Statistisches Bundesamt:Wirtschaft ist erneut geschrumpft

Lesezeit: 2 Min.

Passanten sind mit ihren Einkäufen in der Hamburger Innenstadt unterwegs. (Foto: Christian Charisius/dpa)

Industrieflaute und Investitionsschwäche: Deutschland steckt nun schon das zweite Jahr hintereinander in einer leichten Rezession. Besserung erwarten Ökonomen erst für 2026.

Von Julia Bergmann und Oliver Klasen

Verunsicherte Verbraucher, kriselnde Industrie, sinkende Exporte: Die deutsche Wirtschaft ist 2024 das zweite Jahr hintereinander geschrumpft und steckt damit so lange in der Rezession wie seit mehr als 20 Jahren nicht. Das Bruttoinlandsprodukt fiel laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Endgültige Zahlen zum vierten Quartal fehlen noch, hier arbeitet die Behörde mit vorläufigen Schätzungen.

Fest steht jedoch bereits jetzt: Die deutsche Wirtschaft hinkt im internationalen Vergleich hinterher – und ein Aufschwung ist nicht in Sicht. Zudem droht der neue US-Präsident Donald Trump, der am kommenden Montag den Dienst antritt, mit hohen Zöllen. Die würden die deutsche Exportwirtschaft empfindlich treffen. Wirtschaftsexperten mahnen, die Politik müsse schnell gegensteuern und insbesondere die Industrie stärken. „Deutschland durchläuft die mit Abstand längste Stagnationsphase der Nachkriegsgeschichte“, sagte Timo Wollmershäuser, Konjunkturchef beim Münchner Ifo-Institut, der Nachrichtenagentur dpa. Schon 2023 war das Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent zurückgegangen und 2024 habe es preisbereinigt nur wenig höher als 2019 vor der Corona-Pandemie gelegen. Im Klartext: kein Fortschritt.

Die meisten Ökonomen rechnen auch für dieses Jahr bestenfalls mit einem Mini-Wachstum. Plus 0,2 Prozent prognostiziert etwa die Bundesbank, plus 0,4 Prozent sagen die Wirtschaftsweisen voraus. Und der Industrieländer-Club OECD rechnet damit, dass Europas größte Volkswirtschaft 2025 so langsam wächst wie kein anderes vergleichbares Land. Manche Ökonomen und Wirtschaftsverbände hoffen, dass sich die Situation nach der Bundestagswahl am 23. Februar bessert. Das Problem: Bis eine neue Regierung steht, könnte es wegen möglicherweise komplizierter Koalitionsverhandlungen dauern. „Positive wirtschaftliche Impulse einer neuen Bundesregierung würden wohl frühestens im Jahr 2026 voll zum Tragen kommen“, sagte Ökonom Nils Jannsen vom Kiel Institut für Weltwirtschaft der dpa.

Einzig den Arbeitsmarkt hat die Krise bisher noch nicht ganz erreicht

Teile der Wirtschaft sehen Deutschland in einer ähnlichen Lage wie 2002 und 2003, als die Wirtschaft ebenfalls zwei Jahre hintereinander schrumpfte. Damals reagierte die rot-grüne Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) mit den Sozialstaatskürzungen der Agenda 2010. Heute fordert die Wirtschaft Bürokratieabbau, Steuerentlastungen, niedrigere Energiekosten und mehr Tempo bei Infrastrukturprojekten. „Im Vergleich zu anderen Standorten weltweit sind die Belastungen der Unternehmen durch Steuern, Bürokratie und Energiekosten hoch, die Erneuerung der Digital-, Energie- und Verkehrsinfrastruktur kommt langsamer voran und der Fachkräftemangel ist ausgeprägter“, sagte Ifo-Experte Wollmershäuser.

Besonders gravierend ist die Krise der deutschen Industrie. Dort schrumpfte die Bruttowertschöpfung im vergangenen Jahr kräftig, nämlich um 3,0 Prozent. Wichtige Branchen wie der Maschinen- und Autobau produzierten deutlich weniger, in der energieintensiven Chemie und Metallindustrie blieb die Fertigung auf niedrigem Niveau. Die Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen, Geräte und Fahrzeuge sanken kräftig, das Baugewerbe litt unter der Krise im Wohnungsbau. Auch der Außenhandel schwächelte.

Einzig den Arbeitsmarkt hat die Krise bisher noch nicht im vollen Umfang erreicht. Die Situation dort ist, anders als damals zur Jahrtausendwende unter der Schröder-Regierung, noch relativ stabil: 2024 stieg die Zahl der Beschäftigten sogar auf den Rekord von 46,1 Millionen. Neue Jobs entstanden aber insbesondere in Bereichen, in denen staatliche Stellen eine große Bedeutung haben. Etwa im Gesundheitswesen, in Erziehungseinrichtungen oder im Öffentlichen Dienst.

Längst belastet die Krise die Verbraucherstimmung. Die privaten Konsumausgaben stiegen 2024 preisbereinigt um nur 0,3 Prozent. Viele Menschen halten ihr Geld zusammen, obwohl die Inflation zurückgegangen ist. Sie spüren die gestiegenen Preise beim täglichen Einkauf und machen sich Sorgen um ihre Jobs.

© SZ/dpa/Reuters/berj - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusWohlstand
:Hurra, das Wachstum sinkt

Was, die Wirtschaft wächst kaum? Der Ökonom Dietrich Vollrath sagt: Historisch betrachtet ist das sogar eine gute Nachricht - nur für eine Gruppe nicht.

Interview von Bastian Brinkmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: