Süddeutsche Zeitung

Wirecard:Ärger für Staatsbank KfW wegen Wirecard-Kredit

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Verantwortliche der KfW. Es geht um den Verdacht, dass ein 100-Millionen-Kredit ohne ausreichende Sicherheiten gewährt worden sein könnte.

Von Frederik Obermaier, Klaus Ott und Jörg Schmitt

Die Wirecard-Affäre ist für Finanzminister Olaf Scholz und für die Bundesregierung schon lästig genug, doch jetzt gibt es noch mehr Ärger. Nicht nur für Scholz, sondern auch für Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Letzterer ist Chef des Verwaltungsrats der KfW, des Aufsichtsgremiums der Staatsbank; Scholz ist sein Stellvertreter.

Die KfW-Tochter Ipex-Bank hatte der Wirecard-Gruppe 100 Millionen Euro geliehen, das Geld ist weg, und dafür hat die Staatsbank nun die Polizei und die Staatsanwaltschaft im Haus. Ein KfW-Sprecher bestätigte auf Anfrage, dass "Polizei und Staatsanwaltschaft in den Geschäftsräumen der KfW Ipex-Bank Ermittlungen im Zusammenhang mit unserer Finanzierung für Wirecard durchgeführt haben". Details nannte die KfW nicht.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt geht dem Verdacht nach, die 100 Millionen Euro könnten von der KfW-Tochter Ipex ohne ausreichende Sicherheiten verliehen worden sein. Das könnte sich, sollte diese Vermutung zutreffen, als Veruntreuung von KfW-Vermögen erweisen. Die Staatsanwaltschaft erklärte, sie ermittele gegen Verantwortliche einer Bank in Frankfurt. Es gehe um den Anfangsverdacht der Untreue. Dem Institut werde vorgeworfen, der Wirecard AG 2018 eine Kreditlinie über 100 Millionen Euro gewährt und diese 2019 verlängert zu haben, ohne Absicherungsgeschäfte abzuschließen, um sich vor Verlusten zu schützen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt nannte den Namen der Bank nicht. Dass die KfW gemeint ist, daran gibt es aber keinen Zweifel.

Bei einer neuen Razzia in der Konzernzentrale von Wirecard in Aschheim bei München ging es am Dienstag auch um die Frankfurter Ermittlungen. Zudem suchte die Staatsanwaltschaft München I nach weiterem Material für ihr Wirecard-Verfahren, bei dem es jetzt auch um Geldwäsche geht.

Die Münchner Strafverfolger verdächtigen den alten Konzernvorstand um Vorstandschef Markus Braun und den untergetauchten Jan Marsalek, Banken und andere Geldgeber um einen Milliardenbetrag betrogen zu haben. Braun sitzt in Untersuchungshaft, er bestreitet alle Vorwürfe. Mutmaßlich betrogene Banken-Manager könnten sich ihrerseits strafbar gemacht haben, falls Kredite ohne die erforderlichen Sicherheiten ausgereicht worden wären. Das gilt auch für die KfW.

Der Wirecard-Kredit ist nicht der erste Fehler bei der KfW

Scholz und Altmaier müssen sich nun auf neuen Ärger im Bundestag gefasst machen, der zur Wirecard-Affäre ohnehin schon einen Untersuchungsausschuss eingesetzt hat. Die Kernfrage in Sachen KfW lautet: Wie kann es sein, dass die staatliche Bankengruppe 2019 die Kreditlinie für die Wirecard AG verlängert hat, die damals schon wegen des Verdachts von Unregelmäßigkeiten öffentlich schwer in die Kritik geraten war. Zumal das nicht der erste Fehlgriff der KfW in den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren war. Wird die Staatsbank, die zu 80 Prozent dem Bund und zu 20 Prozent den Bundesländern gehört, nicht ausreichend kontrolliert? Dem von Altmaier und Scholz geleiteten Verwaltungsrat gehören vor allem Vertreter von Bund, Ländern und Wirtschaft an.

Spätestens seit Anfang 2019, als die britische Zeitung Financial Times immer mehr merkwürdige Vorgänge bei Wirecard enthüllte, stand der Zahlungsdienstleister vehement in der Kritik. Die deutsche Finanzaufsicht Bafin ging allerdings nicht gegen Wirecard vor, sondern gegen FT-Journalisten. Ob neben der Bafin auch andere Behörden im Fall Wirecard versagten und welche Konsequenzen für die Finanzaufsicht daraus zu ziehen sind, soll der Untersuchungsausschuss im Bundestag klären. Der Ausschuss wird sich nun vermutlich auch um die Vorgänge bei der KfW und um deren Kontrolle kümmern.

2019 hätte die Staatsbank jedenfalls noch genügend Zeit gehabt, die 100 Millionen Euro zu retten. Wirecard hatte sich im Herbst 2019 von Investoren 1,4 Milliarden Euro besorgt und damit Kredite bei den Hausbanken in Höhe von mehr als einer Milliarde Euro vorübergehend getilgt. Die Hausbanken bestanden aus einem Konsortium von 15 Geldinstituten aus Deutschland und dem Ausland, zu denen die KfW nicht zählte. Deren Kredit lief extra. Das Bankenkonsortium, darunter die Commerzbank und die Landesbank Baden-Württemberg, hat bei Wirecard insgesamt 1,6 Milliarden Euro verloren.

Mehrere Institute, darunter auch die KfW, haben ihre Forderungen an Wirecard inzwischen einer Gesellschaft namens Trinity Investments aus Dublin verkauft. Die KfW-Tochter Ipex hat aber bei Weitem keine 100 Millionen Euro von Trinity bekommen. Finanzfirmen wie Trinity kaufen solche Forderungen mit hohen Preisabschlägen auf und hoffen, dass doch noch Geld zurückfließt oder Schadenersatzklagen erfolgreich sind. Wie groß bei der 100-Millionen-Forderung der KfW der Preisabschlag für Trinity war, wollte die Staatsbank bislang nicht sagen. Über die "konkreten Konditionen wurde wie üblich bei entsprechenden Verkäufen Stillschweigen vereinbart", erklärte die KfW Ende August.

Seit der Pleite der Wirecard AG versucht Insolvenzverwalter Michael Jaffé durch den Verkauf von Konzernteilen, Geld für die Gläubiger hereinzuholen. Die 3,2 Milliarden Euro, die Wirecard sich von Banken und Investoren geliehen hatte, dürften aber bei Weitem nicht zusammenkommen.

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SZ vom 30.09.2020
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