Süddeutsche Zeitung

Wirecard:Ex-Spione spähten Spekulanten aus

  • Im Fokus steht eine Aufnahme aus dem vergangenen Juli: Zu hören ist, wie ein Investor damit angibt, über eine bevorstehende kritische Berichterstattung der FT informiert zu sein.
  • Er und sein Geschäftspartner wollten demnach auf fallende Kurse der Wirecard-Aktie wetten.

Von Klaus Ott, Nicolas Richter und Jan Willmroth, Frankfurt

Rami El Obeidi ist schon länger nicht mehr im Amt, aber sein Wissen von damals kann er offenbar noch gut gebrauchen. Nach dem Sturz des Regimes von Muammar al-Gaddhafi im Jahr 2011 und dem Tod des Diktators war El Obeidi eine Weile Chef des Auslandsgeheimdienstes der Übergangsregierung. Acht Jahre später macht der frühere Rebell El Obeidi wieder von sich reden, und zwar als angeblicher Aktionär des deutschen Zahlungsdienstleisters Wirecard. Er soll in London zwei Detekteien beauftragt haben, mehrere Investoren und Hedgefonds-Manager zu überwachen. Ziel war es offenbar, ihnen Marktmanipulation mit der Wirecard-Aktie nachzuweisen.

Einem Bericht der Financial Times zufolge habe El Obeidi zwei Detekteien mit der Überwachungsaktion beauftragt, die intern den Titel "Palldium Phase 2" getragen habe. Eine der Detekteien wird von einer früheren Anti-Terror-Agentin des britischen Geheimdienstes geführt, die andere von einem einstigen britischen Elitesoldaten. In ihrem Bericht bezieht sich die Zeitung auf ein internes Protokoll einer der Detekteien sowie auf zwei mit der Angelegenheit vertraute Personen. Zu den überwachten Investoren gehörte demnach unter anderem der prominente Londoner Hedgefonds-Manager Crispin Odey. Mindestens acht Personen sollen überwacht worden sein, von insgesamt 28 Privatdetektiven. El Obeidi habe Vertrauten erzählt, er sei Anteilseigner von Wirecard.

Detektiv als Gesprächspartner

Im Fokus steht auch diesmal eine Tonbandaufnahme aus dem vergangenen Juli. In der Aufnahme ist zu hören, wie ein Investor damit angibt, über eine bevorstehende kritische Berichterstattung der FT informiert zu sein. Er und sein Geschäftspartner versuchen ihr Gegenüber zu überzeugen, ihnen Geld zu geben, um auf einen fallenden Kurs der Wirecard-Aktie zu wetten. Die beiden waren offenbar über eine Anfrage der FT an Wirecard und eine mögliche kritische Berichterstattung der Zeitung informiert. Hätten sie in Erwartung fallender Kurse ihre Informationen zu Geld gemacht, wäre das strafbar gewesen.

Zu einer Berichterstattung kam es dann nicht unmittelbar. Und was die Investoren nicht wussten: Ihr Gesprächspartner war ein Detektiv, der ihnen Manipulationen nachweisen wollte. Der Audiomitschnitt landete später unter anderem bei Wirecard, beim Handelsblatt, das bereits eine Woche später über die Szene berichtete, sowie auf einer anonymen Webseite, woraufhin die Aufnahme in den sozialen Medien und in Internetforen Verbreitung fand. Wirecard teilte auf Anfrage mit, die Aufnahme sei "zunächst anonym zu Verfügung gestellt" worden. "Im Rahmen der Kooperation mit Ermittlungsbehörden haben sich im Nachgang einzelne involvierte Personen zu erkennen gegeben", erklärte eine Sprecherin. Man bedaure, dass man diesbezüglich keine Detailinformationen teilen könne. Mit Blick auf den früheren libyschen Geheimdienstchef hieß es, Wirecard stünde in keiner Beziehung zu El Obeidi. Dem Konzern lägen keinerlei Informationen hinsichtlich einer möglichen Beteiligung an Wirecard vor.

Schon 2016 waren offenbar Detektive unterwegs

In Konzernkreisen heißt es, man habe erst mit einigen Tagen Verzögerung herausgefunden, dass El Obeidi hinter der Aktion gesteckt habe. Er habe die beiden Spekulanten aus eigenem Antrieb überführen wollen; er habe auf eigene Rechnung Detektive beauftragt und Wirecard dann das Audiomaterial zur Verfügung gestellt. Der Konzern gab das Material an die Staatsanwaltschaft in München weiter, die zu diesem Zeitpunkt bereits unter anderem gegen die beiden Investoren wegen des Verdachts der Marktmanipulation ermittelte. Dem Vernehmen nach hat der Konzern den Ermittlern aber nicht mitgeteilt, wer die Aufnahme in Auftrag gegeben hatte.

Der FT zufolge sollen bereits im Jahr 2016 Detektive unterwegs gewesen sein. Damals hatte eine zuvor nicht bekannte angebliche Analysefirma namens Zatarra ein Dossier veröffentlicht, in dem Wirecard unter anderem Bilanzfälschung vorgeworfen wurde. Gegen einen der Autoren, die zuvor gezielt auf fallende Kurse der Wirecard-Aktie gewettet hatten, erwirkte die Staatsanwaltschaft München später einen Strafbefehl wegen Marktmanipulation. Nach der Veröffentlichung seien unter anderem die Autoren des Berichts und der FT-Reporter Dan McCrum überwacht worden, schreibt die Zeitung. Er hatte über den Zatarra-Report berichtet. Die Wirecard-Sprecherin sagte, der Konzern habe "niemals die Überwachung einzelner Personen durch Detektive beauftragt - auch nicht von Herrn McCrum noch anderer Journalisten". In Konzernkreisen hieß es, eine von Wirecard beauftragte Forensik-Beratung hätte damals einmalig von sich aus und ohne Absprache Personen beschattet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4718933
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 12.12.2019/hgn
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.