Wirtschaft: Jahresrückblick:Krise, Schweiß, Tränen

Eine bitterlich weinende Unternehmerin, kollabierende Traditionsfirmen und ein nicht enden wollendes Auto-Drama: Die Wirtschaft im Krisenjahr 2009 in Bildern.

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Abwrackprämie, Foto: dpa

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Bitterlich weinende Unternehmerinnen, kollabierende Traditionsfirmen und ein nicht enden wollendes Auto-Drama. Eine Rückschau auf die Wirtschaftsereignisse 2009.

1. Januar: Die Abwrackprämie führt zum Ansturm auf die Autohäuser

Eigentlich heißt sie Umweltprämie, weil sie nicht nur der Autoindustrie, sondern irgendwie auch der Natur dienlich sein soll. Die Abwrackprämie, von der großen Koalition als Konjunkturstimulator erdacht, treibt die Deutschen zu Massen in die Autohäuser. Nur: Deutsche Premiumhersteller wie Daimler und BMW profitieren so gar nicht von dem 2500-Euro-Versprechen der Bundeskanzlerin. Umso größer ist der Andrang bei Dacia, Hyundai und Toyota. Kritiker der staatlichen Prämie meckern, das Geld treibe die CO2-intensive Produktion von Autos unnötig in die Höhe und führe somit ihren Namen ad absurdum. In einem Punkt hat die Umwelt von der Abwrackprämie dann aber doch profitiert. Der verbrauchsarme Kleinwagen erlebt eine Renaissance.

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Schaeffler, Foto: AP

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18. Februar: "Kugellager-Lady" in Bedrängnis

Tränen lügen nicht. Und in der Tat scheint das, was da aus den stark geschminkten Augen der Unternehmerin Maria-Elisabeth Schaeffler perlt, die pure Rührung zu sein. 8000 Mitarbeiter gehen an diesem kühlen Donnerstagvormittag in Herzogenaurach auf die Straße und stärken der angeschlagenen "Kugellager-Lady" den Rücken. Zuvor war bekanntgeworden, dass sich das fränkische Familienunternehmen bei der Übernahme des Autozulieferers Continental so deutlich verhoben hat, dass der Konzern sogar um Staatshilfe betteln musste. Am Ende geht es auch ohne Geld vom Staat - denn Schaeffler einigt sich mit den Gläubigerbanken auf ein Stillhalteabkommen - und installiert mit Elmar Degenhart einen Vertrauten an der Konzernspitze von Conti.

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Kohlearbeiter, Foto: Reuters

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22. Februar: Grubenunglück in China

Zwei Drittel seines immensen Energiebedarfs deckt China durch Kohle - ein Fakt, der viel über den Hunger des Landes auf Kohle verrät. Die Schattenseiten des Booms erleben Männer wie dieser Bergarbeiter, der sich nach seiner Schicht den Kohleruß vom Körper wäscht. Schlimmer noch: Jedes Jahr sterben Tausende von ihnen bei Grubenunglücken. Der Grund sind die schlechte Ausrüstung, miese Sicherheitsvorkehrungen und Korruption in den örtlichen Aufsichtsbehörden. Auch Ende Februar kommen bei einem Unglück in der Provinz Shanxi 73 Kumpel ums Leben - und das ist nur eines von zahlreichen Unglücken.

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Mehdorn, Foto: AP

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30. März: Bahn-Chef Mehdorn wirft hin

Wenn es einen Preis für den unbeliebtesten Manager Deutschlands gäbe, Hartmut Mehdorn hätte ihn in seiner fast zehn Jahre andauernden Tätigkeit als Chef der Deutschen Bahn bestimmt mehrfach bekommen. Aus dem verschnarchten Staatskonzern formte er einen Börsenkandidaten - der am Ende nur deshalb nicht an die Börse ging, weil der Bund als Haupteigner wegen der Finanzkrise kalte Füße bekam. Unumstritten ist Mehdorn fast nie. Debatten um undurchsichtige Tarifstrukturen, Verspätungen und das Desaster bei der Berliner S-Bahn geben seinen Kritikern Rückenwind. Am Ende fällt der streitbare Manager ("Sie können ein Unternehmen nicht mit Wattebäuschen an den Händen sanieren.") über den Datenskandal in seinem Unternehmen.

