Finanzskandal:"Macht diese Zeitung fertig!!"

Finanzskandal: Reporter der Financial Times berichteten früh sehr kritisch über den Wirecard-Konzern.

Reporter der Financial Times berichteten früh sehr kritisch über den Wirecard-Konzern.

(Foto: AP)

Neue Enthüllung im Wirecard-Skandal: Ein Aufsichtsrat der Deutschen Bank hat 2019 den Wirecard-Chef aufgefordert, die "Financial Times" zu attackieren.

Von Cerstin Gammelin, Berlin, Klaus Ott, Jörg Schmitt und Meike Schreiber, Frankfurt

Die Mails, die im Wirecard-Skandal nun auch die Deutsche Bank in Bedrängnis bringen, enthielten etliche Smileys. Doch zum Lachen waren die Botschaften überhaupt nicht, die der Deutsche-Bank-Aufsichtsrat Alexander Schütz und Wirecard-Vorstandschef Markus Braun im Februar 2019 austauschten. Außer um geplante Urlaube und Bootsausflüge am und auf dem Mittelmeer ging es auch um die Financial Times (FT), die damals über mutmaßlich geschönte Zahlen von Wirecard berichtet hatte. "Hab ja in der FT gelesen dass du ganz ein Schlimmer bist", schrieb Schütz im Februar 2019 an Braun und fügte hinzu: "Habe übrigens drei Mal Wirecard-Aktien gekauft letzte Woche, macht diese Zeitung fertig!!"

Bekannt geworden sind diese Mails jetzt im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Jens Zimmermann, der dem Ausschuss angehört, spricht von einem Angriff auf die Pressefreiheit. Und die Deutsche Bank geht auf Distanz zu ihrem Aufsichtsratsmitglied. Schütz selbst hat sich am Freitag entschuldigt. Der Bank-Aufsichtsrat hatte bei dem Mailwechsel auch seine Aufforderung, die FT fertigzumachen, mit einem Smiley versehen. Dieser Satz dürfte dennoch nicht rein ironisch gemeint gewesen sein. Wirecard-Chef Braun verwendete ebenfalls Smileys, etwa bei dem Hinweis, er habe vergangene Woche sein "langjähriges FT-Abo gekündigt". Braun fügte hinzu, er glaube, das werde "jetzt schnell in eine andere Richtung gehen". Der Wirecard-Chef ging offenbar davon aus, dass sich die Berichterstattung der FT über Wirecard in Kürze gegen die britische Zeitung wenden werde.

Wirecard verklagte die FT wenig später auf Schadenersatz. Zudem zeigte die deutsche Finanzaufsicht Bafin zwei FT-Journalisten wegen des Verdachts der Manipulation des Aktienkurses von Wirecard an. Das dadurch ausgelöste Ermittlungsverfahren ist inzwischen eingestellt worden.

"Ich entschuldige mich in aller Form bei der FT und ihren Reportern."

Schütz teilte auf Anfrage der SZ mit, er habe Markus Braun Anfang 2019 geglaubt, dass Wirecard ein integres Unternehmen sei, das zu Unrecht diffamiert werde, und dass es tatsächlich eine mediale Kampagne initiiert von sogenannten Shortsellern gegen das Unternehmen gebe. "Mittlerweile ist klar, dass ich damit falsch lag. Ich entschuldige mich daher in aller Form bei der Financial Times und ihren Reportern für diese emotionale und deplatzierte Äußerung", sagte Schütz. Der heutige Stand der Aufklärung im Wirecard-Skandal zeige im Gegenteil, dass die Financial Times mit ihren Recherchen einen wesentlichen Beitrag zur Enthüllung dieses Skandals geleistet habe, wofür dem Team um Dan McCrum Anerkennung gebührt.

Die Deutsche Bank teilte mit, sie habe erst jetzt "von der Existenz einer solchen E-Mail" Kenntnis erhalten. Grundsätzlich kommentiere man die private Aussagen von Aufsichtsratsmitgliedern nicht. "Davon unabhängig sind allerdings sowohl Inhalt als auch Haltung der zitierten Aussage inakzeptabel - ganz gleich von wem sie kommt." Die Anwälte von Braun wollten sich zu dem Mailwechsel nicht äußern. Der SPD-Abgeordnete Zimmermann erklärte, die Mails ermöglichten einen "seltenen Einblick in die Gedankenwelt eines Aufsichtsrates der Deutschen Bank" und seien kein Ruhmesblatt für das größte Geldinstitut im Lande. Das Verständnis von journalistischer Arbeit, das Schütz an den Tag gelegt habe, sei beängstigend.

Der Mail-Wechsel zwischen dem Wirecard-Chef Braun und dem Deutsche-Bank-Aufsichtsrat Schütz zeugen von einer großen persönlichen Nähe zwischen den Managern, die beide aus Österreich stammen. Schütz gehört dem Aufsichtsrat der Deutschen Bank seit bald vier Jahren an, nachdem er für den chinesischen Konzern HNA den Einstieg bei Deutschlands größtem Geldhaus organisiert hatte. Aufsichtsratschef Paul Achleitner hatte seinerzeit die Kapitalmarktkompetenz von Schütz gelobt und seine Freude über den neuen chinesischen Ankeraktionär zum Ausdruck gebracht. Inzwischen haben die Chinesen ihre Deutsche-Bank-Aktien wieder verkauft. Schütz ist nach wie vor Mitglied des Aufsichtsrates, zudem ist es unter anderem Mitglied des Nominierungsausschusses. Dieser Ausschuss hält Ausschau nach geeigneten Kandidaten für den Vorstand und teilweise auch für den Aufsichtsrat der Bank.

Der Zahlungsdienstleister Wirecard hatte rund zwei Jahre vor seiner Pleite die Nähe zur Deutschen Bank gesucht. Braun habe im März 2018 eine Kooperation im Zahlungsverkehr angeboten, sagte Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing in der Nacht zu Freitag vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestages. "Aus diesem Termin haben sich jedoch keine substanziellen weiteren Gespräche ergeben." Braun habe Anfang 2019 seinen Vorschlag erneuert. Aus seiner Sicht sollte die Deutsche Bank ein Technologie-Konzern mit angeschlossenem Bankgeschäft werden.

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