Wirtschaft kompakt:"Behörden sind die schlechtesten Zahler"

Die EU will die Zahlungsmoral verbessern, in Frankreich werden erneut Manager gefangengenommen und Microsoft muss eine Millionenstrafe bezahlen.

EU rückt säumigen Zahlern zu Leibe

Wirtschaft kompakt: "Eine erschreckende Zahl von Insolvenzen europäischer Unternehmen sind darauf zurückzuführen, dass Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlt werden"

"Eine erschreckende Zahl von Insolvenzen europäischer Unternehmen sind darauf zurückzuführen, dass Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlt werden"

(Foto: Foto: dpa)

Die EU-Kommission will säumige Zahler in Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen zur Räson bringen.

Jedes Jahr würden in Europa Rechnungen im Umfang von 1,9 Billionen Euro zu spät bezahlt, erklärte EU-Industriekommissar Günter Verheugen am Mittwoch in Brüssel.

"Eine erschreckende Zahl von Insolvenzen europäischer Unternehmen sind darauf zurückzuführen, dass Rechnungen nicht rechtzeitig bezahlt werden." Mit Verzugszinsen und Entschädigungen will Verheugen dem ein Ende setzen. Privatpersonen sind davon allerdings ausgenommen.

Bei Überschreiten der Zahlungsfrist für eine Rechnung sollen künftig stets Verzugszinsen fällig werden. Heute gängige Vertragsklauseln, die solche Zinsen ausschließen, werden in dem von Verheugen vorgelegten Richtlinienentwurf für sittenwidrig und damit ungültig erklärt.

Überdies sollen die Gläubiger Anspruch auf eine Entschädigung für die Kosten erhalten, die durch die Eintreibung der ausstehenden Rechnung entstehen. Für eine Schuld von bis zu 1000 Euro darf ein pauschaler Betrag von 40 Euro Beitreibungskosten angerechnet werden, für ausstehende Rechnungen bis 10.000 Euro ein Betrag von 70 Euro und für alle darüber hinausgehenden Schulden ein Aufschlag von einem Prozent des Rechnungsbetrags.

Besonders schlecht sei die Zahlungsmoral öffentlicher Einrichtungen, erklärte Verheugen: "Behörden sind die schlechtesten Zahler, sie brauchen im Schnitt 65 Tage, um eine Rechnung zu bezahlen."

Für öffentliche Auftraggeber will die Kommission deshalb neben Verzugszinsen und Erstattung der Beitreibungskosten einen weiteren Aufschlag für verspätete Zahlungen einführen: Sie sollen ihren Gläubigern bei Fristüberschreitung eine pauschale Entschädigung von fünf Prozent des geschuldeten Betrags zahlen.

Wenn vertraglich nichts anderes vereinbart ist, gilt für öffentliche Einrichtungen wie Unternehmen eine gesetzliche Zahlungsfrist von 30 Tagen nach Eingang der Rechnung.

US-Regierung stützt Autozulieferer

Das US-Finanzministerium hat am Mittwoch ein neues Programm zur gezielten Stützung von Zulieferern der bedrängten Autobauer General Motors und Chrysler aufgelegt.

Beide Konzerne stehen am Rande des Zusammenbruchs und befinden sich in einem Wettlauf mit der Zeit: Sie müssen binnen weniger Wochen Wege zur Entschuldung und zu massiven Kosteneinsparungen finden, um Regierungshilfen nicht zu verlieren.

Dem Ministerium zufolge wird die Opel-Mutter GM einen Dispokredit in Höhe von zwei Milliarden Dollar erhalten, um damit Schulden bei ihren Zulieferern zu begleichen, die ebenfalls um ihr Überleben kämpfen. Chrysler erhält eine Kreditlinie von 1,5 Milliarden Dollar.

Dem Unternehmen Ford wurde ebenfalls ein Kredit angeboten, soll ihn aber abgelehnt haben. GM und Chrysler haben bereits zuvor zusammen 17,5 Milliarden Dollar an Regierungskrediten erhalten.

