Süddeutsche Zeitung

Finanzaufsicht:Wie unschuldig war die Wirecard Bank wirklich?

Die Bafin sah sich nicht zuständig, Wirecard zu kontrollieren - die Banktochter jedoch sehr wohl. Diverse Kredite lassen nun daran zweifeln, dass die Aufseher genau genug hingeschaut haben.

Von Klaus Ott, Meike Schreiber und Jan Willmroth, Frankfurt

Glaubt man Felix Hufeld, dem Chef der Finanzaufsicht Bafin, dann hat die Banktochter des Wirecard-Konzerns jahrelang "eher unauffällig agiert". Sie sei winzig, nicht größer als eine mittelgroße Sparkasse, weswegen die Aufsicht dort auch wenig Aufwand betrieben habe. Die Konzernmutter selbst hingegen habe die Bafin gar nicht kontrollieren dürfen. Doch war deren Banktochter wirklich so klein und unschuldig? Hätten die Aufseher nicht wenigstens dort besser hinschauen müssen, wo sie klar zuständig waren? Wären sie dem Skandal dann womöglich sogar rechtzeitig auf die Schliche gekommen?

Mehrere Vorgänge zeigen inzwischen, dass die Bank eine größere Bedeutung für die Konzernmutter hatte, als es die Bafin dargestellt hat. Aus dem vertraulichen Anhang des Untersuchungsberichtes der Wirtschaftsprüfer von KPMG geht etwa hervor, dass die Bank dem Konzern eine "strategische Kreditlinie" in Höhe von 180 Millionen Euro (Stand 31.12.18) an Firmen in Asien vergeben hat, die Wirecard nachweislich nahestanden. Diese Kreditlinie habe sich von 2015 an sukzessive entwickelt. Weitere wesentliche, auffällige Kreditvergaben wurden einzeln beurteilt, darunter 25 Millionen Euro an einen Partner in Asien, der ebenfalls im Fokus von laufenden Untersuchungen steht. Teils waren diese Kredite unbesichert, teils selbstschuldnerisch durch die Wirecard AG verbürgt.

Außerdem gehe laut KPMG aus den Kreditbeschlüssen hervor, dass die Kreditvergabe aus "strategischen Überlegungen des Vorstands der Wirecard AG erfolgte". So heißt es an einer Stelle zu einer Kreditvorlage, die Bank sehe sich auch "als Dienstleister für nahestehende Personen und Unternehmen der Wirecard AG, die auf anderen Geschäftsfeldern gut mit dem Konzern zusammenarbeiten". Der AG-Vorstand hatte etwa empfohlen, einem Geschäftspartner in Singapur Kredit zu gewähren.

Der Konzern hat die Bank also offenbar für seine Zwecke genutzt, die Kreditvergabe kontrolliert und gesteuert. Damit jedoch könnte das Management gegen bankaufsichtsrechtliche Vorgaben verstoßen haben, die unter der Überschrift "Mindestanforderungen an das Risikomanagement ("MaRisk") laufen und regeln, wie Banken Kredite vergeben. Deren Einhaltung zu prüfen, gehört zum Kerngeschäft der Aufsicht. Bloß: War die Aufsicht sorgfältig genug? Immerhin hat sie zwischen 2010 und 2019 mehrere Sonderprüfungen nach Kreditwesengesetz durchgeführt, wie sie gerade eingeräumt hat. Deren Ergebnis ist öffentlich aber nicht bekannt. Mögliche Missstände hätten eigentlich auffallen müssen.

Die Bafin wollte sich nicht äußern. Noch mehr Fragen wirft indes auf, dass sich Wirecard-Chef Markus Braun im Januar 2020 von der Bank 35 Millionen Euro lieh, um einen Kredit an die Deutsche Bank zurückzuzahlen. Für ein Institut wie die Wirecard Bank war das enorm viel. Zuvor hatte die FT darüber berichtet. Brauns Anwalt teilte mit, sein Mandant habe das Darlehen aufgenommen, um eine Verwertung von Aktien durch eine (dritte) Bank zu vermeiden. In die Bewilligung seien sowohl die Konzernrechtsabteilung wie externe Berater involviert gewesen. Braun selbst sei nur Antragsteller und an Beschlüssen nicht beteiligt gewesen. Er gehe davon aus, dass die Formalien eingehalten worden seien.

Kredite an Vorstände und Aufsichtsräten sind streng geregelt, auch die Aufsicht muss informiert werden. Offenbar erfuhr die Bafin aber erst im Juni davon. Als der Wirecard-Aufsichtsrat im Januar darüber informiert wurde, verlangten einige Mitglieder dem Vernehmen nach, dass Braun den Kredit rasch zurückzahle. Sein Anwalt sagt, das Darlehen sei "wie vereinbart und ohne, dass wie auch immer gearteter Druck ausgeübt wurde", im März zurückgezahlt worden, und zwar zu 12,55 Prozent Zinsen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4969127
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 17.07.2020/vit
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.