Wirecard:Geld für schlechte Berichterstattung?

Wirecard AG CEO Markus Braun Interview As Fintech Company Enters Germany's Benchmark DAX Index

Auch der Vorstandsvorsitzende von Wirecard, Markus Braun, ist Österreicher. Ziel des Unternehmens sei es, sagte der Milliardär imvergangenen Frühjahr, „kraftvoll organisch die Welt zu erobern“. Und die Unregelmäßigkeiten? Für Wirecard sei „die Sache abgeschlossen“.

(Foto: Matthias Doering)

Unbekannte sollen den in Turbulenzen geratenen Zahlungsdienstleister erpresst haben. Die Staatsanwaltschaft in München ermittelt, Anwälte prüfen Sammelklagen.

Von Nils Wischmeyer, Köln

Es war eine spektakuläre Entscheidung, die die Finanzaufsicht Bafin in der vergangenen Woche traf. Ab sofort, so erklärte die Behörde, dürfen die Aktien des Zahlungsdienstleisters Wirecard nicht mehr leer verkauft werden, sprich, es darf nicht mehr auf einen fallenden Kurs der Aktie spekuliert werden.

Begründet hatte die Finanzaufsicht das mit gefährdetem Marktvertrauen. Immerhin war der Aktienkurs von Wirecard nach drei Berichten der Financial Times (FT) über einen möglichen Bilanzskandal stark geschwankt, teilweise sogar um 30 Prozent abgestürzt. Viele Investoren hätten sich zudem Aktien geliehen und auf einen fallenden Kurs gesetzt, hieß es. Dem Handelsblatt zufolge ist in die Entscheidung aber noch eine Information der Staatsanwalt in München eingeflossen, die, wenn sie zutrifft, mehr als brisant wäre.

So soll mindestens eine Person mit "einem Millionenbetrag" versucht haben, Journalisten zu bestechen und so eine schlechte Berichterstattung über Wirecard zu erreichen. Gleichzeitig habe man angeboten, die Berichterstattung zu verhindern, wenn Wirecard einen hohen Geldbetrag zahle. Das bestätigte die Staatsanwaltschaft gegenüber dem Handelsblatt. "Wir haben am Freitag vor einer Woche um 7.30 Uhr ernstzunehmende Informationen von Wirecard erhalten, dass eine neue ShortAttacke geplant ist und dass mit viel Geld versucht wird, Medienberichterstattung zu beeinflussen", sagte die Staatsanwältin in München, Hildegard Bäumler-Hösl, dem Wirtschaftsblatt. Wären die Kurse daraufhin abgestürzt, hätten Leerverkäufer womöglich viel Geld gewonnen.

In den USA hat eine Kanzlei eine Sammelklage gegen das Unternehmen eingereich

Die Hinweise stammen offenbar von Wirecard selbst. Der Zahlungsdienstleister hatte der Staatsanwaltschaft vor nunmehr zwei Wochen gesagt, dass man mit einer weiteren Attacke rechne. Die Behörde hatte die Information an die Finanzaufsicht weitergegeben.

Als die Bafin dann ihr Leerverkaufsverbot aussprach, war der Hinweis ein Teil der gesamten Entscheidung. "Wir haben ausführlich begründet, warum wir das Verbot eingeführt haben, und der Hinweis der Staatsanwaltschaft war nur ein Faktor, den wir berücksichtigt haben", sagte eine Sprecherin der Bafin. Daneben habe es viele weitere Gründe gegeben, etwa einen starken Anstieg an Leerverkaufspositionen.

Inwieweit die Informationen korrekt seien, könne man nicht beurteilen. Das sei Aufgabe der Staatsanwaltschaft.

Wirecard selbst wollte laufende Ermittlungen nicht kommentieren. Man gebe aber alle Informationen, die man habe, an die Staatsanwaltschaft weiter. Das gelte auch für Hinweise auf eine mögliche Attacke durch Leerverkäufer.

Wären die Hinweise korrekt und hätte es tatsächlich sowohl Bestechungs- als auch Erpressungsversuche gegenüber Journalisten und Wirecard gegeben, wäre das eine neue Wendung im Fall Wirecard. Immerhin hält die Staatsanwaltschaft in München die Hinweise für so plausibel, dass sie sie an die Finanzaufsicht weitergegeben hat.

Firmenchef Braun nannte das Ganze ein "Non-Event"

Allerdings bleiben Fragen offen: Wurde das Geld tatsächlich angeboten? Und falls ja: Wer ist der Mittelsmann? Und vor allen Dingen: Wer sollte das Geld annehmen und dann auch noch einen Artikel veröffentlichen, der den Aktienkurs bewegt? Es wäre kaum denkbar, dass ein ernst zu nehmendes und renommiertes britisches Medium wie etwa der Guardian oder die Financial Times Geld für Berichterstattung annehmen würden. Die Münchner Staatsanwaltschaft wollte sich dazu nicht weiter äußern. Die Ermittlungen dauern noch an.

Seit dem ersten Artikel der Financial Times Ende Januar geht es bei Wirecard in Aschheim drunter und drüber. Die britische Zeitung berichtete damals von einem potenziellen Bilanzskandal mit einem möglichen Schaden von einigen Millionen Euro. Demnach sollen mehrere hochrangige Mitarbeiter von Wirecard in Singapur Verträge gefälscht und zurückdatiert haben, um Umsätze intern und vor den Behörden besser aussehen zu lassen. Die Zeitung beruft sich dabei auf eine interne Präsentation, die dem Vorstand von Wirecard vorliegen soll. Darin seien alle Vergehen geschildert. Darüber hinaus zitiert sie Mails von Mitarbeitern aus einem vorläufigen Bericht der Anwaltskanzlei Rajah & Tann. Diese wurde von Wirecard eingesetzt, um den Fall aufzuklären. Ein abschließender Bericht steht noch aus, wird aber bald erwartet.

Wirecard dementierte alle Vorwürfe und sprach von "diffamierenden" Vorwürfen. Chef Markus Braun nannte das Ganze ein "Non-Event." Trotz der Beschwichtigungen brach die Aktie nach den Berichten über den Bilanzskandal um zeitweise mehr als 30 Prozent ein, etwa zehn Milliarden Euro Börsenwert musste die Firma aus Aschheim einbüßen.

Dass der Spuk für Wirecard in naher Zukunft ein Ende hat, ist unwahrscheinlich. In den USA hat eine Kanzlei bereits eine Sammelklage gegen Wirecard eingereicht. Die Aktionäre fühlen sich getäuscht und wollen Schadenersatz von Wirecard. Auch hierzulande prüfen mindestens drei Kanzleien, die auf Sammelklagen nach dem Kapitalmarktrecht spezialisiert sind, ob sie gegen Wirecard vorgehen wollen.

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