Wirecard-Skandal:Aktienhandel wird Behördenchef zum Verhängnis

Wirecard-Skandal: Interne E-Mails enthalten viele Hinweise, wie es bei dem ehemaligen Dax-Konzern zuging.

Interne E-Mails enthalten viele Hinweise, wie es bei dem ehemaligen Dax-Konzern zuging.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Im Wirecard-Skandal ist erstmals ein Spitzenbeamter seines Amtes enthoben worden. Er hatte während eines laufendes Verfahrens seiner Behörde privat mit Aktien des Zahlungsdienstleisters spekuliert.

Von Klaus Ott

Ein halbes Jahr nach der Pleite von Wirecard und nach zahlreichen Untersuchungen über das offenkundige Versagen von Aufsichtsbehörden hat jetzt erstmals ein Spitzenbeamter seinen Job abgeben müssen. Ralf Bose, der Leiter der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas, wurde "mit sofortiger Wirkung freigestellt" - weil er während eines laufenden Ermittlungsverfahrens der Apas privat mit Wirecard-Aktien spekuliert hatte. Dass Bose freigestellt ist, teilte am Montagnachmittag dessen vorgesetzte Behörde mit, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa). Die Apas wie auch die Bafa gehören zum Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums, das von Peter Altmaier (CDU) geleitet wird.

Altmaier, ein enger Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel, war bereits am vergangenen Freitag ziemlich sauer gewesen auf Bose. Der Wirtschaftsminister erklärte, er sei "befremdet" und werde sich "sehr intensiv mit diesem Thema beschäftigen". Dieses Thema, das war Boses privater und pikanter Aktienhandel, der ein paar Stunden zuvor im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags bekannt geworden war. Bose hatte im Frühjahr 2020, als sich die Lage bei Wirecard zuspitzte und die Apas den Fall bereits untersuchte, mit Aktien des Zahlungsdienstleisters spekuliert - und dies dann im Untersuchungsausschuss eingeräumt.

Abgeordnete von FDP, Grünen und Linken forderten sogleich seinen Rücktritt, ein Grünen-Abgeordneter reichte eine Verdachtsanzeige wegen Insiderhandels bei der Finanzaufsicht Bafin ein. Was die Opposition nicht wusste und was das Altmaier unterstellte Bafa erst am Montagnachmittag mitteilte: Bose war bereits am Freitag freigestellt worden. Dies sei erfolgt, "um die Integrität der Apas bis zur schlussendlichen Aufklärung des Sachverhalts sicherzustellen", erklärte das Bafa am Montag. Warum dies erst drei Tage später bekannt gegeben wurde, teilte das Bundesamt nicht mit.

Die Apas überwacht die Wirtschaftsprüfer, die ihrerseits schauen, ob die Unternehmensbilanzen in Ordnung sind. Die Prüfgesellschaft EY hatte das Zahlenwerk von Wirecard ein ganzes Jahrzehnt lang für in Ordnung erklärt. Doch dann häuften sich Vorwürfe, die Bilanzen des Zahlungsdienstleisters könnten geschönt sein. EY geriet unter Druck. Die Apas leitete erst Vorermittlungen ein. Und im Mai 2020 dann, als sich die Lage zuspitzte, schließlich ein reguläres Verfahren gegen EY. Mitten in dieser zunehmend heißen Phase hatte Apas-Chef Bose am 28. April 2020 Aktien von Wirecard gekauft und am 20. Mai wieder verkauft.

Nach Angaben aus dem Untersuchungsausschuss hätte Bose am heutigen Dienstag dort weiter als Zeuge aussagen sollen. Er habe sich aber krank gemeldet und ein Attest vorgelegt, heißt es aus dem Ausschuss. Bevor Boses Freistellung bekannt gegeben wurde, hatte die Opposition hatte bereits angekündigt, sie werde weiter Druck machen. "Es reicht nicht, wenn Peter Altmaier jetzt befremdet ist", sagte Fabio De Masi von der Bundestagsfraktion der Linken. Und es reiche auch nicht, wenn Bose gehen sollte. "Altmaier und Scholz müssen liefern", forderte De Masi. Gemeint war: Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) müsse durchgreifen.

"Wieso gibt es keine klaren Regeln gegen Insiderhandel in Behörden und Ministerien?"

Scholz ist die Finanzaufsicht Bafin unterstellt, deren Präsident Felix Hufeld ebenfalls schwer in die Kritik geraten ist. Anders als Bose hat Hufeld nicht selbst mit Wirecard-Aktien spekuliert. Aber zahlreiche Beschäftigte der Bafin haben mit Papieren des Zahlungsdienstleisters gehandelt. Außerdem wird der Bafin vorgeworfen, viel zu zahm und viel zu spät gegen Wirecard vorgegangen zu sein. Aus Kreisen der Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD heißt es, auch Hufeld sei nicht mehr in seinem Amt haltbar. Bei der Bafin sei ein Kulturwandel nötig, und dazu brauche es einen neuen Präsidenten.

Der Linken-Abgeordnete De Masi fragte nach Boses Freistellung, warum eigentlich Hufeld noch im Amt sei. "Und wieso gibt es keine klaren Regeln gegen Insiderhandel in Behörden und Ministerien?", fragte er weiter. Bislang gibt es allerdings keine Hinweise, dass Bafin-Beschäftigte bei ihren privaten Geschäften mit Wirecard-Aktien Insiderwissen genutzt und insofern gegen Vorschriften verstoßen hätten. Doch Kritiker des umfangreichen Aktienhandels von Finanzaufsehern halten das nicht für ausschlaggebend. Die europäische Wertpapieraufsicht Esma hatte vor einigen Wochen die Geschäfte von Bafin-Beschäftigten mit Wirecard-Aktien gerügt. Das lasse am internen Kontrollsystem zweifeln.

Inzwischen hat sich sogar herausgestellt, dass vier Bafin-Beschäftigte ihren Handel mit Wirecard-Aktien zu spät gemeldet und damit gegen interne Vorschriften verstoßen hatten. Ein Beschäftigter musste deshalb Ende November gehen, die anderen drei Fälle werden noch geprüft. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler kommentierte das mit den Worten, das sei ein Führungsproblem innerhalb der Bafin. Finanzminister Scholz müsse handeln, sonst werde das "endgültig zu seinem Problem". Mit anderen Worten: Scholz müsse Hufeld rauswerfen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: