Süddeutsche Zeitung

Wirecard-Skandal:Marsalek soll Braun 14 Millionen Euro schulden

Als Wirecard-Chef gab Markus Braun seinem Vorstandskollegen Jan Marsalek einen Privatkredit. Doch der ist nun weg - und mit ihm das Geld.

Von Hannes Munzinger, Klaus Ott und Jörg Schmitt

Es war so etwas wie ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk, das die Nummer zwei bei Wirecard, Jan Marsalek, im Dezember 2017 von der Nummer eins, Markus Braun, erhielt. Kurz vor den Feiertagen gewährte der Konzernchef über seine Firma MB Beteiligungs GmbH seinem Vorstandskollegen Marsalek einen privaten Kredit über 50 Millionen Euro. Der Vertrag, von Marsalek am 18. und von Braun am 19. Dezember 2017 unterzeichnet, enthielt nicht mal irgendeine Sicherheit. Wofür auch? Marsalek sei seine Sicherheit gewesen, soll Braun der Staatsanwaltschaft München I vor einigen Wochen bei einer Vernehmung erzählt haben.

Die Strafverfolger verdächtigen den in Untersuchungshaft sitzenden Braun, den untergetauchten Marsalek und weitere Beschuldigte unter anderem des Betrugs in Milliardenhöhe bei Wirecard. Braun weist das entschieden zurück.

Bei ihren Ermittlungen stießen die Fahnder auch auf den Privatkredit zwischen den einstigen Top-Managern von Wirecard. Die Strafverfolger finden einiges merkwürdig an diesem Vorgang, der Braun eine Menge Geld gekostet haben soll. Nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler hat Marsalek das 50 Millionen Euro Darlehen nie vollständig zurückgezahlt, sondern schuldet seinem Ex-Chef inklusive Zinsen noch 14 Millionen Euro.

Doch nun ist Marsalek weg und mit ihm das noch fehlende Geld. Laut Kreditvertrag waren die 50 Millionen als gemeinsames Investment in ein neues Geschäftsmodell gedacht. Es ging um einen (im Kreditvertrag nicht namentlich erwähnten) Lebensmittel-Lieferservice. Online bestellen, zu Hause genießen. Laut Vertrag war Marsalek verpflichtet, seinem Geldgeber Braun über die ordnungsgemäße Verwendung des Darlehens Bericht zu erstatten.

Der Kredit soll einen Streit ausgelöst haben

Brisant wurde das Ganze aus Sicht der Ermittler Ende 2019. Damals musste Braun selber einen privaten Kredit über 150 Millionen Euro bei der Deutschen Bank zurückzahlen. Einen Teil des Geldes der Deutschen Bank hatte Braun dafür genutzt, seinerseits Marsalek den Privatkredit über die 50 Millionen Euro zu gewähren. Doch Marsalek ließ sich Zeit mit der Rückzahlung, 47 Millionen Euro standen seinerzeit noch offen. Im Dezember 2019 soll es darüber zum Streit zwischen Braun und Marsalek gekommen sein. Die Staatsanwaltschaft hat Braun bei Vernehmungen vor einigen Wochen auch zum Privatkredit befragt. Braun soll laut Protokoll Folgendes erzählt haben:

Er, Braun, habe den Kreditvertrag mit Marsalek gekündigt und das noch fehlende Geld zurückgefordert. Marsalek habe erklärt, das gehe nicht so schnell, es gebe Probleme. Auch habe Marsalek ihm, Braun, ein Schriftstück zukommen lassen, wonach die 47 Millionen Euro auf einem Treuhandkonto einer Gesellschaft auf der Isle of Man lägen. Die Insel zwischen Großbritannien und Irland gilt als Steueroase. Ein paar Tage später sei ein Telefonat etwas eskaliert, Marsalek habe einfach aufgelegt. Braun soll den Ermittlern sogar gesagt haben, Marsalek habe ihn hängengelassen.

Nach Erkenntnissen der Ermittler blieb Braun nichts anderes übrig, als sich für die Rückzahlung seines Deutsche-Bank-Darlehens auch einen Kredit im eigenen Konzern zu besorgen, bei der Wirecard Bank. Den musste er am 1. April 2020 wieder zurückzahlen. Just an diesem Tag überwies Marsalek endlich einen Teil seiner Schulden bei Braun. 35 Millionen Euro gingen bei der MB Beteiligungs GmbH ein. Was die Fahnder stutzig macht: Dieses Geld wiederum soll sich Marsalek mit Brauns Hilfe bei Wirecard besorgt haben. Wirecard gewährte Ende März 2020 einer Firma in Asien einen Kredit über 100 Millionen Euro. Ein Teil davon soll über Litauen und die besagte Gesellschaft auf der Isle of Man an Marsalek und von diesem an Braun weitergeleitet worden sein. So steht es im Haftbefehl gegen Braun. Wurden Firmengelder abgezweigt, um einen Privatkredit zu bedienen?

Der Ex-Wirecard-Chef will davon nichts gewusst haben. Er bleibt laut Justizakten bei seiner Version. Marsalek habe ihn auch hier getäuscht. Und er, Braun, habe dabei auch noch viel Geld verloren.

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