Das Programm folge der Erkenntnis, "wie wichtig die einheimische Zulieferer-Kette dafür ist, Amerikas Autoindustrie am Laufen zu halten", sagte GM-Sprecher Dan Flores. "Dieses Programm wird den Zulieferern in diesen sehr schwierigen ...Zeiten sehr stark benötigte Liquidität eröffnen."

Millionenstrafe für Microsoft

Wegen unerlaubter Preisabsprachen mit einem Einzelhändler hat das Bundeskartellamt gegen Microsoft Deutschland ein Bußgeld in Höhe von neun Millionen Euro verhängt.

Das Unternehmen habe in wettbewerbwidriger Weise auf den Verkaufspreis des Softwarepakets "Office Home & Student 2007" Einfluss genommen, teilte die Behörde am Mittwoch mit. Microsoft hat die Strafzahlung den Angaben zufolge bereits akzeptiert. Laut Kartellamt haben sich Mitarbeiter des Software-Herstellers vor dem Start einer Werbekampagne im Herbst vergangenen Jahres mit dem Einzelhändler über den Verkaufspreis für das Produkt verständigt.

Arbeiter nehmen Manager in Frankreich gefangen

Aus Protest gegen die Schließung ihres Werkes haben Arbeiter des britischen Klebebandherstellers Scapa in Frankreich vier Manager gefangen genommen.

Die Beschäftigten hielten drei Briten und einen Franzosen seit Dienstagabend in einer Fabrik in Bellegarde-sur-Valserine unweit der Schweizer Grenze fest, teilte das Unternehmen am Mittwoch mit. Vor dem Hintergrund einer Welle von Entlassungen wegen der Wirtschaftskrise gibt es in Frankreich inzwischen eine ganze Reihe von Vorfällen, in denen Arbeiter ihre Manager gefangen genommen haben.

Bei den nun gefangenen Briten handele es sich um den Europa-Chef von Scapa sowie die Personalchefin und den Finanzvorstand von Scapa France, teilte das Unternehmen mit. Der französische Manager ist demnach der Leiter der Frankreich-Tochter.

Laut Gewerkschaftsvertretern können sich die Manager im Gebäude frei bewegen, dieses aber nicht verlassen. Scapa hatte im Februar die Schließung der auf Klebebänder für die Autoindustrie spezialisierten Fabrik mit rund 60 Mitarbeitern bekanntgegeben.

Schon Mitte März hatten wütende Arbeiter wegen der Schließung eines Magnetband-Werkes den Frankreich-Chef des Elektronikkonzerns Sony sowie seinen Personalchef eine Nacht lang gefangen gehalten.

Kurz darauf musste der Leiter eines Medizinprodukte-Werkes des US-Konzerns 3M eine Nacht in seiner Fabrik ausharren. Ende März folgten dann mehrere Manager des US-Baumaschinenherstellers Caterpillar in Grenoble. Schon Ende Januar hatten Beschäftigte einer Fabrik des Autobatterie-Herstellers Exide Technologies ihren Chef gewaltsam gezwungen, mit ihnen an einer Demonstration teilzunehmen.

Wegen der Serie solcher Vorfälle hatte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy die Beschäftigten im Land vor weiteren Geiselnahmen gewarnt. Dies sei in einem Rechtsstaat nicht möglich, sagte er am Dienstag. In einer am selben Tag erschienen Umfrage für die Zeitung Le Parisien hatten 45 Prozent Prozent der Franzosen Verständnis für solche Aktionen gezeigt.

Pernod Ricard verkauft Whiskeymarke "Wild Turkey" an Campari

Der italienische Spirituosenhersteller Campari kauft der französischen Gruppe Pernod-Ricard für 575Millionen Dollar (433 Millionen Euro) die Whiskeymarke "Wild Turkey" ab.

Es sei die größte Übernahme in der Geschichte des Unternehmens, teilte Campari am Mittwoch mit. Der italienische Hersteller baue damit seine Stellung unter den Anbietern hochwertiger Spirituosen in den Vereinigten Staaten und anderen internationalen Märkten aus. "Wild Turkey" wird in über sechzig Länder, vor allem in die USA sowie nach Australien und Japan verkauft.

