kämen aus fairer Produktion. "Lidl muss die Werbung zurückziehen", sagte VZHH-Chef Günter Hörmann.

Lidl hatte damit geworben, unter anderem Textilien nur von ausgewählten Lieferanten und Produzenten zu beziehen, die gewisse Sozialstandards einhalten. Diesem Werbeversprechen gingen zwei Menschenrechtsorganisationen - die Kampagne für Saubere Kleidung (CCC) und das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) - mit einer Untersuchung nach, bei der die Arbeitsbedingungen in vier für Lidl tätigen Textilfabriken im südasiatischen Bangladesch näher beleuchtet wurden.

Näherinnen berichteten darin von "unmenschlichen Arbeitsbedingungen". Die VZHH wurde bei ihrer Klage gegen Lidl von den beiden Initiativen unterstützt. Der Fall Lidl beweise, wie riskant es für Unternehmen sei, "sich ein Sozialmäntelchen umzuhängen", erklärte Gisela Burckhardt von der Kampagne für Saubere Kleidung. Dennoch sei es wichtig, dass auch die Bundesregierung aktiv werde, um solch irreführende Werbeversprechen mit vermeintlich fair gehandelten Produkten zu unterbinden. Die Bundesregierung müsse Unternehmen verpflichten, "Sozialstandards in der Lieferkette einzuhalten", erklärte Burckhardt.

Telekom verabschiedet sich von der Wall Street

Für die Deutsche Telekom ist das Abenteuer Wall Street nach 14 Jahren beendet. Die Kosten von zehn bis zwanzig Millionen Euro im Jahr und bürokratische Auflagen der US-Behörden vergällten dem Bonner Unternehmen die prestigeträchtige Notierung an der Weltleitbörse. Die unter dem Kürzel DT gelistete Aktie verschwinde voraussichtlich am 21. Juni vom Kurszettel der New Yorker Börse, teilte die Telekom mit. Nun müsse die Telekom nicht mehr mit jedem Jahresabschluss eine 300 Seiten starke Extra-Dokumentation nur für die US-Börsenaufsicht SEC erstellen, sagte ein Sprecher. Anleger könnten auch weiter Anteile an der Telekom in den USA handeln, jedoch außerbörslich.

Wie viele andere deutsche Konzerne war die Telekom mit großen Hoffnungen an die Wall Street gegangen. Mit einer Notierung an der wichtigsten Börse der Welt wollten die Vorstandschef das Vertrauen internationaler Kapitalanleger gewinnen und Weltläufigkeit demonstrieren.

Und wohl jeder Unternehmenschef wollte einmal in seinem Managerleben mit der berühmten Börsenglocke den Handel einläuten. So machte auch der frühere Telekom-Chef Ron Sommer im November 1996 nicht nur den Deutschen die T-Aktie schmackhaft, sondern wagte gleichzeitig den Sprung über den Atlantik. Die Aktien wurden später sein Verhängnis. Als die weltweite Börsenblase vor rund zehn Jahren platzte und auch die Telekom-Papiere massiv an Wert verloren, musste er bald gehen.

Mit ihrem Abschied vom wichtigsten Börsenplatz der Welt tritt die Telekom in die Fußstapfen einiger namhafter Dax-Größen. Im Herbst hatten bereits die Allianz und zuvor der Halbleiter-Hersteller Infineon, Bayer, BASF und Eon den Rückzug angetreten.

Künftig werden nur noch fünf Dax-Unternehmen an der New Yorker Börse gelistet sein: Daimler, SAP, Siemens, die Deutsche Bank und Fresenius Medical Care.

VW überrascht mit Gewinnsprung

Volkswagen hat den Betriebsgewinn im ersten Quartal kräftig gesteigert und die Markterwartungen klar übertroffen. Der operative Gewinn verdreifachte sich zwischen Januar und März im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast auf 848 (Vorjahr: 312) Millionen Euro.

Vor einem Jahr hatte der Konzern einen Verlust nur durch den Verkauf seines Geschäfts mit schweren Nutzfahrzeugen in Brasilien an MAN verhindert.

Im Auftaktquartal schlug Europas größter Autohersteller weltweit ein Viertel mehr von seinen Fahrzeugen los. Der Umsatz erhöhte sich um fast 20 Prozent auf 28,6 Milliarden Euro.

Den Ausblick ließ VW im Gegensatz zu Daimler unverändert. Demnach sollen Auslieferungen, Umsatz und operativer Gewinn über dem Vorjahresniveau liegen. Der Stuttgarter Rivale Daimler hatte nach einer Durststrecke im vergangenen Jahr zu Jahresbeginn einen operativen Milliardengewinn erzielt und seine Prognose daraufhin kräftig angehoben. Das wurde als Anzeichen für eine Erholung der Automobilindustrie gewertet und verlieh dem deutschen Aktienmarkt Rückenwind.

