Wirecard-Skandal:Rücktritt fällig

Ausgerechnet der Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht hat mit Wirecard-Aktien spekuliert. Wirtschaftsminister Altmaier muss dafür sorgen, dass er geht.

Von Klaus Ott, München

Im politischen Schlagabtausch werden Rücktritte mitunter schnell gefordert, doch in diesem Fall kann es gar nicht schnell genug gehen. Ralf Bose, der Chef der deutschen Wirtschaftsprüferaufsicht Apas, hat mit Wirecard-Aktien spekuliert. Und das ausgerechnet, als sich die Lage bei Wirecard zuspitzte und der schon damals skandalumwitterte Zahlungsdienstleister mehr und mehr zum Fall für die Apas wurde. Wer als Chef einer Aufsichtsbehörde just zu diesem Zeitpunkt Aktien dieses Unternehmens kauft, der eignet sich nicht als Vorbild und auch nicht als Vorgesetzter. Er sollte zurücktreten. Kontrolleure müssen unabhängig und frei von verfänglichen finanziellen Interessen sein. Allein der Anschein, dass dem nicht so sein könnte, ist schon des Schlechten zu viel.

Den Schaden hat nicht nur er, sondern auch die Behörde

Am Freitag hat Bose seinen unrühmlichen Aktienhandel als Zeuge im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags offengelegt. Den Schaden hat nicht nur er, sondern auch seine Behörde. Jeder Tag, an dem Bose noch im Amt ist, belastet die Wirtschaftsprüferaufsicht noch mehr. Das sollte Wirtschaftsminister Peter Altmaier dem Apas-Chef deutlich machen. Die Kontrollbehörde gehört indirekt zum Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums. Altmaier hat spontan sein "Befremden" über Boses Aktienhandel geäußert, aber das reicht nicht. Der Wirtschaftsminister kann den Apas-Chef rein juristisch gesehen wahrscheinlich nicht zum Rücktritt zwingen, aber er kann ihn dazu drängen. Je eher Altmaier das macht, desto besser.

Das nicht erklärbare Aktiengeschäft ist ein Beispiel mehr für die vielen sonderlichen Abläufe und Entscheidungen bei Behörden und Bundesregierung, die im Fall Wirecard geschehen sind oder durch diesen Fall jetzt offengelegt werden. Auch Beschäftigte der Finanzaufsicht Bafin haben mit Wirecard-Aktien gehandelt. Und überhaupt: die Aufsicht. Sie ist zersplittert und ineffektiv. Geldwäscheaufsicht, Finanzaufsicht, Wirtschaftsprüferaufsicht, dazwischen eine private Bilanzaufsicht; alle sind oder waren irgendwie zuständig, aber niemand richtig. Und die Fäden laufen bislang nirgendwo richtig zusammen. Das wird im Untersuchungsausschuss immer deutlicher.

Die Reformpläne für die Finanzaufsicht sind nur Stückwerk

Doch statt eigene Fehler ohne Wenn und Aber zuzugeben und Versäumtes konsequent nachzuholen, verstrickt sich die schwarz-rote Regierungskoalition in einem kleinkarierten parteipolitischen Hickhack zwischen Finanz- und Wirtschaftsministerium. Olaf Scholz, SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister, soll nicht schlechter dastehen als Wirtschaftsminister Altmaier von der CDU - und umgekehrt. Das trägt dazu bei, dass die Reformpläne der Regierung für die Finanzaufsicht bislang nur Stückwerk sind. Sogar die private Prüfstelle für Unternehmensbilanzen, die fälschlicherweise Bilanzpolizei genannt wurde und nie eine war, soll beibehalten werden.

Bestes oder besser gesagt schlimmstes Beispiel für die Versäumnisse der Regierung ist die seit Jahren geplante Reform des Unternehmensstrafrechts. Einer der Kernpunkte: Staatsanwälte sollen leichter ermitteln können, wenn in Deutschland ansässige Unternehmen in den Verdacht von Gesetzesverstößen im Ausland geraten. Das wäre wie gerufen gekommen für die Staatsanwaltschaft München I, die seit Anfang 2019 nach einem Grund gesucht hat, um gegen Wirecard vorgehen zu können. Doch alles, was damals an Verdachtsmomenten vorlag, spielte sich in Asien ab. Erst Mitte 2020, als Wirtschaftsprüfer Luftbuchungen in Milliardenhöhe enthüllten, konnten die Strafverfolger zugreifen.

Der flüchtige Vorstand Jan Marsalek hatte leichtes Spiel

Der untergetauchte Wirecard-Vorstand Jan Marsalek, der das Unternehmen mutmaßlich in großem Stil ausraubte und Aktionäre wie Banken um viele Milliarden Euro brachte, hatte jedenfalls leichtes Spiel. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, wie unerlässlich ein neues Unternehmensstrafrecht ist, dann ist das der Fall Wirecard. Doch seit Monaten geht hier nichts voran, was offenbar mehr an der Union als an der SPD liegt. Und beide gemeinsam haben vieles versäumt. Strenge Regeln für den Aktienhandel von Aufsichtsbeamten, die inzwischen von der Finanzaufsicht Bafin verfügt wurden, wären schon lange möglich gewesen. Bei den privaten Wirtschaftsprüfgesellschaften gibt es solche Vorschriften seit Jahren. Bei der staatlichen Wirtschaftsprüferaufsicht durfte der Chef offenbar machen, was er wollte.

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