Wirecard-Skandal:Zoff um die Akten

Kann EY für die Wirecard-Pleite haftbar gemacht werden? Der Insolvenzverwalter streitet mit den Prüfern um Unterlagen, es geht um riesige Schäden.

Von Klaus Ott, Reiko Pinkert und Jörg Schmitt, München

Die Bitte war klar und deutlich formuliert, die Absage genauso. Jetzt streiten die beiden Parteien, es geht um riesige Schäden, der Ausgang ist offen. Michael Jaffé, der Insolvenzverwalter von Wirecard, hat von der Wirtschaftsprüfgesellschaft EY zahlreiche Unterlagen angefordert. In den zehn Jahren, in denen EY die Bilanzen der Wirecard AG geprüft hatte, ist ja einiges angefallen an Dokumenten. Jaffé braucht diese Papiere, um zu klären, ob er EY für die Pleite des Zahlungsdienstleisters haftbar machen kann. Die Gläubiger haben einen Milliardenbetrag verloren. EY wiederum hat nicht das geringste Interesse, Jaffé zu helfen und sich selbst zu schaden.

Die Prüfgesellschaft hat mit Schreiben vom 30. Oktober das Ansinnen des Insolvenzverwalters "vollumfänglich zurückgewiesen und jegliche Herausgabe von Unterlagen" verweigert. So steht es in einem Brief, den eine Anwaltskanzlei in Jaffés Auftrag an den Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags schickte. Und bei dieser Absage bleibt es auch, wie EY jetzt auf SZ-Anfrage mitteilte. Der Insolvenzverwalter wiederum, der sich dazu nicht äußert, kann sich das nicht gefallen lassen. Er muss im Auftrag der Gläubiger untersuchen, wer an der Pleite von Wirecard schuld ist oder dazu beigetragen hat, selbst wenn dies fahrlässig geschehen sein sollte. Auch das kann ein Grund für Schadenersatzklagen sein.

Der Insolvenzverwalter hat dem Prüfkonzern bereits die Zusage abgerungen, keine Verjährung geltend zu machen. Ansonsten hätte Jaffé schon in diesem Jahr vor Gericht gehen müssen. Aus Sicht von Aktionären und Gläubigern spricht einiges dafür, dass EY den Finanzkonzern nicht intensiv genug geprüft habe. EY weist das zurück. Aufgeklärt werden kann der Fall nur, wenn alles auf dem Tisch liegen. Daran sind neben Jaffé auch die früheren Hausbanken von Wirecard interessiert, die zu den größten Gläubigern zählen. Die Commerzbank, die DZ Bank, die Deutsche Bank, die ING Diba, und andere Institute hatten Wirecard 1,6 Milliarden Euro geliehen. Die Banken wollen möglichst viel von ihrem Geld zurückbekommen.

Je mehr bekannt wird, desto mehr Angriffspunkte könnten sich die Gegner aus den Akten herauspicken

Dazu braucht Jaffé die EY-Unterlagen. Im Schreiben an den Bundestag steht, Jaffé lägen aber "weder die vollständige Korrespondenz zwischen Wirecard und EY" zu den Abschlussprüfungen der Jahresbilanzen vor, noch die bei EY vorhandenen Dokumente zu den Prüfungen. Der Prüfkonzern steckt in der Zwickmühle. Einerseits sind Wirtschaftsprüfer zur Verschwiegenheit verpflichtet. Andererseits entsteht so der Eindruck, EY habe etwas zu verbergen. Deshalb soll der Bundesgerichtshof entscheiden, ob EY im Fall Wirecard im Untersuchungsausschuss umfassend aussagen und alle Akten auf den Tisch legen kann.

EY wäre dann den Geruch der Heimlichtuerei los. Aber je mehr bekannt wird, desto mehr Angriffspunkte könnten sich die Gegner des Prüfkonzerns aus den Akten herauspicken. Da der Untersuchungsausschuss öffentlich tagt, käme Jaffé auf diesem Umweg vielleicht doch an die Informationen heran, die ihm EY verweigert. Der Prüfkonzern jedenfalls beharrt darauf, dass man Jaffé keine Unterlagen schuldig sei. "Das Herausgabeersuchen des Insolvenzverwalters ist weder dem Grunde noch seinem Umfang nach von den bestehenden rechtlichen Vorgaben gedeckt. Angesichts dessen ist es EY nicht möglich, dem Ersuchen nachzukommen."

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