Bilanzskandal:Finanzaufsicht zeigt Mitarbeiter wegen Wirecard-Geschäften an

Bafin in Frankfurt

Innerhalb der Finanzsaufsichtsbehörde hatten zahlreiche Mitarbeiter Geschäfte mit der Wirecard-Aktie gemacht.

(Foto: Boris Roessler/dpa)

Ein Mitarbeiter der Bafin steht unter Verdacht, verbotene Geschäfte mit der Wirecard-Aktie gemacht zu haben. Er wurde freigestellt.

Von Jan Willmroth

Die Finanzaufsicht Bafin hat einen ihrer Mitarbeiter wegen des Verdachts des Insiderhandels im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal angezeigt. Der Beschäftigte der Abteilung Marktaufsicht habe am 17. Juni 2020 strukturierte Produkte mit dem Basiswert Wirecard verkauft, teilte die Bafin am Donnerstag mit. Mit solchen spekulativen Produkten können Anleger je nach Ausgestaltung überproportional an steigenden oder an fallenden Aktienkursen profitieren.

Die zeitliche Abfolge seiner Geschäfte wurde dem Mitarbeiter jetzt zum Verhängnis. Einen Tag, nachdem er seine Derivate verkauft hatte, machte Wirecard ein Bilanzloch von 1,9 Milliarden Euro öffentlich. Eine Woche später meldete der Wirecard-Konzern dann Insolvenz an. Mit dem Verkauf seiner Derivate-Position hat der Mitarbeiter mutmaßlich hohe Verluste vermieden. Sollte sich der Verdacht erhärten, dass der Mann vorab von den Schwierigkeiten bei Wirecard erfahren hatte, wäre das verbotener Insiderhandel. Die Bafin hat den Mitarbeiter laut Mitteilung vom Donnerstag freigestellt und Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart gestellt.

Der im Wirecard-Skandal ins Kreuzfeuer geratene Bafin-Präsident Felix Hufeld hatte sich wiederholt vor seine Mitarbeiter gestellt. Innerhalb der Behörde hatten zahlreiche Mitarbeiter verschiedener Abteilungen in den vergangenen Jahren Geschäfte mit der Wirecard-Aktie gemacht, verstärkt in den Monaten vor der Pleite. Da Wirecard als Konzern nicht direkt der Finanzaufsicht unterstand, war das grundsätzlich erlaubt, musste aber jeweils von den Vorgesetzten der Mitarbeiter freigegeben werden. Hufeld hatte bislang stets betont, die Bafin-Mitarbeiter hätten internen Untersuchungen zufolge nichts Unrechtes getan. Allerdings dauerten die Untersuchungen an, hatte er im November betont.

Oppositionspolitiker fordern Neuanfang an der Spitze der Bafin

Bei diesen Untersuchungen hat die Bafin nun nach eigenen Angaben den Insiderhandelsverdacht entdeckt. Die Finanzaufsicht habe den Beschäftigten sofort freigestellt und ein Disziplinarverfahren eröffnet, teilte sie mit. Erst im Oktober hatte die Behörde die Regeln für die privaten Wertpapiergeschäfte ihrer Mitarbeiter verschärft. Private Geschäfte mit der Wirecard-Aktie hatten im Dezember den Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas den Job gekostet.

Im politischen Berlin löste die Nachricht von der Bafin-Strafanzeige Irritationen aus. "Das Problem ist ja nicht nur, dass sich möglicherweise ein Mitarbeiter unzulässig bereichert hat", sagte der FDP-Obmann im Wirecard-Untersuchungsausschuss, Florian Toncar. Noch schlimmer sei die Vorstellung, dass ein Bafin-Mitarbeiter, der mit dem Fall Wirecard befasst war, ein Eigeninteresse am Wohlergehen des Konzerns hatte. Von Bundesfinanzminister Olaf Scholz forderte Toncar "einen Neuanfang an der Spitze der Bafin".

Der Minister nannte den Vorgang am Donnerstag "schwerwiegend". "Sollte sich der Verdacht auf Insiderhandel bestätigen, stellen sich viele Fragen", sagte Scholz. Er verwies auf die bereits verschärften Regeln für private Geschäfte von Bafin-Mitarbeitern und sagte, der Fall belege den Reformbedarf bei der Behörde. Die Ergebnisse einer "Untersuchung zur organisatorischen Neuaufstellung der Bafin" wolle Scholz in den kommenden Tagen vorlegen.

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