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Arcandor, Foto: AP

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März bis 9. Juni: Arcandor-Drama gipfelt in der Insolvenz

Er ließ sich selbst als Retter feiern, er war der Sonnenkönig des Arcandor-Reichs. Am Ende ist die Erleichterung jedoch groß, als der Tausendsassa-Manager Thomas Middelhoff die Steuerkabine des Handels- und Touristikkonzerns zum 1. März seinem Nachfolger Karl-Gerhard Eick überlässt. Doch Eick hat nicht viel Freude an seinem neuen Job. Wenige Monate nach seinem Antritt, im Juni, steht der ehemalige Telekom-Vorstand mit Megaphon auf einer Baumarkt-Leiter und muss seiner Belegschaft erklären, warum Arcandor soeben Insolvenz angemeldet hat. Die Altlasten seiner Vorgänger sind einfach zu schwer. Nur wenige Monate später ist von Middelhoffs Sonnenkönig-Reich nichts mehr übrig. Karstadt wird gesundgeschrumpft und verkauft, die als "Perle" deklarierte Touristiksparte Thomas Cook geht an die Gläubiger und der Versandbereich Primondo wird filetiert. Eick selbst hat der unrühmliche Ausflug nicht geschadet. Sein sechsmonatiger Ausflug nach Essen wird mit 15 Millionen Euro versilbert.

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Japan, Foto: Reuters

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11. Juni: In Japan geht es aufwärts

Japan geht es gar nicht gut im Krisenjahr 2009. Das wundert nicht wirklich, schließlich ist das Land auf hohe Exportzahlen angewiesen - krisenbedingt jedoch werden Autos von Toyota, DVD-Player von Panasonic und Digitalkameras von Canon bedeutend seltener erworben. Zu selten. So ist es kein Wunder, dass die Wirtschaft des Landes massiv einbricht, denn auch der Inlandskonsum stagniert. Und dann gibt es auch noch politische Verwerfungen, die in Neuwahlen gipfeln und einen Finanzminister, der beim G-7-Treffen in Rom merklich angetrunken in die Kameras lallt. Eine gute Nachricht gibt es für Japan dann allerdings in der Mitte des Jahres. Denn die Erholung der Weltwirtschaft geht auch an dem Inselstaat nicht spurlos vorüber. So überspringt der Leitindex Nikkei am 11. Juni im Handelsverlauf erstmals seit dem Börsencrash nach dem Kollaps von Lehman Brothers die psychologisch wichtige Marke von 10.000 Punkten.

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Wiedeking, Macht, Porsche, Foto: Reuters

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23. Juli: Wiedeking verabschiedet sich von seinem Lebenswerk

Man stelle sich das einmal vor: Eine kleine Sportwagenschmiede aus dem Schwäbischen schickt sich an, Europas größten Autokonzern zu übernehmen. Ein schlaues Geschäft - oder einfach nur Größenwahn? Porsche-Chef Wendelin Wiedeking wollte mit der Übernahme von Volkswagen sein Meisterstück abliefern, doch am Ende macht dem selbstbewussten Manager die Finanzkrise einen Strich durch die Rechnung. Denn die waghalsigen Finanzgeschäfte, die den Gewinn von Porsche zeitweise höher als den Umsatz werden ließen, verkehren sich nun ins Gegenteil - und werden zu einer schweren Bürde. Am Ende platzt Wiedekings Traum wie eine Seifenblase. Volkswagen-Patriarch Ferdinand Piëch dreht den Spieß einfach um - und macht Porsche zu einer Marke seines Auto-Reiches. In Stuttgart-Zuffenhausen bleibt Wiedeking (links) dennoch unvergessen. Auf einer emotionalen Betriebsversammlung verabschiedet er sich von seiner Belegschaft - und ist seither bis auf Weiteres Privatier.

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Escada, Foto: dpa

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11. August: Escada meldet Insolvenz an

Luxus geht immer? So ganz stimmt das nicht. Der brisante Cocktail aus Managementfehlern der Vergangenheit und einer kauflahmen Schickeria bringt auch den Modekonzern Escada bedrohlich in Schieflage. Die legendäre Marke mit den großen Knöpfen wird zwar gerne von großen Stars und kleinen Sternchen (etwa von Katie Holmes, Maria Furtwängler und der verstorbenen Prinzessin Diana) aufgetragen. Doch all der Glamour nützt nichts, wenn in den Boutiquen kein Umsatz gemacht wird. Im August meldet Escada Insolvenz an, doch ein neuer Investor ist rasch gefunden. Die Schwiegertochter des indischen Stahlindustriellen Lakshmi Mittal ist die neue Königin von Aschheim. Der Traum lebt also weiter - zumindest vorerst.

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China, Foto: Reuters

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Oktober: Handelsstreit zwischen China und den USA spitzt sich zu

Zwei große Nationen liefern sich einen bizarren Handelsstreit - und dabei geht es um so lapidare Dinge wie Autoreifen, Hähnchenteile und Stahlrohre. Die USA und China werfen sich im internationalen Handel Knüppel zwischen die Beine, um ihren heimischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Von all diesen Problemen merkt Gong Chui Zhen, eine Händlerin aus Shanghai, recht wenig, als sie Hosen vor ihrem Laden aufhängt. Wohl aber von dem enormen Wachstum. Im dritten Quartal hat die chinesische Wirtschaft um fast neun Prozent zugelegt.

