Bilanzskandal bei Dax-Konzern:Ex-Wirecard-Chef Braun kommt gegen Kaution frei

Wirecard-Chef Markus Braun spricht während der Innovationskonferenz DLD 2020 in München

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Wirecard, Markus Braun, bei einem Auftritt bei der Innovationskonferenz DLD (Digital Life Design).

(Foto: dpa)

Im Milliardenskandal bei Wirecard hat die Justiz den Haftbefehl gegen Ex-Vorstandschef Markus Braun ausgesetzt. Braun kommt gegen fünf Millionen Euro Kaution und weitere Auflagen frei.

Von Klaus Ott und Jörg Schmitt

Der am Montagabend im Milliardenskandal bei Wirecard festgenommene Ex-Vorstandschef Markus Braun kommt gegen fünf Millionen Euro Kaution und weitere Auflagen frei. Das hat die zuständige Ermittlungsrichterin in München am Dienstagnachmittag entschieden. Braun muss sich jeden Mittwoch bei einer bestimmten Polizeiinspektion in München melden. Hinzu kommen weitere Auflagen.

Dem Vernehmen nach kann Braun, der Österreicher ist und einen Wohnsitz in Wien hat, Deutschland verlassen. Er muss aber jeden Wechsel seines Wohnsitzes melden und die wöchentliche Meldeauflage in München einhalten; ansonsten droht Untersuchungshaft. Außerdem muss er allen Vorladungen von Gerichten, Polizei und Staatsanwaltschaften Folge leisten.

Braun war Montagabend festgenommen worden und hatte die Nacht auf Dienstag dann in Polizeigewahrsam in Münchner Polizeipräsidium verbracht. Die Justiz rechnet Braun an, dass er sich Montagabend der Staatsanwaltschaft München I gestellt hatte, nachdem Montagmorgen ein Haftbefehl erlassen worden war. Außerdem hatte Braun sich bereit erklärt, mit den Behörden zu kooperieren.

Die Staatsanwaltschaft hatte offenbar trotzdem den Haftbefehl durchsetzen und Untersuchungshaft erreichen wollen, scheiterte damit aber bei der Justiz. Die Ermittler werfen dem Ex-Konzernchef vor, zusammen mit anderen mutmaßlichen Tätern die Bilanzsumme und die Umsätze von Wirecard durch vorgetäuschte Einnahmen künstlich aufgebläht zu haben. Er habe das Unternehmen für Investoren und Kunden dadurch attraktiver erscheinen lassen wollen, als es tatsächlich gewesen sei.

Dem Haftbefehl vorausgegangen war das Eingeständnis von Wirecard, dass offiziell angegebene Bankguthaben auf philippinischen Treuhandkonten in Höhe von 1,9 Milliarden Euro "mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen". Das entspricht etwa einem Viertel der Bilanzsumme. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Braun wegen des Verdachts der Bilanzfälschung und der Manipulation des Börsenkurses von Wirecard. Das kann, sollte die Vorwürfe zutreffen, mit mehreren Jahren Gefängnis bestraft werden. Braun hatte zu seiner Zeit bei Wirecard stets alle Vorwürfe von Unregelmäßigkeiten zurückgewiesen.

Vor einem Jahr war Braun von den Aktionären noch gefeiert worden, bei der Hauptversammlung 2019 in einer voll besetzten Halle der Münchner Messe. Der sich dynamisch gebende Manager legte damals wie gewohnt gute Zahlen vor und versprach, dass Wirecard erst am Anfang eines gewaltigen Wachstums stehe. Bis 2025 wolle man den Umsatz verfünffachen. Und noch etwas sagte Braun: Dass die Börse "langfristig gute Arbeit" honoriere.

Einige Wirecard-Aktionäre benahmen sich, als bejubelten sie einen Heilsbringer

Mr. Wirecard schien auf dem Höhepunkt seiner Macht und seines Wirkens angekommen zu sein. Manche Aktionäre von Wirecard benahmen sich so, als bejubelten sie einen Heilsbringer, der über allem und allen schwebe. Ein Anleger kündigte gar an, dass er ab sofort das Kindergeld für seine Tochter in Wirecard-Aktien stecken werde. "Und glauben Sie mir, sie wird mir verdammt dankbar sein." Eine Frau himmelte Braun für die "vielen Glücksmomente" an, "die Sie mir in den vergangenen Jahren beschert haben".

Jetzt ist das Entsetzen unter den Anlegern groß. Seit dem Höchststand der Aktie vor gut 20 Monaten haben sich die Kursverluste der Aktionäre auf weit mehr als 20 Milliarden Euro summiert. Allein seit dem vergangenen Mittwoch haben die Papiere mehr als zehn Milliarden Euro an Wert verloren. Und über Brauns vorläufiges Schicksal entscheidet nun die Justiz.

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