Suezkanal:Der Milliarden-Kanal

Suezkanal: 45 000 Arbeiter und Ingenieure waren zu Spitzenzeiten gleichzeitig auf den Baustellen des Suezkanals beschäftigt.

45 000 Arbeiter und Ingenieure waren zu Spitzenzeiten gleichzeitig auf den Baustellen des Suezkanals beschäftigt.

(Foto: Khaled Desouki/AFP)
  • Ägypten eröffnet neben dem Suezkanal eine komplett neue zweite Spur in der Wüste des Sinai.
  • Der Kanal wird zudem breiter und tiefer, so wird Gegenverkehr möglich.
  • Der Ausbau kostete rund vier Milliarden Dollar, es sind außerdem sechs neue Tunnel unter dem Kanal geplant.

Von Paul-Anton Krüger

Mit Superlativen geizt Ägypten nicht, wenn es um den Bau des neuen Suezkanals geht. Nie zuvor wurde eine so große Flotte von Saugbaggern zusammengezogen. Bis zu 45 dieser Spezialschiffe waren laut der Kanalbehörde gleichzeitig im Einsatz, drei Viertel der weltweit verfügbaren Kapazität. Ihre Rüssel aus Stahl, bewährt mit Schneidrädern, buddelten und spülten binnen eines Jahres 258,8 Millionen Kubikmeter Sand und Stein weg. Auf 37 Kilometern vertieften und verbreiterten sie bestehende Fahrrinnen. Auf 35 Kilometern frästen sie parallel zum bestehenden Kanal eine komplett neue zweite Spur in die Wüste des Sinai, 320 Meter breit.

Dabei dominierten zwar Firmen aus den Niederlanden, Belgien und den USA, aber die Vorarbeit geleistet hatten Baumaschinen von mehr als 80 ausschließlich ägyptischen Firmen unter der Regie des Ingenieurskorps der Armee. Sie trugen den Sand 20 Meter tief bis knapp auf Meereshöhe ab und bewegten nochmals 250 Millionen Kubikmeter. Insgesamt ließe sich mit dem Aushub der Königssee im Berchtesgadener Land zuschütten - in Ägypten wurde es in Sedimentbecken und Halden entlang des Kanals aufgetürmt. Zu Spitzenzeiten waren 45 000 Arbeiter und Ingenieure gleichzeitig auf den Baustellen beschäftigt.

Doppelt so viele Schiffe

Bislang war der Suezkanal eine Einbahnstraße mit Ausweichstellen, an denen die zu Konvois zusammengefassten Schiffe aneinander vorbeifahren konnten. Künftig gibt es auf fast der Hälfte der 162 Kilometer zwischen Port Saïd und Suez echten Gegenverkehr. Abhängig von Typ und Größe der Schiffe verdoppelt sich die Kapazität der Wasserstraße von durchschnittlich 49 auf 97 Durchfahrten pro Tag. Die Regierung in Kairo erwartet sich davon deutlich höhere Einnahmen. Im vergangenen Jahr kostete die Passage im Schnitt 320 000 Dollar.

Fast acht Prozent des Welthandels werden durch den Suezkanal abgewickelt, und Ägypten hofft, diesen Anteil ausbauen zu können. Im Jahr 2014 nutzten 17 148 Schiffe den Kanal; damit war er bereits bis knapp an seine Kapazitätsgrenze ausgelastet. Zeit ist Geld, das ist längst der erste Grundsatz der globalen Schifffahrt. Und Liegezeiten sind verschwendetes Geld. Der neue Kanal reduziert die Wartezeiten von derzeit acht bis elf auf drei Stunden und halbiert die Dauer der Passage zwischen dem Roten Meer und dem Mittelmeer von 18 bis 22 auf elf Stunden.

Für ein Containerschiff auf der Route von Singapur nach Rotterdam verkürzte der Kanal die Reise laut der Reederei CMA CGM bereits bisher um ein Drittel, was 6000 Kilometern oder neun Tagen Fahrzeit entspricht. Die Frage ist, ob die zusätzliche Zeitersparnis von einem Tag die Passage so viel attraktiver macht, dass der Kanal zusätzliche Schiffe anziehen kann, die bislang andere Routen nutzten.

Die Fahrrinne wurde durchgehend auf 24 Meter vertieft, sodass ihn künftig regulär Schiffe mit 20,1 Meter Tiefgang, 64 Metern Breite und 400 Metern Länge und mehr durchlaufen können. Das reicht selbst für die größten Containerschiffe, wie die gerade in Hamburg getaufte MSC Zoe. Nur die größten Supertanker und einige Erz- sowie Kohlefrachter mit mehr als 240 000 Tonnen Tragfähigkeit müssen voll beladen nach wie vor den Umweg um das Kap der Guten Hoffnung nehmen.

Für den Ausbau des Kanals wurden 4,1 Milliarden Dollar veranschlagt. Laut dem Chef der Suezkanal-Behörde, Admiral Mohab Mamisch, wurde das Budget trotz Verkürzung der Bauzeit von drei Jahren auf zwölf Monate eingehalten - genaue Zahlen nannte er nicht. Weitere 4,1 Milliarden Dollar sollen in der nun beginnenden zweiten Phase investiert werden, um die Kanalregion und die Sinai-Halbinsel besser zu erschließen, um die Voraussetzung für deren wirtschaftliche Entwicklung zu schaffen.

Geplant sind sechs neue Tunnel unter dem Kanal: drei bei Port Saïd nahe der Mittelmeerküste und drei in der Mitte bei Ismailia. Zwei der Röhren sind jeweils für den Straßenverkehr vorgesehen, die dritte für die Eisenbahn. Derzeit gibt es nur einen sanierungsbedürftigen Straßentunnel bei Suez sowie eine Eisenbahnbrücke und 14 Fährverbindungen, die den Kanal queren. Die strengen Sicherheitsvorkehrungen führen zu stundenlangen Wartezeiten. Die 2001 eröffnete "Friedensbrücke" über den Kanal ist seit Mitte 2013 gesperrt. Bedarf für die neuen Röhren gibt es also. Vier aus Deutschland gelieferte Tunnelvortriebsmaschinen sollen sie parallel graben. Damit wird auch diese Baustelle zu den größten der Welt zählen.

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