Süddeutsche Zeitung

Bilanzskandal:Chef der Wirtschaftsprüferaufsicht spekulierte mit Wirecard-Aktien

Während die Bundesbehörde Apas zum Fall Wirecard ermittelte, handelte ihr Leiter mit Papieren des Zahlungsdienstleisters. Abgeordnete der Bundestagsopposition fordern seinen Rücktritt.

Von Lena Kampf und Klaus Ott

Das war schon außergewöhnlich, was Wirtschaftsminister Peter Altmaier am Freitagmorgen über einen seiner Spitzenbeamten sagte. Über Ralf Bose, den Chef der Abschlussprüferaufsichtsstelle (Apas), der Wirtschaftsprüferaufsicht in Deutschland. Altmaier sagte, er sei "befremdet" und werde sich "sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigen". Dieses Thema, das ist ein pikanter Aktienhandel, der ein paar Stunden zuvor im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags bekannt geworden war. Bose hatte im Frühjahr 2020, als sich die Lage bei Wirecard zuspitzte und die Apas den Fall bereits untersuchte, mit Aktien des Zahlungsdienstleisters gehandelt. Das hat er zu nächtlicher Stunde im Untersuchungsausschuss eingeräumt. Abgeordnete von FDP, Grünen und Linken forderten sogleich seinen Rücktritt, ein Grünen-Abgeordneter reichte eine Verdachtsanzeige wegen Insiderhandels bei der Bafin ein.

Ein paar Stunden später ärgerte sich auch Altmaier, dessen Ministerium die Apas indirekt zugeordnet ist. Unter anderem darüber, dass Bose seinen Fehltritt monatelang verschwiegen hatte. Und das, obwohl Bundestag und Regierung seit der Pleite von Wirecard vor einem halben Jahr zu klären versuchen, was bei den diversen Aufsichtsbehörden alles schief gelaufen ist. Nach der Finanzkontrolle Bafin rückt nun auch die Apas in den Blickpunkt. Die Apas überwacht die Wirtschaftsprüfer, die ihrerseits schauen, ob die Unternehmensbilanzen in Ordnung sind.

Die Wirecard-Zahlen hatte die Prüfgesellschaft EY ein Jahrzehnt lang für richtig erklärt. Doch dann häuften sich Vorwürfe, die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters könnten geschönt sein. Der Aufsichtsrat von Wirecard beauftragte den EY-Konkurrenten KPMG im Oktober 2019 mit einer Sonderuntersuchung. Die Apas startete ihrerseits Vorermittlungen, ob EY bei Wirecard alles richtig gemacht habe.

Das wusste Bose natürlich. Er selbst schickte am 11. Februar 2020 dem Wirtschaftsministerium eine Übersicht über die "bei der Apas geführten öffentlichkeitswirksamen Fälle". Die Liste umfasste 85 Fälle, unter der Nummer 73 war die Wirecard AG verzeichnet. In den beigefügten Erläuterungen hieß es zu Wirecard und EY: "Die Vorermittlungen wurden aufgrund von Presseberichten eingeleitet. Die Ermittlungen dauern an."

Besonders pikant ist der Zeitpunkt

Obwohl Wirecard ein Fall für die Apas war, spekulierte Bose später mit Aktien des Zahlungsdienstleisters. Besonders pikant ist der Zeitpunkt: Der Apas-Chef gab im Untersuchungsausschuss zu Protokoll, er habe am 28. April 2020 Papiere des Zahlungsdienstleisters gekauft und am 20. Mai wieder verkauft. Just am 28. April hatte KPMG den Untersuchungsbericht zu Wirecard vorgelegt und darin mitgeteilt, dass viele Fragen offen seien. Wirecard hatte sich erhofft, von KPMG umfassend von den Vorwürfen entlastet zu werden, man schöne die Bilanz. Dazu kam es aber nicht, im Gegenteil. Der KMPG-Bericht fiel ziemlich verheerend aus. Der Aktienkurs von Wirecard brach daraufhin zwischenzeitlich um mehr als 25 Prozent ein.

Da Bose mit den am 28. April damals günstig gekauften Papieren sicherlich keinen Verlust machen wollte, müsste er also gehofft haben, dass die Vorwürfe gegen Wirecard sich nicht bestätigen und sich der Aktienkurs wieder erholt - und das mitten in einer heißen Phase, in der sich die Apas mit dem Fall beschäftigte. Am 6. Mai leitete die Apas dann ein förmliches Ermittlungsverfahren im Fall EY und Wirecard ein, zwei Wochen später verkaufte Bose seine Aktien wieder. Inzwischen hat die Apas sogar Strafanzeige gegen drei frühere EY-Prüfer bei Wirecard erstattet. Und Bose muss jetzt um seinen Job bangen.

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