Bilanzskandal:Ermittler durchsuchen Wirecard-Büros

Insolventer Konzern Wirecard in Aschheim bei München / Datum: 30.06.2020 / *** Insolvent Wirecard Group in Aschheim nea

Die Wirecard-Zentrale in Aschheim bei München.

(Foto: imago images/Overstreet)

Wegen des Bilanzskandals bei Wirecard durchsuchen Staatsanwälte den Konzernsitz bei München und das Haus von Ex-Vorstandschef Markus Braun in Wien.

Von Klaus Ott und Nils Wischmeyer

Im Milliardenskandal beim Zahlungs-Dienstleister Wirecard durchsucht die Staatsanwaltschaft München I die Konzernzentrale in Aschheim bei München und weitere Objekte. Darunter befindet sich auch das Domizil von Ex-Vorstandschef Markus Braun in Wien. Die Ermittler verdächtigen Braun, den geflüchteten Ex-Vorstand Jan Marsalek und weitere Wirecard-Manager der Manipulation des Börsenkurses. Mindestens bei Braun und Marsalek geht es auch um den Vorwurf der Bilanzfälschung. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft ergänzte, es werde neben diesen Vorwürfen auch Betrug in Betracht gezogen. Außerdem gebe es neben dem Vorstand mögliche weitere Tatverdächtige.

Mit der neuerlichen Durchsuchung bei Wirecard war seit Tagen gerechnet worden. Mit dem Fall befasste Anwälte hatten sich darauf eingestellt, dass die Staatsanwaltschaft München I nach einer ersten Durchsuchung am 5. Juni noch einmal in weit größerem Umfang als damals zuschlagen würde. Damals war es rein um den Verdacht gegangen, der alte, von Braun geleitete Wirecard-Vorstand habe im Frühjahr die bevorstehenden Ergebnisse einer Sonderprüfung falsch dargestellt. Dieses Manöver habe, so der Verdacht, den Aktienkurs stabilisieren sollen.

Jetzt geht es auch um den Verdacht der Bilanzfälschung in großem Stil. Vor knapp zwei Wochen hatte sich herausgestellt, dass bei Wirecard fast zwei Milliarden Euro fehlen. Dieses Geld, das angeblich auf Bankkonten auf den Philippinen gelegen haben sollte, war offenbar nie vorhanden. Im Gegensatz zur ersten Durchsuchung, die in eher kleinerem Rahmen erfolgte, handelt es sich bei der neuerlichen Aktion um eine groß angelegte Razzia.

Zwölf Staatsanwälte sind vor Ort und werden dabei von 33 Polizeibeamten und weiteren IT-Fachleuten des Polizeipräsidiums München unterstützt. In Österreich, wo im Wege der Rechtshilfe durchsucht wird, sind dortige Beamte im Einsatz. Ziel der groß angelegten Aktion ist es, sämtliches noch vorhandenes Material sicherzustellen, das Aufschluss über Manipulationen aller Art bei Wirecard geben könnte.

Beim Kriminalfall Wirecard handelt es sich um einen der größten Wirtschaftsskandale in der jüngeren deutschen Geschichte. Wirecard war in den vergangenen Jahren in den Deutschen Aktienindex (Dax) aufgerückt, in dem die führenden Konzerne des Landes versammelt sind; von Adidas über Bayer, BMW, Daimler, Siemens und Telekom bis hin zu Volkswagen. Wirecard ist der erste Dax-Konzern, bei dem sich ein Bilanzloch in dieser Größenordnung auftut und zu einem Insolvenzverfahren führt. Am Montag hat ein Insolvenzverwalter die Geschäfte bei Wirecard übernommen. Mehr als 5000 Jobs stehen auf dem Spiel.

Markus Brauns Anwalt Alfred Dierlamm bestätigte auf Anfrage, dass auch das Domizil seines Mandanten in Wien durchsucht wird. Braun ist Österreicher und lebt mit seiner Familie in Wien. Dierlamm sagte, "mein Mandant kooperiert weiter mit den Behörden". Braun halte sich in München auf und werde sich dort heute gemäß seinen Auflagen bei der Polizei melden. Der langjährige Wirecard-Chef war vergangene Woche aufgrund eines Haftbefehls festgenommen und gegen eine Kaution von fünf Millionen Euro und weitere Auflagen wieder freigelassen worden. Zu diesen Auflagen zählt auch, dass er sich jeden Mittwoch bei einer bestimmten Polizeidienststelle in München melden muss. Am Dienstag kam es für Braun noch schlimmer: Wirecard kündigte ihm nachträglich fristlos. Zwar war er bereits vor zwei Wochen von seinem Vorstandsposten zurückgetreten, doch hängen an Arbeitsverträgen oftmals auch Abfindungen oder Absprachen zur Altersvorsorge.

Der andere Ex-Vorstand von Wirecard, gegen den ein Haftbefehl erging, Jan Marsalek, hat sich nach Bekanntwerden des Bilanzlochs in Höhe von fast zwei Milliarden Euro ins Ausland abgesetzt. Über seinen Anwalt hatte er zuerst signalisiert, er wolle zurückkommen und sich ebenso wie Braun den Ermitteln stellen. Das war dann allerdings nicht der Fall. Marsalek gilt als einer der Hauptverantwortlichen für viele dubiose Geschäfte bei Wirecard. Er und Braun hatten während ihrer Amtszeit bei dem Zahlungs-Dienstleister stets alle Vorwürfe zurückgewiesen; darunter auch den Verdacht, die Bilanzen seien geschönt.

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