Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft:Ein Budgettöpfchen für die Euro-Länder

Die Währungsunion bekommt einen eigenen Haushalt. Der ist zunächst sehr klein - aber ein Anfang sei gemacht.

Von Björn Finke, Luxemburg

Damit hat Olaf Scholz nicht gerechnet. "Es war noch nicht mal eine Nachtsitzung, wir waren um zwölf Uhr fertig", sagte der Bundesfinanzminister am Donnerstag. "Ich wusste gar nicht, was ich mit dem Rest des Abends anfangen sollte." Die EU-Finanzminister einigten sich am Mittwochabend gegen Mitternacht auf die Grundzüge des neuen Budgets für die Euro-Zone. Andere Debatten übers liebe Geld hatten sich früher schon mal bis in den Morgen hingezogen. Allerdings klärten die Politiker bei ihrem Treffen in Luxemburg nicht alle Punkte, und der Haushalts-Topf wird zu Beginn, im Jahr 2021, wohl sehr klein ausfallen. Er soll Projekte fördern, mit denen Euro-Länder ihre Wirtschaft voranbringen wollen.

Die Mittel für das Budget stammen aus dem allgemeinen EU-Haushalt. Die Mitgliedstaaten diskutieren gerade über den EU-Finanzrahmen für die sieben Jahre von 2021 bis 2027, und der Topf mit dem sperrigen Titel Haushaltsinstrument für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit ist ein Teil davon. Geschätzt wird er aber ein Volumen von 17 Milliarden Euro umfassen - über sieben Jahre verteilt und für 19 Länder mit Euro-Währung ist das sehr wenig. Ein paar weitere Milliarden sind für jene Staaten vorgesehen, die den Euro bald einführen wollen. Ursprünglich schlug Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor, einen großen Haushalt und einen eigenen Finanzminister für die Euro-Zone zu etablieren, um besser auf Krisen reagieren zu können. Dafür gab es keine Mehrheit; als Trostpreis wurde im Sommer beschlossen, Pläne für einen Mini-Topf zu entwickeln.

Staaten wie Deutschland oder Frankreich wollen das Budget aus eigenen Mitteln aufstocken, außerhalb des EU-Haushalts, damit es mehr Wirkung entfalten kann. Die Finanzminister einigten sich, dass das Regelwerk eine Klausel enthält, die dies zulässt. Minister Scholz bezeichnete das als "großen Durchbruch". Die Euro-Länder würden dann einen Extra-Vertrag über diese Zusatzbeiträge abschließen.

Strittig war jedoch, ob einzelne Staaten das Recht haben sollten, ein Mitmachen bei Vertrag und Extra-Einzahlungen zu verweigern. Vor allem die Niederlande pochten auf Freiwilligkeit - die Regierung lehnt ein üppiges Euro-Zonen-Budget ab. Über die Details von Vertrag und möglichen Aufstockungen werden die Staaten weiter verhandeln. Die vereinbarte Klausel erlaubt jedenfalls, dass auch nur ein Teil der Euro-Länder mehr Geld investiert. Allerdings gilt es in der Praxis als unwahrscheinlich, dass Regierungen Zusatzbeiträge beschließen würden, wenn nicht alle mitziehen.

Deswegen wird das Euro-Zonen-Budget vermutlich winzig bleiben - es sei denn, die Gegner eines größeren Topfes würden ihren Widerstand stoppen. Minister Scholz gibt sich zuversichtlich, dass dies geschehen wird. Es existiere eine "sachliche Notwendigkeit", dass ein Währungsraum wie die Euro-Zone zugleich einen nennenswerten gemeinsamen Haushalt habe, sagte der SPD-Politiker. Skeptiker würden ihre Meinung ändern. Und wenn "die politische Einsicht" da sei, könne die Aufstockung schnell gehen, weil der Rahmen dafür jetzt vorliege.

