Fehlende Milliarden:Schlüsselfigur im Wirecard-Skandal verhaftet

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Das vor den Toren Münchens ansässige Wirecard galt als Vorzeigeunternehmen. In Folge des Skandals musste der Konzern Insolvenz anmelden. (Foto: Getty Images)

Der Konzernmanager hat sich am Montag im Zuge der Ermittlungen im Skandal um den Finanzdienstleister den Münchner Behörden gestellt. Der Mann war aus Dubai eingeflogen.

Von Jan Willmroth, Frankfurt, und Nils Wischmeyer

Im Milliardenskandal um den insolventen Dax-Konzern Wirecard sitzt erstmals ein beschuldigter Konzernmanager in Untersuchungshaft. Wie die Staatsanwaltschaft München am Montag mitteilte, wurde der Mann am Montag vernommen und dem Haftrichter vorgeführt. Der Verdächtige war in den vergangenen Jahren einer der wichtigsten Manager des Wirecard-Konzerns. Bis zuletzt führte er die Geschäfte der Konzerntochter Cardsystems Middle East mit Sitz in Dubai, die einen wesentlichen Teil zu den gefälschten Zahlen des Konzerns beigetragen haben soll. Die Ermittler sehen bei dem Beschuldigten einen dringenden Tatverdacht des gemeinschaftlichen Betrugs und des versuchten gemeinschaftlichen Betrugs im jeweils besonderen schweren Fall. Auch gebe es den Verdacht der Beihilfe zu anderen Straftaten, teilten die Ermittler mit.

Damit ist im Zusammenhang mit Wirecard erstmals offiziell von Betrug und versuchtem gemeinschaftlichen Betrug die Rede. Zuvor stand offiziell nur der Verdacht der Marktmanipulation, Bilanzfälschung und Untreue im Raum.

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Viele fürchten jedoch nach wie vor um ihren Job, inbesondere bei den sechs Millionen Kurzarbeitern. Zusätzliche Ausgaben tätigen oder diese vorziehen will - trotz Mehrwertsteuersenkung - kaum jemand.

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Der Beschuldigte war nach Angaben der Staatsanwaltschaft aus Dubai angereist und hatte sich dem Strafverfahren gestellt. Im Laufe des Tages wurde er dann zunächst als Beschuldigter vernommen und aufgrund eines Haftbefehls festgenommen, den die Ermittler zuvor beantragt hatten. Am Nachmittag entschied ein Haftrichter dann, dass der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft zunächst in Untersuchungshaft bleiben muss. Es bestünden Flucht- und Verdunkelungsgefahr.

Der Verdächtige führte seit langem an verschiedenen Stellen im Wirecard-Konzern die Geschäfte, er gilt als Schlüsselfigur im internationalen Gefüge des Zahlungsdienstleisters. Vor allem über die Dubaier Zweigstelle dürften die Ermittler jetzt mehr erfahren wollen. In den vergangenen Jahren steuerte diese Gesellschaft bis zu einem Drittel zum ausgewiesenen Konzernumsatz von Wirecard bei. Ein Großteil der über CardSystems verrechneten Summen stammte aus dem mutmaßlich betrügerischen Drittpartnergeschäft und existierte nach Erkenntnissen von Wirtschaftsprüfern und Ermittlern nur auf dem Papier. Bis zum vergangenen Jahr wurden die Bilanzen der Dubaier Firma nicht von Wirtschaftsprüfern vor Ort testiert. Die Ergebnisse flossen aber in den Konzern-Jahresabschluss Wirecards mit ein.

Nicht nur dieser Umstand hatte die Prüfer von KPMG offenbar misstrauisch gemacht. Sie hatten von Oktober an für ein Sondergutachten eine Reihe von öffentlich erhobenen Vorwürfen gegen Wirecard forensisch untersucht. Mit Blick auf das Drittpartnergeschäft entdeckten sie eine Reihe von Ungereimtheiten. Laut den als vertraulich eingestuften Anhängen zu dem Bericht wurde der festgenommene Manager mehrfach befragt und gab insbesondere zum Drittpartnergeschäft widersprüchliche Erklärungen ab.

Von den vielen Widersprüchen rund um den insolventen Wirecard-Konzern und die aufgeblähten Bilanzen wird der neue Untersuchungshäftling so manche womöglich aufklären können. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt auch gegen den früheren Konzernchef Markus Braun, der gegen Kaution auf freiem Fuß ist, sowie gegen den Ex-Vorstand Jan Marsalek, der flüchtig ist.

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