Geht es nach Markus Braun, sollte jede Bezahlung sowieso digital sein, nicht mit Kreditkarte, nicht mit Bargeld, sondern entweder Online oder auf dem Smartphone. Diese Vision treibt der Chef des Zahlungsdienstleisters aus Aschheim seit Jahren konsequent voran.
Der nächste wichtige Schritt sind nun die neuen Funktionen der Wirecard-App Boon, die Markus Braun am Donnerstag vorstellte. Bisher konnten die Kunden der Wirecard über die App online oder mobil bezahlen, immer vorausgesetzt, sie haben ein Konto einer Vollbank, etwa der Commerzbank. Künftig, so hatte Markus Braun zuvor dem Handelsblatt gesagt, wolle man über Boon auch Versicherungen, Kredite und ein richtiges Konto anbieten. Wer beispielsweise einen teuren Fernseher im Internet kauft, soll direkt über Boon einen Kredit oder eine Ratenzahlung vereinbaren können. Im besten Fall, so hofft Braun, schließt der Kunde dazu noch eine Versicherung über die App ab. Man sei dazu mit mehreren Partnern im Austausch.
Das klingt im ersten Moment wie ein Angriff auf die traditionellen Banken und deren Geschäftsmodell. Das sei es aber ganz sicher nicht, sagt Wirecard-Manager Georg von Waldenfels der SZ. Er ist zuständig für Konsumentenlösungen und damit auch für Boon. "Wir werden mit Banken zusammenarbeiten, anstatt mit ihnen zu konkurrieren", sagt er.
Gerade mit Blick auf Digitalbanken wie N26 sieht man sich bei Wirecard nicht als Gegner und auch nicht als Smartphone-Bank, sagt Waldenfels und ergänzte damit ein wenig die Aussage seines Chefs Markus Braun. Der hatte die Frage, ob Wirecard ein Smartphone-Konto bekomme, im Handelsblatt bejaht.
Wirecard will nicht mit etablierten Banken konkurrieren oder diese sogar verdrängen
Wirecard geht es eigenen Angaben zufolge darum, ein Ökosystem rund um seine Bezahlapp aufzubauen. Schon heute können Kunden über Boon Geld zwischen Freunden hin- und herschicken oder in Echtzeit im Internet bezahlen. In ausgewählten Ländern, etwa Spanien, können Kunden zudem Mikrokredite beantragen. Künftig erweitere man dieses Angebot lediglich, heißt es aus dem Konzern.
Für Geschäftskunden der Wirecard, zu denen etwa KML und WMF gehören, gibt es einige dieser Funktionen schon länger. Sie können sich über den Zahlungsdienstleister beispielsweise refinanzieren.
Am Ende geht es Wirecard darum, dem Kunden einen Mehrwert zu schaffen, sagen die Chefs in der Aschheimer Zentrale gerne. Allerdings, so betont man, bleibe Boon ein Zwischenhändler. Der Kunde werde auch weiterhin ein Konto bei seiner Hausbank brauchen.
Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse und des Einkaufens spielen für die Wirecard seit jeher eine wichtige Rolle. Die Aschheimer Firma wickelt für Unternehmen auf der ganzen Welt Zahlungen im Internet ab. Kauft ein Kunde online mit seiner Kreditkarte ein Smartphone, überweist Wirecard den offenen Betrag sofort an den Händler und trägt das Risiko, falls die Kreditkarte nicht gedeckt ist. Für diesen Service wird sie bezahlt. Je mehr Zahlungen nun online abgewickelt werden, desto größter wird auch der Markt von Wirecard. Bisher läuft das Geschäft gut. Die Firma ist mittlerweile 20 Milliarden Euro wert und verdrängte zuletzt die Commerzbank aus dem Dax.