Milliardenskandal:Ex-Wirecard-Vorstand Marsalek - Suche auf den Philippinen

Wirecard

Wirecard verfügt über Lizenzen der großen Kreditkartenfirmen. Noch ist unklar, was daraus wird.

(Foto: dpa)

Die Geldwäsche-Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Bilanzskandal bei Wirecard weiten sich aus. Auch die Wirecard-Kunden werden nervös - manche schauen nach Alternativen.

Die Philippinen haben Geldwäsche-Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Bilanzskandal beim Dax-Konzern Wirecard eingeleitet - und eine Suche nach Ex-Vorstand Jan Marsalek. Justizminister Menardo Guevarra sagte am Mittwoch, er habe die Einwanderungsbehörde angewiesen, die Möglichkeit zu prüfen, ob Marsalek im Land sein könnte.

Die Aufzeichnungen der Einwanderungsbehörde zeigten, dass Marsalek am 3. März in Manila war, aber zwei Tage später abreiste, sagte Guevarra Reportern. "Es gibt jedoch einige Hinweise darauf, dass er kürzlich zurückgekehrt ist und möglicherweise noch dort ist", fügte er hinzu. Marsalek galt bei Wirecard als rechte Hand des gestürzten Vorstandschefs Markus Braun. Er war für das Tagesgeschäft verantwortlich, wurde aber vergangene Woche zuerst suspendiert, am Montag dann entlassen. Der Manager war jahrelang als Chief Operating Officer für das Tagesgeschäft zuständig gewesen.

Wirecard hatte am Montag eingeräumt, dass 1,9 Milliarden Euro, die auf Treuhandkonten in den Philippinen verbucht sein sollten, sehr wahrscheinlich nicht existieren. Die philippinische Zentralbank teilte am Sonntag mit, die fehlenden Gelder seien nicht in das Finanzsystem des Landes geflossen. Guevarra sagte ferner, er habe keine Informationen darüber, ob Wirecard auf den Philippinen tätig sei. Er habe jedoch die Ermittlungsbehörde National Bureau of Investigation (NBI) angewiesen, mit dem Anti-Geldwäsche-Rat AMLC zusammenzuarbeiten, um den Fall zu untersuchen. "NBI und AMLC werden zusammenarbeiten, sofern es Hinweise auf Geldwäsche gibt", sagte er.

Wirecard-Kunden werden nervös

Der Skandal um vermutete Bilanzmanipulationen bei Wirecard macht mittlerweile wohl auch die Kunden des Unternehmens nervös. In Singapur teilte nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg der Fahrdienstleister Grab mit, dass er die Integrationsvorbereitung für eine geplante Partnerschaft mit Wirecard nicht beginnen wolle. Der französische Telekommunikations-Konzern Orange wiederum werde für seine Tochter Orange Bank in Kürze auf einen neuen Zahlungspartner umschwenken, berichtet Bloomberg unter Berufung auf informierte Kreise. Ein Orange-Sprecher habe eine Stellungnahme abgelehnt. Die Zusammenarbeit beider Firmen reicht mindestens bis 2013 zurück.

Lizenzen von Kreditkartenfirmen von großer Bedeutung

Der niederländische Arm der Fluggesellschaft Air France-KLM prüft nach Angaben eines Sprechers die Lage. Die Londoner Onlinebank Revolut hat sich entschieden, Kunden auf einen anderen Anbieter umzustellen, um Probleme beim Service zu vermeiden. Mindestens genauso dringend wie die Sicherung der Kundenbasis ist für den neuen Wirecard-Interims-CEO James Freis, die Zusammenarbeit mit den Kreditkarten-Anbietern zu sichern.

Wirecard verfügt über Lizenzen von Mastercard, Visa und JCB International. Über sie gibt die Banksparte des Konzerns ihre Karten aus. Wenn Wirecard die verschollenen 1,9 Milliarden Euro nicht auffinden kann, könnten sich die Kreditkartenfirmen gezwungen sehen, die Lizenzen zu widerrufen. Ein Wirecard-Sprecher lehnte eine Stellungnahme ab.

"Ob sie die Lizenzen von Visa und Mastercard halten können, ist die große Frage", sagt Analyst Neil Campling von der Schweizer Bankengruppe Mirabaud. "Ohne sie haben sie kein Geschäft mehr." Ein Mastercard-Sprecher erklärte, das Unternehmen verfolge die Entwicklung bei Wirecard, wollte sich zu den Gesprächen mit einzelnen Kunden aber nicht äußern. Eine Sprecherin von Visa sagte, man beobachte weiterhin, was vor sich gehe.

Unterdessen hat der frühere Vorstandschef Markus Braun die fünf Millionen Euro Kaution für seine Freilassung aus der Untersuchungshaft bezahlt. Das sagte ein Sprecher des Münchner Amtsgerichts. Das Geld sei noch am Dienstagnachmittag hinterlegt worden. Braun wurde anschließend auf freien Fuß gesetzt. Abgesehen von der hohen Kaution muss sich Braun für die Dauer der Ermittlungen wöchentlich bei der Polizei melden. Die Staatsanwaltschaft wirft Braun in der Affäre um mutmaßliche Luftbuchungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro unrichtige Darstellung der Wirecard-Bilanzen und Marktmanipulation vor.

Wirecard hat nach Angaben seiner Internetseite mehr als 313 000 Firmen als Kunden. Der Zahlungsanbieter aus Aschheim bietet seine Dienste in 26 Ländern an.

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