Wirecard:Fragen ist umsonst

Wirecard: Ex-Wirecard-Boss Markus Braun und seine Anwälte Alfred Dierlamm and Nico Werning im Gerichtssaal.

Ex-Wirecard-Boss Markus Braun und seine Anwälte Alfred Dierlamm and Nico Werning im Gerichtssaal.

(Foto: Lukas Barth/Reuters)

Stundenlang stellen die Verteidiger-Teams von Ex-Wirecard-Boss Markus Braun und seinem früheren Chefbuchhalter Stephan E. eine Frage nach der anderen. Und erhalten keine einzige Antwort.

Von Johannes Bauer und Stephan Radomsky

Wer fragt, der erwartet Antworten. Meistens zumindest. Nicht aber am Mittwoch, nicht im Wirecard-Prozess. Gefragt wird viel an diesem Tag, Hunderte Fragen an den Kronzeugen werden im Gerichtssaal verlesen, stundenlang. Seine Reaktion: Schweigen, auch stundenlang. Das Bizarre daran: Alle Beteiligten hatten sich bereits vorab verständigt, dass es exakt so laufen würde.

Der Tag ist ein Kompromiss. Markus Födisch, der Vorsitzende Richter im Wirecard-Prozess, hat ihn vermittelt zwischen dem Team von Oliver Bellenhaus, dem früheren Statthalter von Wirecard in Dubai und heutigen Kronzeugen, und den Verteidigern seiner beiden Mitangeklagten, dem Ex-Wirecard-Boss Markus Braun und dem früheren Chefbuchhalter des Konzerns, Stephan E. Denn einerseits hat Bellenhaus als Angeklagter das Recht, die Antwort zu verweigern. Andererseits haben die Anwälte der anderen das Recht, ihn nach seiner Aussage zu konfrontieren. Also fragen die einen und der andere schweigt.

Es ist ein absurd anmutendes Schauspiel. An dessen Ende finden die Anwälte trotzdem, die Rechte ihrer Mandanten seien verletzt worden, und fordern, dass Bellenhaus' Aussage nicht fürs Urteil verwertet wird. Und Födisch ist wenig amüsiert.

Insgesamt 90 Seiten mit Fragen

50 Seiten hatte zuvor allein Brauns Verteidiger Alfred Dierlamm verlesen, dazu noch einmal gut 40 Seiten Stephan E.s Anwältin Stephanie Kamp, stundenlang, Frage um Frage. Es geht um deftig mit Schimpfwörtern gewürzte Mails und die Gästeliste von Bellenhaus' Hochzeit. Um 500-Euro-Flaschen Rotwein mit dem geflüchteten Ex-Vorstand Jan Marsalek, um Bellenhaus' Patenkind und um den wenig schmeichelhaften Spitznamen von Stephan E. Viele farbenfrohe Details.

Vor allem aber geht es um die Frage: Wie glaubwürdig ist Bellenhaus, welchen Wert haben also die umfangreichen Vorwürfe, die er seinen früheren Vorgesetzten macht? Also geht es um die Beziehung zu seinen Ex-Kollegen und -Chefs, seinen Umgang mit Daten, Servern und Clouds, um private Geldgeschäfte und die Frage, woher das Geld kam. Ausführlich drehen sich die Fragen deshalb auch um ein verwirrendes Geflecht aus Firmen in Asien und der Karibik und die Zahlungsflüsse zwischen ihnen. Sie sollen, so stellen es Braun und seine Anwälte seit Monaten dar, genutzt worden sein, um Hunderte Millionen Euro aus dem sogenannten Drittpartner-Geschäft mit Zahlungsabwicklung aus dem Wirecard-Konzern herauszuschleusen - und zwar von Marsalek und Bellenhaus.

"Der Kern, auf den sich alles ausgerichtet hat"

Über Wochen hat Bellenhaus vor Gericht eine ganz andere Version geschildert: Dass es nie ein echtes Drittpartner-Geschäft in dem riesigen Umfang gab, in dem es in den Wirecard-Bilanzen stand. Dass er die Abermillionen Kreditkarten-Transaktionen in Asien erfunden habe, auf Bestellung und passend zu den Vorgaben aus der Konzernzentrale. Dass er der "Rain-Maker" gewesen sei und "der Fixer": Der Mann, der Geld regnen ließ und dafür alle Probleme aus dem Weg räumte. Und dass er dabei nicht allein war.

Er, seine beiden Mitangeklagten, außerdem Marsalek und der frühere Finanzvorstand Burkhard Ley seien "ein Team" gewesen. Die "operativen Säulen des Betrugs" seien dabei er und Stephan E. gewesen, Braun "der Kern, auf den sich alles ausgerichtet hat", so seine Version. "Der Hofstaat hatte sich ihm unterzuordnen."

Alle Angeklagten hier wären demnach tief verstrickt in einen mutmaßlichen spektakulären Betrug, der am Ende zur wohl größten Firmenpleite der deutschen Nachkriegsgeschichte führte, mit einem Verlust in Höhe von vielen Milliarden Euro für Gläubiger und Aktionäre. Genug Grund also, noch mal nachzufragen.

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