Die Minister vereinbarten zudem, wer wie viel profitiert. Für mindestens 80 Prozent des Geldes gilt ein fester Schlüssel, der Rest kann flexibel an Staaten mit besonders großem Bedarf ausgeschüttet werden. Der Schlüssel berücksichtigt Bevölkerungszahl und Wohlstand - große und arme Länder erhalten mehr. Doch selbst reiche Staaten sollen mindestens 70 Prozent ihrer Einzahlungen zurückbekommen.

Die EU-Kommission gibt jedes Jahr Empfehlungen ab, wie die Euro-Zone insgesamt und die Staaten ihre Wirtschaft fördern sollten. Um Geld aus dem Haushalt zu kassieren, müssen Regierungen Investitionsprojekte oder Reformen vorschlagen, die zu den Ratschlägen passen. Ein Beispiel könnte das Verlegen von Glasfaserkabeln sein. Das Euro-Zonen-Budget übernimmt dann drei Viertel der Kosten, den Rest trägt die Regierung. In Krisenzeiten kann der Eigenanteil der Länder halbiert werden. Dank des Topfs sollen Regierungen die Reformempfehlungen der Brüsseler Kommission ernster nehmen.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber sagte zu der Einigung von Luxemburg, die Finanzminister hätten "die größenwahnsinnigen Ideen von Emmanuel Macron auf Normalmaß zurechtgestutzt". Die Verknüpfung des Haushalts mit Reformen sei wichtig, aber diese müssten auch umgesetzt und kontrolliert werden, "wenn wir verhindern wollen, dass Mitgliedstaaten wie Italien und Frankreich" das Budget "ausplündern".

Bei ihrem Treffen beschlossen die Finanzminister außerdem Änderungen bei der schwarzen Liste der Steueroasen. Die Marshallinseln und die Vereinigten Arabischen Emirate wurden von der Liste gestrichen, weil sie ihre Steuerpraxis nach Einschätzung der EU verbessert haben. Jetzt werden nur noch neun Länder aufgeführt, die den Austausch von Steuerdaten erschweren oder anderweitig Hinterziehung begünstigen. Daneben existiert eine graue Liste von Staaten unter besonderer Beobachtung. Von ihr wurden die Schweiz und einige andere Länder gestrichen, ebenfalls wegen Reformen im Sinne Brüssels.

Kommentar: Mehr investieren und reformieren

Nun kommt es also, das Budget für die Euro-Zone. Und es ist winzig. Frankreich schlug vor, dass die Länder mit der Euro-Währung einen nennenswerten Haushalt und einen eigenen Finanzminister erhalten. Dieses Budget hätte die Konjunktur mit Investitionen gestützt und schwachen Staaten geholfen. Der Plan hatte allerdings keine Chance. Stattdessen einigten sich die Regierungen auf einen Mini-Topf. Der wird keinen Unterschied machen. Zumal das Geld nicht gezielt als Nothilfe ausgeschüttet, sondern größtenteils nach einem fixen Schlüssel verteilt wird.

Dabei leidet die Euro-Zone darunter, dass es zwar eine gemeinsame Währung, aber keine gemeinsame Ausgabenpolitik der Mitgliedstaaten gibt - oder zumindest keine vernünftig abgestimmte. Deswegen bleibt es vor allem an der Europäischen Zentralbank hängen, die Wirtschaft anzukurbeln: mit einer ultralockeren Geldpolitik und Minus-Zinsen. Doch deren schädliche Nebenwirkungen steigen, zugleich droht ein Abschwung. Es wird darum höchste Zeit, dass sich die Finanzminister stärker engagieren. Staaten mit soliden Haushalten sollten mehr investieren, um Europas Konjunktur zu stützen. Länder mit Schuldenbergen sollten ihre Wirtschaft durch Reformen wettbewerbsfähiger machen. Geschieht das, kommt die Euro-Zone auch ohne eigenes großes Budget aus. Björn Finke

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SZ vom 11.10.2019
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