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HSH Nordbank, Foto: dpa

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21. September: HSH Nordbank verschenkt Millionen

Gäbe es einen Preis für die dümmste Bank Deutschlands, im Jahr 2009 würde er der HSH Nordbank verliehen. Das Hamburger Finanzhaus zählt zwar nicht zu den größten Landesbanken der Republik, dafür will man wenigstens beim weltweiten Zocker-Monopoly mit verbrieften Krediten ganz vorne dabei sein. Nur leider hält offenbar das Risikomanagement mit den rasanten Geschäften nicht Schritt. Die riskanten Transaktionen unter dem Codenamen "Omega" beschäftigen sogar die Staatsanwaltschaft - und dann kommt auch noch heraus, dass die HSH-Banker der US-Bank Goldman Sachs 45 Millionen Euro wegen eines Geschäfts mit Kreditausfallversicherungen überwiesen haben, obwohl sie dazu eigentlich gar nicht verpflichtet waren. Und über dem ganzen Chaos thront Bankchef Dirk Jens Nonnenmacher, intern in Anspielung auf den James-Bond-Bösewicht "Dr. No" genannt, an dem die Bank wie Pattex klebt - einer muss schließlich den Sanierungsprozess leiten. Im Juli muss die HSH Nordbank sogar als Argument für den Bruch der schleswig-holsteinischen Landesregierung herhalten.

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19. Oktober: Quelle geht die Luft aus

Die Luft ist raus - und zwar vollständig. Ein Traditionshändler erlebt einen einzigartigen Niedergang. Was von Gustav Schickedanz vor 80 Jahren aufgebaut wurde, findet unter den Augen seiner Tochter Madeleine sein Ende. Kein Investor möchte Quelle aus den Resten des Arcandor-Konglomerats übernehmen, kein Käufer möchte sich das Risiko aufladen, einen chronisch defizitären Versandhändler zu übernehmen, der das Internet-Zeitalter verschlafen hat und von einstigen Konkurrenten nur noch aus der Ferne im Rückspiegel betrachtet wird. Paradoxerweise findet der Ausverkauf von Quelle über das Medium statt, das lange aus den Augen gelassen wurde: das Internet. Der Rest wird über die Wühltische der Technik-Center verramscht. Und auch der Traditionsname wird zu Geld gemacht - er landet beim Hamburger Otto-Konzern.

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Opel, Foto: Reuters

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3. November: Rückzieher bei GM - Opel bleibt amerikanisch

Ein Thema zieht sich durch das Jahr wie ein roter Faden - die Frage nämlich: Was wird aus Opel? Angefangen hat es mit dem Versprechen des angeschlagenen Mutterkonzerns GM, den defizitären Autohersteller zu verkaufen. Seine Fortsetzung findet das Drama in einem absurden Bieterwettstreit, einer bizarren Debatte um Staatshilfen sowie einer nächtlichen Entscheidung im Kanzleramt für den Interessenten Magna. Doch im November kommt alles wieder ganz anders. General Motors, mit viel frischem US-Staatsgeld aus der Insolvenz entlassen, hat plötzlich gar keine Lust mehr, die Europatochter zu verkaufen. Schließlich ist man auf die Technologiekompetenz von Opel angewiesen - die Rüsselsheimer können schließlich mehr, als kastenförmige Spritschleudern produzieren. Jetzt bleibt alles beim Alten. GM hat mit Nick Reilly bereits einen erfahrenen Sanierer nach Deutschland geschickt. Der soll die Regierungen bezirzen, doch noch ein wenig Staatsgeld rauszurücken - und dann Opel auf Profit trimmen.

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Daimler, Foto: AP

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2. Dezember: C-Klasse - jetzt auch made in USA

Made in Germany - dieses Prädikat umgab den Daimler-Stern immer wie ein Versprechen. Daimler baut seine Autos in Deutschland, so hieß eine eiserne Regel, die freilich überhaupt nicht stimmte, weil Daimler in der ganzen Welt Produktionsstätten besitzt. Für die Mercedes-Werker im schwäbischen Sindelfingen ist es dennoch ein Schlag ins Gesicht, als der Konzernvorstand ankündigte, aus Kostengründen einen Teil der Produktion der Mercedes-C-Klasse in die USA zu verlegen und die Autos für Europa ausschließlich in Bremen herstellen zu lassen. Da hilft es auch nichts, dass die Sindelfinger dafür den Premium-Roadster SL bauen dürfen. Immerhin: Die Belegschaft in Sindelfingen bekommt eine Beschäftigungsgarantie bis zum Jahr 2020. Dennoch bleibt ein ungutes Gefühl in den Köpfen der Mitarbeiter: Made in Germany ist auch Daimler zu teuer - künftig vielleicht zu teuer?

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(sueddeutsche.de/tob/mel/cmat)

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