Wirecard:"Wir haben Fehler gemacht"

Bezahldienstleister Wirecard - Bilanz-Pk

Vertrauen zurückzugewinnen, das ist das Ziel von Wirecard-Chef Markus Braun bei der Bilanzvorlage.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Wirecard-Chef Markus Braun spricht bei der Bilanzvorlage über mögliche Unregelmäßigkeiten und gesteht erstmals Qualitätsmängel ein.

Von Harald Freiberger und Nils Wischmeyer, Aschheim

Markus Braun ist gekommen, um über Zahlen zu sprechen - und über einen Elefanten. Überpünktlich erscheint der Chef des Zahlungsdienstleisters Wirecard zur Bilanzpressekonferenz in einem Hotel vis-à-vis der aschgrauen Wirecard-Zentrale. Bestimmt schreitet der Österreicher über den rötlichen Teppich bis hin zur Bühne, schaut prüfend aufs Podium, dann auf sein Handy. Nichts soll mehr schieflaufen. Denn für Braun geht es heute um mehr als nur um die Zahlen von Wirecard und sein Geld, das zu großen Teilen in Aktien des eigenen Unternehmens steckt. Es geht darum, Vertrauen zurückzugewinnen. Und so kommt es, dass Braun nicht mit den guten Jahreszahlen beginnt.

Stattdessen stellt er sich neben das Pult an den Rand der Bühne, tritt von einem Bein aufs andere und sagt, dass er sich "an die mediale Aufmerksamkeit erst gewöhnen" müsse. Bei der vorigen Bilanzpressekonferenz waren sechs Journalisten da, nun sind es rund 60, dazu zehn Fotografen, deren Kameras unablässig rattern. Sie alle warten darauf, dass sich Braun zu den Vorwürfen gegen Wirecard äußert. Oder wie er es ausdrückt: "Ich möchte über den Elefanten im Raum sprechen."

Die gesteigerte Aufmerksamkeit hat mit Problemen des Unternehmens in Asien zu tun. Am 30. Januar hatte die Financial Times (FT) erstmals über mögliche Missstände bei Wirecard in Asien berichtet. Umsätze seien doppelt gebucht und Verträge falsch datiert oder sogar frei erfunden worden. Die Aktie fiel darauf um bis zu 40 Prozent. Wirecard wies die Vorwürfe umgehend als "falsch und diffamierend" zurück. Mehrere Artikel und neue Vorwürfe, auch von anderen Medien, folgten. Immer wieder dementierte Wirecard entschieden. Es half nicht viel. Die Aktie stürzte um zeitweise 40 Prozent ab, und die Finanzaufsicht Bafin sah sich gezwungen, ein zwei Monate langes Leerverkaufsverbot zu verhängen. Anleger durften danach nicht mehr auf einen fallenden Kurs der Wirecard-Aktie wetten. Das hatte es in dieser Form noch nicht gegeben.

Mehr als acht Wochen nach dem ersten Artikel in der FT gibt sich Markus Braun nun erstmals geläutert. "Wir haben Qualitätsmängel, insbesondere bei der buchhalterischen Qualität", gesteht der Wirecard-Chef am Donnerstag ein. Die Mängel habe es im Bereich der Softwarelizenzen gegeben, der aber nur einen kleinen Teil des gesamten Geschäfts ausmache. Verträge seien teils falsch oder zur falschen Zeit verbucht worden. Auch eine Begründung für das Verhalten liefert er mit: In den vergangenen Jahren sei man sehr stark gewachsen, habe in viele Märkte investiert, sei aber mit den Prozessen nicht immer hinterhergekommen. Dann wird Braun gefragt, ob er Fehler gemacht habe. Der schnauft ins Mikrofon und sagt: "Wir haben in den letzten sechs bis acht Wochen Fehler gemacht, das ist unumstritten."

Es ist das erste größere Schuldeingeständnis von Markus Braun, der bisher die Verantwortung vom Unternehmen wies, so gut es eben ging. Wirecard nannte die Berichte stets falsch und ging sogar rechtlich dagegen vor. Die Einsicht von Braun hat allerdings auch enge Grenzen. Weder habe es strafrechtliches Verhalten gegeben, noch sei das Handeln der Mitarbeiter "vorsätzlich" gewesen, sagt er. Warum man sich dann aber von Asienchef Edo K. getrennt hat und die Singapurer Polizei weiter gegen Mitarbeiter des Dax-Konzerns ermittelt, kam nicht zur Sprache. Und überhaupt: Generelle Probleme will Braun aus den Vorfällen nicht ableiten.

Eine Sondereinheit der Polizei in Singapur ermittelt noch gegen Mitarbeiter von Wirecard

Stattdessen betont der Vorstandschef und größte Einzelaktionär, dass sämtliche Nachforschungen der internen wie auch der externen Prüfer nichts zutage gefördert hätten, was die Bilanz belaste. "Es gab keine materiellen Auswirkungen", sagt er. Auch Rajah & Tann, die Anwaltskanzlei, die Wirecard engagiert hatte, um die Vorwürfe aufzuklären, habe nichts Signifikantes gefunden. Darüber hinaus kündigt Braun eine Taskforce an, die alle Prozesse verbessern soll, besonders zwischen der Zentrale und den Töchtern im Ausland.

So viel zum Elefanten im Raum. Die Zahlen des Konzerns für 2018 jedenfalls fielen gut aus, der Umsatz stieg um 35 Prozent auf zwei Milliarden Euro, der Konzerngewinn um 37 Prozent auf 560 Millionen Euro, und auch der Aktienkurs stieg wieder.

Sind die Chaostage bei Wirecard damit vorbei? Alles gut in Aschheim? Das Ende der Probleme dürften die Worte von Braun nicht bedeuten. Noch immer ermittelt eine Spezialeinheit in Singapur gegen Wirecard-Mitarbeiter und verbandelte Firmen. Die Ermittler haben mehr als 200 Kisten an Material eingesammelt, die sie nun durcharbeiten. Auch hält der Konzern den Abschlussbericht der Anwaltskanzlei Rajah & Tann weiter unter Verschluss. Eine Veröffentlichung sei rechtlich nicht möglich, sagt Braun und begründet das mit den Rechten Dritter, die davon berührt würden. Aus dem Bericht lasse sich auf Personen schließen. Klammere man diese Stellen aber aus, sei der Bericht nicht mehr verständlich. Aktionäre müssen sich also mit der Zusammenfassung begnügen.

Am Vortag hatte die FT zudem einen neuen kritischen Artikel veröffentlicht. Der Vorwurf: Der Gewinn bei Wirecard sei 2016 zum großen Teil von drei "undurchsichtigen Partnerfirmen" gekommen, die in Dubai, Singapur und auf den Philippinen sitzen und nicht von einem Wirtschaftsprüfer testiert worden seien. Braun widersprach diesen Vorwürfen: "Alle unsere Firmen sind geprüft", sagte er. Man könnte die Abschlüsse auf der Internetseite nachlesen. Und dass 80 oder 90 Prozent des Gewinns von nur drei Partnern kämen? "Das stimmt nicht", sagt er, stöpselt sich das Headset vom Ohr und eilt weiter zur nächsten Konferenz: Er muss die Investoren überzeugen.

Kurz nach der Konferenz dröhnt aus der Wirecard-Zentrale eine Sirene. Hunderte Mitarbeiter strömen heraus, die Freiwillige Feuerwehr rückt an. Ein Mitarbeiter soll eine Mikrowelle falsch bedient haben. Schon wieder ein Brandherd.

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