Bilanzskandal:Mehr als eine Milliarde Euro für Wirecard-Gläubiger

Bilanzskandal: Schauplatz eines großen Schwindels: Die frühere Wirecard-Firmenzentrale in Aschheim bei München. Der Schriftzug ist längst abmontiert.

Schauplatz eines großen Schwindels: Die frühere Wirecard-Firmenzentrale in Aschheim bei München. Der Schriftzug ist längst abmontiert.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der Insolvenzverwalter des früheren Dax-Konzerns Wirecard hat mehr als 200 Millionen Euro von der Wirecard-Bank für die Gläubiger gesichert. In seinem neuen Zwischenbericht bleiben wichtige Fragen aber weiter ungeklärt.

Die Gläubiger des insolventen Zahlungsdienstleisters Wirecard erhalten wohl mehr Geld zurück als bislang erwartet. Der Insolvenzverwalter des Zahlungsdienstleisters, Michael Jaffé, hat fast 227 Millionen Euro gesichert, die die Wirecard AG auf den Konten der ehemaligen Tochter Wirecard Bank geparkt hatte. Das geht aus dem jüngsten Sachstandsbericht Jaffés per Ende Mai hervor, der der Nachrichtenagentur Reuters und der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die Finanzaufsicht Bafin hatte das Geld nach der Pleite zunächst eingefroren, es aber mittlerweile freigegeben, nachdem bei der Abwicklung der Bank keine wesentlichen weiteren Risiken mehr zu Tage traten.

Insgesamt hat Jaffé im Zuge des Insolvenzverfahrens damit nach mehr als eine Milliarde Euro erlöst. Die Forderungen der Gläubiger und Aktionäre sind aber ungleich höher. Wie hoch die Insolvenzquote ausfallen könnte, sei derzeit ebenso wenig absehbar wie der Zeitpunkt, zu dem die Gläubiger mit ersten Abschlagszahlungen rechnen könnten, heißt es in dem Bericht.

Vom 1. Juli an soll die Wirecard Bank, auf deren Konten vor zwei Jahren noch 1,64 Milliarden Euro lagen, liquidiert werden. Daraus seien möglicherweise weitere Erlöse zu erwarten, hieß es im Bericht des Insolvenzverwalters. Ein Käufer für die Wirecard-Tochter hatte sich nicht gefunden. Die spanische Bank Santander übernahm nur das Kerngeschäft von Wirecard mit der Zahlungsabwicklung sowie zahlreiche Mitarbeiter, wollte aber nur einzelne Kunden behalten. Die Bafin hatte sich aber dagegen entschieden, auch die Wirecard Bank in die Insolvenz zu schicken. Das Geschäft wird stattdessen geordnet heruntergefahren. Das sei nun so gut wie abgeschlossen, berichtete Jaffé.

Lage für Ex-Wirecard-Aktionäre bleibt unklar

Der Insolvenzverwalter hatte bereits mit dem Verkauf werthaltiger Tochterfirmen rund 850 Millionen Euro erlöst, die den Gläubigern von Wirecard und verschiedener Tochterfirmen zugute kommen. Doch wer im Insolvenzverfahren überhaupt Ansprüche anmelden kann, ist umstritten. Vor allem ist ungeklärt, ob auch die Aktionäre als Gläubiger zu behandeln sind. Von ihnen stammen rund 39.000 der 40.000 Forderungsanmeldungen, insgesamt fordern sie dem Bericht zufolge für ihre Kursverluste 6,7 Milliarden Euro. Der damalige Dax-Konzern Wirecard war vor fast zwei Jahren angesichts eines Bilanzlochs von 1,9 Milliarden Euro zusammengebrochen.

Jaffé hält es inzwischen für erwiesen, dass das angeblich florierende Asien-Geschäft nie existiert hat und Wirecard tatsächlich seit Jahren Verluste schrieb. Er geht auch gegen den ehemaligen Vorstandschef und Großaktionär Markus Braun vor. Das Landgericht München I bestätigte am Donnerstag den Vermögensarrest, den Jaffé Ende 2021 über bis zu 140 Millionen Euro aus dem Privatvermögen von Braun erwirkt hatte. Auch die Münchner Staatsanwaltschaft, die Braun wegen der Pleite des Zahlungsabwicklers angeklagt hat, hat sein Vermögen einfrieren lassen. Jaffé zielt vor allem auf Immobilien Brauns in dessen Heimat Österreich und in Frankreich ab, auf die die deutschen Behörden nur eingeschränkt Zugriff haben.

Der Wirecard-Chef hatte noch wenige Monate vor dem Zusammenbruch einer zweifelhaften Firma in Singapur im Rahmen eines Vorstandsbeschlusses Kredite über 200 Millionen Euro gewährt, obwohl diese schon mit Zahlungen im Rückstand war. Letztlich flossen nur 60 Millionen Euro zurück. Braun sitzt seit fast zwei Jahren in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hält ihn für einen der Hauptverantwortlichen für den jahrelangen Bilanzbetrug bei Wirecard. Der frühere Konzernchef bestreitet alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe und sieht sich zu unrecht verfolgt.

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