Wirecard:Verdacht auf Marktmanipulation

FILE PHOTO: The headquarters of Wirecard AG, an independent provider of outsourcing and white label solutions for electronic payment transactions is seen in Aschheim

Firmenzentrale von Wirecard in Ascheim

(Foto: REUTERS)

Ein Zeuge im Wirecard-Prozess soll bei der Staatsanwaltschaft geplaudert haben - und aus den USA droht Ungemach. Was bedeutet das für Wirecard?

Von Harald Freiberger und Nils Wischmeyer

Vieles ist unklar im Fall Wirecard, jetzt kommt eine weitere Unklarheit hinzu: Der Staatsanwaltschaft München I soll die brisante Aussage eines sogenannten Leerverkäufers vorliegen, berichtete die FAZ. Der Zeuge habe zugegeben, er sei vorab darüber informiert worden, wann die Financial Times über Wirecard berichten würde. Drei Berichte der Wirtschaftszeitung über angeblichen Betrug und Geldwäsche in Singapur ließen die Aktie des Zahlungsdienstleisters in den vergangenen zwei Wochen wiederholt einbrechen.

Leerverkäufer, oft Manager von Hedgefonds, profitieren davon, wenn der Kurs einer Aktie sinkt. Wurde einer von ihnen vorab über einen kritischen Bericht informiert, könnte er die Wirecard-Aktie leer verkauft und auf diese Weise am folgenden Kurssturz verdient haben. Die Staatsanwaltschaft München I und die Finanzaufsicht Bafin ermitteln in dem Fall wegen möglicher Marktmanipulation. Die Staatsanwaltschaft wollte zu dem laufenden Verfahren keine Stellung nehmen.

Implizit steckt in der Meldung die Möglichkeit, dass Zeitung und Hedgefonds gemeinsame Sache machten. Wenn sie ihn vorab informiert und dieser sich entsprechend an der Börse positioniert hätte, wäre das in der Tat strafbar. Doch in der Praxis ist es meist nicht so eindeutig, es sind auch andere Möglichkeiten denkbar. Es gibt Hedgefonds, die Unternehmen auf wunde Punkte untersuchen, lange recherchieren, zu der Meinung kommen, dass der Aktienkurs überbewertet ist und dann auf einen sinkenden Kurs setzen. Dies ist an sich nicht strafbar. Strafbar wird es erst, wenn sie, möglicherweise mit unwahren Veröffentlichungen versuchen den Kurs zu beeinflussen, um selbst Gewinne zu erzielen.

Die entscheidende Frage ist deshalb, was an den Vorwürfen dran ist, ein Wirecard-Manager in Asien habe Nutzerzahlen manipuliert, um Lizenzen zu bekommen und interne Vorgaben zu erfüllen. Laut Wirecard gibt es keine Hinweise auf Fehlverhalten, das hätten eine interne und eine externe Untersuchung ergeben, die kurz vor dem Abschluss stehe.

Wenn ein Leerverkäufer vorab informiert war, kann das auch bedeuten, dass ihn der Journalist zu Recherchezwecken kontaktierte. Der Informationsfluss könnte auch umgekehrt gelaufen sein: Der Hedgefonds-Manager fand etwas über Wirecard heraus und gab das Material an die Zeitung weiter. In beiden Fällen wäre er vorab informiert gewesen, es wäre aber nicht zwangsläufig strafbar.

Neuer Ärger droht Wirecard indes aus den USA. Dort hat die Anwaltskanzlei Bronstein, Gewirtz & Grossmann vor einem Bezirksgericht in Los Angeles eine Sammelklage gegen Wirecard eingereicht. Sie vertritt Anleger, die glauben, Wirecard habe sie mit falschen oder missverständlichen Aussagen in die Irre geführt. Hinzu komme, dass die Firma ihre Schwächen im internen Controlling heruntergespielt habe. Die Kläger argumentieren, dass sie die Aktien von Wirecard aufgrund falscher Tatsachen und Informationen gekauft hätten. Nach dem Kurssturz fühlen sich die Kläger betrogen und verlangen Schadenersatz.

Neben der Firma Wirecard selbst werden unter anderem Vorstandschef Markus Braun und Finanzchef Alexander von Knoop als Beklagte geführt. Auch Jan Marsalek, der das operative Geschäft verantwortet, und Susanne Steidl, zuständig für Produkte, tauchen als Beklagte auf. Weitere Anwaltskanzleien prüfen offenbar, ob sie ebenfalls Sammelklagen gegen Wirecard einreichen. Offen ist aber, wie ernst die Kanzleien die Vorwürfe verfolgen und ob die Gerichte die Sammelklage gegen Wirecard überhaupt zulassen.

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