Süddeutsche Zeitung

Wirecard:Wieder unerfreuliche Nachrichten

Wirecard verschiebt seinen Jahresabschluss und die Hauptversammlung erneut.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Am späten Abend noch Nachrichten zu verschicken, das sind sie in Aschheim mittlerweile gewöhnt. In den vergangenen Wochen kamen bereits mehrere Mitteilungen weit nach Börsenschluss, meist, weil Wirecard etwas Unangenehmes verkünden oder Termine verschieben musste. Auch am Montagabend kam die Meldung spät und wieder war der Inhalt für Aktionäre unerfreulich: Wirecard wird seinen Jahresabschluss für das Jahr 2019 verschieben müssen. Es fehlt ein Testat der Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young.

In der Ad-Hoc-Mitteilung um 22:10 Uhr hieß es, dass die ausländischen Prüfer nun die "Prüfungshandlungen für Konzernzwecke finalisieren" konnten. Allerdings sei die Prüfung bei EY noch nicht gänzlich abgeschlossen, weshalb man die Veröffentlichung des Jahresabschlusses nun verschieben müsse. Statt wie geplant am 4. Juni soll der bereits zweifach verschobene Jahresabschluss nun final am 18. Juni vorliegen. Die Hauptversammlung hat Wirecard daraufhin auch verschoben, vorsorglich auf den 26. August 2020.

Trotz der erneuten Verschiebung rechnet der Dax-Konzern mit einem uneingeschränkten Testat durch die Wirtschaftsprüfer von Ernst & Young. Bisher, so heißt es in der Mitteilung, seien Wirecard keine "wesentlichen Feststellungen bekannt gemacht" worden. Der Konzern mit Markus Braun an der Spitze geht deshalb felsenfest davon aus, dass die vorläufig veröffentlichten Zahlen auch weiterhin Bestand haben werden. Demnach würde der Umsatz für das Jahr 2019 bei 2,8 Milliarden liegen, der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen bei 785 Millionen Euro. Die Aktie gab nach Bekanntwerden der Nachricht nur leicht nach.

Die Aktionäre sind bereits viel gewöhnt. Seit die britische Financial Times im vergangenen Jahr eine Serie von Artikeln zu möglichen Manipulationen des Konzerns in Asien, Indien und Dubai veröffentlicht hatte, stieg oder fiel die Aktie oft zweistellig. Insgesamt fiel der Kurs seither von fast 200 Euro auf 85 Euro je Aktie.

Der Konzern dementierte die Vorwürfe der britischen Zeitung stets, sah sich aber gezwungen, die Vorfälle durch die Wirtschaftsprüfern von KPMG über Monate hinweg durchleuchten zu lassen. Deren Abschlussbericht habe Wirecard entlastet, sagte Chef Markus Braun nach der Veröffentlichung. Tatsächlich blieben aber viele Vorwürfe ungeklärt, darunter dubiose Transaktionen in Indien und Geschäfte mit Partnern in Dubai. Bei einigen Transaktionen konnte KPMG schlicht nicht sagen, ob sie existieren oder eben nicht.

Unter Druck geraten deshalb auch die Wirtschaftsprüfer von EY. Sie hatten über Jahre hinweg Testate für Wirecard ausgestellt, ohne etwas Wesentliches zu beanstanden. Nun müssen sie noch genauer hinschauen.

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Quelle:
SZ vom 27.05.2020
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