Wirecard:Nur ein Zwischenschritt

Der Bezahldienstleister Wirecard ist im Dax. Anders als Banken setzte die Firma früh auf digitale Technik. Und Chef Markus Braun glaubt: das Beste kommt noch.

Von Nils Wischmeyer

Gefeiert hat er nicht, das Ergebnis nicht einmal live verfolgt. Tagsüber war er im Büro in Aschheim bei München, abends auf einer Veranstaltung. Für Wirecard-Chef Markus Braun war der 5. September ein ganz normaler Tag, dabei hat seine Firma einen großen Schritt gemacht: Sie ist offiziell zum Dax-Mitglied gekürt worden. Das verkündete das zuständige Komitee am späten Mittwochabend. Der Schritt ist gewaltig. Denn der Zahlungsdienstleister mit nur etwas mehr als 5000 Mitarbeitern springt als zweites Unternehmen überhaupt vom TecDax in den Dax.

Und doch bleibt Braun entspannt, für ihn ist es sowieso nur ein Zwischenschritt: "Was wir in den nächsten 15 Jahren erschaffen, wird das, was wir in den vergangenen 15 Jahren geschafft haben, in den Schatten stellen", sagt er. Die Aussage passt zu den Plänen des Chefs: Er träumt von einer bargeldlosen Gesellschaft.

Das ist kein Wunder, verdienen seine Firma ihr Geld doch mit dem digitalen Bezahlen. Wirecard stellt Händlern im ersten Schritt möglichst viele Bezahlarten zur Verfügung, etwa Paypal, Giropay oder Kreditkarten. Zu den Kunden gehören Aldi, WMF oder Viessmann. Wenn deren Kunden etwas kaufen, wickelt Wirecard die Zahlung ab und springt ein, wenn etwas schiefgeht (siehe Grafik. Dafür wird Wirecard prozentual belohnt. Und mit jedem Euro, den die Kunden von Wirecard online und nicht bar einnehmen, kassiert der Dienstleister ab. Früher haben Banken den Prozess betreut, doch haben die wenigsten den Sprung ins Digitale geschafft. Ein Fehler? Wahrscheinlich.

Denn bei Wirecard läuft es prächtig. In den vergangenen Jahren wuchs die Firma zweistellig, an der Börse überholte sie die Deutsche Bank und ist heute mehr als 20 Milliarden Euro wert. "Selbst wenn man 2008 mitrechnet, haben wir eine jährliche Kurs-Performance von 43 Prozent", rechnet Braun vor. Das hat vielen Aktionäre hübsche Summen beschert und Braun, der selbst sieben Prozent am Unternehmen hält, sehr reich gemacht.

An Zukunftsplänen mangelt es nicht. "Das Bezahlen tritt komplett in den Hintergrund und wird voll digitalisiert - auf allen Kanälen, ob im Geschäft, online oder mobil. Das wollen wir erreichen", sagt Braun. Seine Firma investiert in diese Entwicklung Millionen, bis zu sieben Prozent des Ertrags fließen in die Forschung, die Hälfte aller Wirecard-Mitarbeiter arbeitet in der Forschung und Entwicklung.

Schon 2007 hat Wirecard in Asien viele Firmen aufgekauft - das zahlt sich aus

Das Ziel: Mehr Menschen vom bargeldlosen Bezahlen überzeugen. Denn heute werden 85 Prozent aller Zahlungen weltweit noch bar getätigt. Mit jedem Prozent mehr digitalem Bezahlen verdient Wirecard mehr Geld. Es ist ein Markt, der offensichtlich noch viel Potenzial bietet.

Allein ist Wirecard in dem Feld nicht. Alte, etablierte Zahlungsdienstleister haben noch beachtliche Marktanteile und das niederländische Konkurrenz-Start-up Adyen hat gerade einen fulminanten Börsengang hingelegt. Wirecard hat aber zwei Vorteile: Das Unternehmen hat eine weitaus höhere Marge als die Konkurrenten und investiert seit Jahren große Summen in die Zukunft. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter arbeitet in Forschungs-Hubs in der ganzen Welt verteilt. Die Teams verfolgen vier bis fünf große Trends, dazu gehören die Themen Blockchain, maschinelles Lernen oder digitales Bezahlen an Ladenkassen. Braun wacht über die Prozesse und schaltet sich immer mal wieder ein. "Wir denken immer vom Mehrwert her und entwickeln daraufhin Technologie", sagt er. Eine Bank will er nicht sein. Er ist ein Techie, und wie eine Tech-Firma setzt er auf Wachstum in Zukunftsmärkten.

In China und Südostasien, wo das Geschäft mit dem bargeldlosen Bezahlen zum Alltag gehört, macht Wirecard schon heute mehr als 40 Prozent seines Umsatzes. Bereits 2007 stieg Braun dort in großem Stil ein, kaufte Firmen für mehrere hundert Millionen Euro im heute wichtigsten Markt. "Weitsichtig, fast schon visionär" nennt ein Analyst diesen Schritt im Nachhinein. In Deutschland wickelt Wirecard Zahlungen von Alipay oder WeChatPay ab. Die beiden chinesischen Apps sind wesentlich weiter entwickelt als die Dienste Apple- oder Google Pay. Kunden können mit ihnen an der Kasse bezahlen. Gleichzeitig testet Wirecard mit Mastercard oder Orange laufend neue Verfahren, die die Menschen zum digitalen Bezahlen locken sollen, sowohl online als auch im stationären Einzelhandel. Seit 2006 hat Wirecard zudem eine Banklizenz, bietet eigene Karten und mit boon eine Bezahlapp an. Man selbst sieht sich als Vorreiter.

Doch nicht immer lief das Geschäft so gut. Als Braun nach der Jahrtausendwende übernahm, war das Unternehmen fast pleite. Er baute es wieder auf, brachte es 2005 an die Börse und wehrte über die Jahre etliche Attacken von Spekulanten erfolgreich ab. Für die neuen Pläne, die Braun nach dem Aufstieg in den Dax schmiedet, bekommt er von Analysten Vorschusslorbeeren. Ein Großteil empfiehlt den Kauf der Aktie.

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