Süddeutsche Zeitung

Zahlungsdienstleister:Wirecard-Chef tritt zurück

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Markus Braun legt sein Amt mit sofortiger Wirkung nieder. Der Interims-Nachfolger wurde erst am Vorabend in den Vorstand von Wirecard berufen.

Von Nils Wischmeyer,

Markus Braun tritt mit sofortiger Wirkung als Vorstandsvorsitzender von Wirecard zurück. Das teilte das Unternehmen am Freitagmittag in einer Ad-Hoc-Mitteilung mit. Der bisherige Konzernchef, er ist größter Einzelaktionär bei Wirecard, ist bereits das zweite Vorstandsmitglied, das innerhalb von zwei Tagen das Internet-Unternehmen verlässt. Bereits gestern wurde Jan Marsalek, rechte Hand von Braun, vorläufig freigestellt. An die Stelle von Braun rückt zunächst James Freis, der selbst erst seit Donnerstag im Vorstand ist.

Damit gibt es erste Konsequenzen aus dem Skandal, der sich gerade bei Wirecard entfaltet. Am Donnerstag hatte sich herausgestellt, dass Wirecard rund 1,9 Milliarden Euro vermisst. Das ist mehr als ein Viertel der gesamten Bilanzsumme. Die Wirtschaftsprüfgesellschaft Ernst & Young (EY) hatte das zum Anlass genommen, das Testat unter die Konzernbilanz zu verweigern.

Bange Fragen

Für Wirecard ist das ein doppeltes Problem. Zum einen verliert der Konzern das Vertrauen vieler Anleger, weil die Vorstellung der Jahreszahlen für 2019 bereits zum vierten Mal in Folge verschoben werden musste.

Zum anderen könnten dem Konzern nach dessen eigenen Angaben Kredite in Höhe von zwei Milliarden Euro gekündigt werden, sollte am heutigen Freitag keine testierte Bilanz vorliegen. Der Kurs stürzte nach Bekanntwerden der Nachrichten gestern bereits um mehr als 60 Prozent ab. Im Laufe des heutigen Freitags gab der Kurs erneut stark nach und notierte zeitweise 40 Prozent unter dem Ausgangspunkt am Morgen. Zurzeit steht der Kurs noch bei knapp 20 Euro.

Die vermissten 1,9 Milliarden Euro sollten eigentlich auf philippinischen Konten eines Treuhänders liegen. Das ging jedenfalls aus angeblichen Dokumenten zwei Banken auf den Philippinen vom März 2020 hervor. Auf Nachfrage von EY erklärten die beiden Banken in dieser Woche jedoch, die Unterlagen vom März seien falsch. Wirecard teilte dazu am Donnerstag mit, man wolle das alles aufklären und Strafanzeige stellen, weil man womöglich einem Betrug aufgesessen sei.

Noch in der Nacht zeigte sich Ex-Boss Braun zusammen mit drei anderen Vorständen in einem Video und las eine Erklärung an die Aktionäre vor. Offenbar war das ein letzter Versuch die Wogen zu glätten. Nachdem die Aktie im Tagesverlauf weiter einbrach, sah Braun offenbar keine Möglichkeit mehr, im Amt zu bleiben. Er hatte vor knapp zwei Jahrzehnten den Chefposten übernommen und Wirecard 2005 an die Börse und 2018 sogar in den Dax geführt. Unter den Anhängern des Konzerns wurde er lange Zeit als Visionär gefeiert. Nun beginnt eine Zeit ohne ihn - das erste Mal seit 18 Jahren.

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