Wirecard:Das Misstrauen der Märkte

Wirecard - Hauptversammlung 2019

Hat dem Vorwurf der Bilanzfälschung stets vehement widersprochen: Wirecard-Chef Markus Braun während der Hauptversammlung im Juni.

(Foto: dpa)

Gerade erst hat Konzernchef Markus Braun erklärt, die Umsätze in den kommenden Jahren vervielfachen zu wollen - da nährt ein Bericht neue Zweifel an der Buchhaltung von Wirecard.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Interne Unterlagen von Wirecard wecken neue Zweifel an der Buchhaltung des Dax-Konzerns. Einem Bericht der britischen Finanzzeitung Financial Times (FT) vom Dienstag zufolge legen die Dokumente den Verdacht nahe, dass Angestellte des Konzerns in den Jahren 2016 und 2017 Umsätze von Tochterfirmen in Dubai und Irland fingiert und Kundenbeziehungen erfunden haben könnten. Die Wirtschaftsprüfer von EY könnten demnach getäuscht worden sein. Die Wirecard-Aktie stürzte daraufhin um bis zu 23 Prozent ab. Wirecard wies die Vorwürfe zurück, die sich aus dem Zeitungsbericht ergeben, ohne auf Details einzugehen.

Der FT-Artikel stützt sich im Wesentlichen auf Excel-Tabellen sowie E-Mails und Chat-Protokolle von Mitarbeitern aus der Finanzbuchhaltung des Zahlungsanbieters. Die Dateien stehen im Zusammenhang mit den Berichten über Unregelmäßigkeiten im Asien-Geschäft, mit denen die FT von Ende Januar an in mehreren Veröffentlichungen die Buchhaltung und das Geschäftsgebaren von Wirecard infrage gestellt hatte. Damals war wiederholt der Aktienkurs abgestürzt. Auch das Geschäft mit Drittfirmen, das nun erneut im Fokus steht, hatte die FT in den vergangenen Monaten mehrfach infrage gestellt.

Auf die Artikel über mutmaßliche Bilanzfälschung durch Mitarbeiter in der Singapurer Niederlassung hatte Wirecard mit einer Strafanzeige reagiert, unter anderem gegen die Reporter der FT, denen der Konzern Marktmanipulation vorwirft. Per Zivilklage fordert das Unternehmen Schadenersatz von der Zeitung. Die Finanzaufsicht Bafin hatte nach heftigen Kursschwankungen infolge der Berichte zwei Monate lang Leerverkäufe mit der Wirecard-Aktie verboten und ebenfalls Strafanzeige wegen Marktmanipulation erstattet.

Wurden über eine Dubaier Tochterfirma Umsätze verbucht, die es nie gegeben hat?

Die nun veröffentlichten Tabellen und Korrespondenzen lagen der SZ ebenfalls vor; der Kontext der Dateien ist nachvollziehbar. Aus den Tabellen geht hervor, dass über eine Tochterfirma in Dubai Umsätze von Wirecard-Kunden verbucht wurden, die es laut FT möglicherweise nie gegeben haben soll. Der Konzern bestreitet alle Verdachtsmomente. Alle Kundenbeziehungen würden regelmäßig von Wirtschaftsprüfern kontrolliert. In internen Finanzberichten seien Kundendaten oftmals nicht korrekt enthalten oder es würden nur Gruppen von Kunden aufgelistet, zitiert die FT den Konzern. Der Artikel der Zeitung sei "eine Zusammenstellung einer Reihe von falschen und irreführenden Behauptungen", die vom Autor der Geschichte in anderen Artikeln zuvor aufgestellt und bereits vollständig widerlegt worden seien, erklärte der Konzern am Dienstag.

Als Dienstleister im elektronischen Zahlungsverkehr wickelt Wirecard sowohl selbst als auch über Drittfirmen Geldtransfers ab oder bietet technische Lösungen dafür an. Mit den dabei anfallenden Gebühren erwirtschaftet der Konzern seinen Umsatz. Das boomende Geschäft im Online-Handel hat Wirecard zu einem der bedeutendsten deutschen Finanzkonzerne gemacht. 2018 stieg die Firma in den Dax auf.

Zu den typischen Kunden gehören Online-Shops, Fluglinien oder Firmen im Bereich des Online-Glücksspiels. Die von der FT veröffentlichten Unterlagen zeigen insbesondere die Umsätze einer Drittfirma namens Al Alam Solutions mit Sitz in Dubai, über die Wirecard in den betreffenden Jahren große Transaktionsvolumina abgewickelt habe. Von den 34 Kunden von Al Alam, die in den Tabellen auftauchen, hätten 15 auf Anfrage jedwede Geschäftsbeziehung mit Al Alam bestritten, heißt es in dem Bericht. Acht von ihnen hätten im Jahr 2017 gar kein Geschäft mehr gehabt. Bemerkenswert ist das, weil Wirecard mit den Transaktionen über Al Alam relativ mehr verdient habe als mit dem selbst abgewickelten Massengeschäft.

In den vergangenen Monaten war die Aufregung um die Singapur-Affäre abgeklungen. Wirecard erhielt ein uneingeschränktes Testat für den Jahresabschluss 2018, die Aktie erholte sich. Vorige Woche hatte Konzernchef Markus Braun angekündigt, die Umsätze des Unternehmens bis 2025 fast versechsfachen zu wollen.

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