Mit dem Verkauf will Pernod Ricard seine Schulden verringern, die durch den Aufkauf der schwedischen Wodkamarke Absolut entstanden sind.

IG Metall fürchtet weiteren Jobabbau bei Conti

Die IG Metall befürchtet einen weiteren Stellenabbau beim Autozulieferer Continental. "Conti ist nicht bereit, Standorte und Beschäftigung zu garantieren, von 10.000 hessischen Arbeitsplätzen im Metallbereich steht also keiner unter Bestandsschutz", sagte Gewerkschaftssekretär Jörg Köhlinger der Frankfurter Rundschau (Mittwoch). "Wir haben erlebt, dass der Vorstand quasi hinter dem Rücken des Aufsichtsrates und der Belegschaften Werkschließungen in Hannover und im französischen Clairoix beschlossen hat, denen weitere 1900 Arbeitsplätze zum Opfer fallen. Da wachsen Misstrauen und Wut", sagte Köhlinger.

Continental hat nach Unternehmensangaben in Hessen etwa 16.000 Mitarbeiter an neun Standorten.

Neue Bespitzelungsvorwürfe gegen Atomstromkonzern EDF

Der französische Atomstromkonzern EDF sieht sich mit neuen Bespitzelungsvorwürfen konfrontiert. Neben Greenpeace- Mitarbeitern soll das Unternehmen auch den Sprecher der Atomkraftgegner-Vereinigung Sortir du nucléaire ausspioniert haben.

Dazu sei 2006 das Schweizer Unternehmen Securewyse beauftragt worden sein, berichtet das französische Enthüllungsblatt Le Canard Enchaîné(Mittwoch).

Hintergrund des Auftrags soll ein Informationsleck in den Reihen von EDF gewesen sein. Dem Sprecher von Sortir du nucléaire, Stéphane Lhomme, war es gelungen, an ein streng vertrauliches EDF-Dokument zu kommen. In diesem wird nach Ansicht der Atomkraftgegner bestätigt, dass der neue Europäische Druckwasserreaktor (EPR) einer Terroristenattacke mit einem Flugzeug eventuell nicht standhalten würde.

Ein Sprecher von Securewyse sagte Le Canard Enchaîné, es habe keine einzige illegale Aktion gegeben. Bereits vor einigen Wochen war EDF mit dem Vorwurf konfrontiert worden, den ehemaligen Greenpeace-Kampagnenchef Yannick Jadot ausspioniert zu haben.

Goldman-Chef fordert Reform der Managergehälter

Der Chef der US-Investmentbank Goldman Sachs, Lloyd Blankfein, hat sich für eine Reform der Managerbezahlung ausgesprochen. Der Bank-Chef ging auf einer Investorenkonferenz mit der eigenen Branche scharf ins Gericht und appellierte an ihre Verantwortung für das gesamte Finanzsystem.

Die Finanzkrise sei "tief demütigend" für die Banken, sagte er am Dienstag in Washington. Im Rückblick wirkten einige Entscheidungen etwa zu Managervergütungen "selbstsüchtig" und "gierig".

Blankfein selbst hatte noch für das Jahr 2007 - als sich die Finanzkrise schon abzeichnete - mit einem Bonus im damaligen Volumen von 67,9 Millionen Dollar einen Wall-Street-Rekord aufgestellt.

Für 2008 bekam er dagegen keine Prämie, auch weil Goldman Sachs wie viele andere Banken staatliche Milliardenhilfen erhielt. Es werde nach der Krise Jahre dauern, das öffentliche Vertrauen in die Finanzbranche wieder aufzubauen, sagte Blankfein.

"Wir haben uns als Experten hochgehalten", doch dieser Anspruch sei nicht erfüllt worden. Eine verschärfte Regulierung der Finanzbranche müsse auch für große Hedge-Fonds und private Beteiligungsgesellschaften gelten, forderte der Goldman-Chef. Die Branche habe sich zudem zu sehr auf Ratingagenturen verlassen.

(sueddeutsche.de/hgn)

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