Die im deutschen Leitindex Dax gelistete Vorzugsaktie von Volkswagen legte nach der Bekanntgabe der Zahlen leicht zu.

Toyota ruft Geländewagen in Deutschland zurück

Eine Woche nach dem Bekanntwerden von Sicherheitsmängeln an Geländewagen ruft Toyota die Modelle in die Werkstätten zurück - und das auch in Deutschland. Bei einem Ausweichmanöver oder in Kurven bei hoher Geschwindigkeit könnten der Lexus GX 460 sowie der Land Cruiser Prado seitlich wegschlittern, teilte der japanische Autohersteller mit. Ursache sei das elektronische Stabilitätsprogramm (VSC), das nun verändert wird. Betroffen seien weltweit 34.000 Autos, darunter 400 bis 430 Fahrzeuge des Modells Land Cruiser in Deutschland.

Wie die Kölnische Rundschau berichtet, sollen die Kunden in der ersten Maihälfte voraussichtlich angeschrieben werden. Bei einem Werkstattaufenthalt werde das elektronische Stabilitätsprogramm aktualisiert und damit verhindert, dass die Fahrzeuge in Extremsituationen ausbrechen.

Vom Lexus GX 460 werden weltweit rund 13.000 Fahrzeuge in die Werkstätten gerufen, die meisten davon in den USA (rund 9400). Vom Land Cruiser sind 21.000 Fahrzeuge betroffen, aber ausschließlich solche, bei denen das Steuer links angebracht ist.

Ein einflussreiches US-Magazin hatte die Frage nach der Sicherheit des Lexus-Geländewagens aufgeworfen. Toyota bestätigte die unsichere Straßenlage in Extremsituationen nach eigenen Tests.

Die Geländewagen haben einen hohen Schwerpunkt, der sie anfälliger fürs Umkippen macht. Im Normalfall hält das serienmäßige elektronische Stabilitätsprogramm die Autos aber im Zaum. Unfälle wegen des Defekts sind nicht bekannt. Verglichen mit den anderen Pannen des weltgrößten Autoherstellers nimmt sich diese klein aus. Zuletzt hatte Toyota 870.000 Minivans in Nordamerika zurückgerufen, weil das Reserverad nach Rostschäden auf die Straße zu stürzen drohte.

Weitere 8,5 Millionen Autos weltweit mussten wegen klemmender Gaspedale, rutschender Fußmatten und kurzzeitig aussetzender Bremsen in die Werkstätten. Das US-Verkehrsministerium hat Toyota auf dem Kieker. Minister Ray LaHood wirft dem Autohersteller vor, die Defekte über Monate verheimlicht zu haben und auch jetzt noch nicht die ganze Wahrheit zu sagen. Toyota akzeptierte am Montag eine Strafe von knapp 16,4 Millionen - ohne allerdings eine Schuld einzugestehen. Der Konzern will nach eigenem Bekunden einem langwierigen Verfahren aus dem Weg gehen.

GM hat Staatshilfen komplett zurückgezahlt

General Motors (GM) hat seine Schulden beim amerikanischen Steuerzahler komplett beglichen. "Wir zahlen zurück - voll, mit Zinsen, Jahre vor dem Termin", schrieb Konzernchef Edward Whitacre in einem Gastbeitrag für das Wall Street Journal. Damit flossen 5,8 Milliarden Dollar in die Kassen der USA und Kanadas. GM hatte bereits in den Monaten zuvor einen guten Teil seines insgesamt 8,4 Milliarden Dollar hohen Schuldenbergs abgetragen.

Whitacre wollte dies als Zeichen der Stärke verstanden wissen, schließlich sei der Autohersteller vor nicht einmal einem Jahr der Insolvenz entronnen. Der ehemalige Telekommunikationsmanager kann einige Erfolge vorweisen. Zuletzt stiegen die Verkaufszahlen und die Verluste schrumpften. Im Gesamtjahr will Whitacre sogar wieder Gewinn erwirtschaften.

Die Rückzahlung bereite auch den Weg für eine mögliche Reduzierung des Staatsanteils an GM, sagte er. Die USA und Kanada hatten den Autohersteller mit insgesamt rund 60 Milliarden Dollar vor dem Untergang gerettet - und dafür die Mehrheit übernommen. GM war von der Börse verschwunden. Über kurz oder lang soll der Konzern aber wieder in New York gelistet werden - das dürfte einer der größten Börsengänge der Geschichte werden.

Eigentlich hatte GM bis 2015 Zeit, das geliehene Geld zurückzugeben. Whitacre drückt jedoch seit geraumer Zeit auf die Tube. Er wechselte große Teile des Managements aus, trieb die Entwicklung neuer Modelle voran und machte radikal Verlustbringer wie die US-Marken Pontiac, Saturn oder Hummer dicht. "Wir haben noch viel Arbeit vor uns", räumte er aber ein.

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