Wirecard:Unkontrollierte private Geschäfte

Welche Aktien Mitarbeiter handeln, wird in Ministerien weder geprüft noch müssen die Beschäftigten ihre Geschäfte angeben.

Von Cerstin Gammelin, Berlin

Im Bundesfinanzministerium gibt es keine spezifischen Vorgaben für private Aktiengeschäfte der Mitarbeiter. Die Beschäftigten müssen nicht anzeigen, welche Papiere sie handeln; spezielle Verbote bei potenziellen Interessenkonflikten gibt es nicht. "Nach unserer Kenntnis sind (...) in den Bundesministerien derzeit keine gesonderten Anzeige- Genehmigungs- und Aufzeichnungspflichten vorgesehen", teilte der Sprecher von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in einer schriftlichen Antwort auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung mit.

Wegen der fehlenden Anzeigepflichten ist es dem Ministerium nicht möglich, eine Übersicht der privaten Aktiengeschäfte der Mitarbeiter zu veröffentlichen. Das ist heikel, weil insbesondere die Mitarbeiter der Abteilung 7 - Finanzmarktregulierung - für die Aufsicht und Regulierung von Banken, Finanzinstituten und Anleihemärkten zuständig sind und damit über interne Spezialkenntnisse verfügen. In anderen Organisationen wie der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA oder der Europäischen Zentralbank EZB ist Mitarbeitern der private Handel mit Aktien von Instituten, die sie beaufsichtigen, wegen potenzieller Interessenkonflikte verboten.

In Deutschland hat der Gesetzgeber ein solches Verbot bislang nicht für nötig erachtet. Durch den Betrugsskandal des mittlerweile insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard wächst der Druck auf das Bundesfinanzministerium, die Regeln zu überdenken. Am vergangenen Mittwoch war zudem bekannt geworden, dass Mitarbeiter der deutschen Finanzaufsicht Bafin, die anders als das Ministerium über ein besonderes Kontrollverfahren verfügt, seit 2019 besonders oft die Aktie von Wirecard gehandelt hatten. Wirecard war die privat meist gehandelte Aktie in der Behörde. Besonders oft kauften und verkauften die Mitarbeiter der für die Marktaufsicht zuständigen Abteilung die Aktie. Kurz vor dem endgültigen Auffliegen des Betrugs zog das Wirecard-Geschäft nochmals an. Der private Aktienhandel sorgt für massiven Ärger. Es liege der Verdacht von massiven Interessenskonflikten bis hin zum Insiderhandel auf der Hand, kritisierte Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerorganisation Finanzwende.

Ob es im Bundesfinanzministerium ein ähnliches Wirecard-Geschäft gegeben hat, kann wegen der fehlenden Aufzeichnungspflicht nicht überprüft werden. Der Sprecher von Finanzminister Scholz verwies zugleich darauf, dass es Beschäftigten, die Kenntnis von Insiderinformationen haben, verboten sei, diese für den Handel mit Finanzinstrumenten zu verwenden. "Diese Regeln sind mit Straf- und Bußgeldvorschriften bewehrt", sagte er. Die Beschäftigten würden zudem "regelmäßig für einen gesetzeskonformen Umgang mit Insiderinformationen sensibilisiert und über ihre rechtlichen Pflichten sowie über Rechtsfolgen aufgeklärt".

Scholz will nun die internen Kontrollsystem überprüfen. Bei der Bafin sollen "zusätzliche und schärfere Regeln" eingeführt werden. Im Ministerium würden "ergänzende und schärfere Regelungen für die Beschäftigten" erarbeitet, sagte sein Sprecher. Es soll eine einheitliche Regel für alle Ressorts geben.

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