Wirecard:Angriff auf die Glaubwürdigkeit

Wirecard: Wirecard-Chef Markus Braun ist Zweifeln an seiner Firma mit Argumenten begegnet. Geholfen hat das bislang nicht.

Wirecard-Chef Markus Braun ist Zweifeln an seiner Firma mit Argumenten begegnet. Geholfen hat das bislang nicht.

(Foto: oh)

Ein ominöser Bericht wirft Wirecard Betrügereien vor, die Firma wehrt sich.

Von Heinz-Roger Dohms, Hamburg

Zurzeit wirkt jede Pressemitteilung wie ein Versuch der Normalität: "Wirecard bringt neue Prepaid Visa-Karte mycard2go heraus". Oder: Wirecard wird Technologie-Partner der Berjaya Group aus Malaysia." Oder: "Wirecard übernimmt rumänischen Zahlungsdienstleister". Auch nach schweren Schlägen beginnt ja irgendwann wieder der Alltag. Das ist in der Unternehmenswelt nicht anders als im richtigen Leben.

Trotzdem ist bei Wirecard, dem milliardenschweren Münchner Technologiekonzern, seit einigen Wochen nichts mehr, wie es vorher war.

Ende Februar veröffentlichte eine selbsternannte Analysefirma namens Zatarra im Internet einen Bericht, der Wirecard Betrügereien im großen Stil vorwarf. Die Aktie brach zunächst ein, erholte sich dann aber rasch wieder. Denn: Der vermeintliche Skandalreport erwies sich bei genauerer Lektüre als luftig. Zudem schien die Quelle mehr als dubios. Von Zatarra hatte noch niemand etwas gehört. Auf der Internetseite fand sich kein Impressum. E-Mail-Anfragen von Journalisten blieben unbeantwortet. Die Reaktion von Wirecard schien glaubhaft: Die Vorwürfe seien "verleumderisch" und "komplett unwahr".

Nach ein paar Tagen folgten von Zatarra weitere Berichte und entsprechende Tweets. Obwohl die Quelle und ihre Methoden höchst anrüchig bleiben - sie schaden dem Ruf des Unternehmens, auch wenn Wirecard die Vorwürfe geduldig zu entkräften versucht.

Ein Beispiel: In den Zatarra-Reports ist immer wieder von einer Firma namens Wire Card UK Limited die Rede. Über dieses Unternehmen soll die deutsche Wirecard angeblich in illegale Glücksspielaktivitäten in den USA verwickelt gewesen sein. Ein vermeintliches Indiz: Die Wire Card UK Limited hat laut dem britischen Unternehmensregister zwei identische Gesellschafter wie eine Firma, die tatsächlich in entsprechenden US-Ermittlungsakten auftaucht. Von "sinnentstellenden Verknüpfungen" spricht Wirecard. Was richtig sei: Die englische Firma mit dem fast identischen Namen sei einst im Auftrag Wirecards "zwecks Gründung einer Tochtergesellschaft für Wirecard im Vereinigten Königreich" gegründet worden. Durch die Übernahme eines britischen Konkurrenten habe man dann aber bereits einen Standort auf der Insel besessen. Dadurch habe sich die Wire Card UK Limited als überflüssig erwiesen und sei 2010 aufgelöst worden. Und was ist mit den beiden seltsamen Gesellschaftern? Auch hier liefert Wirecard eine Erklärung: Es sei völlig klar, dass eine Incorporation Office, also Gründungsdienstleister, "Hunderte Firmen anmeldet und solche Anteilseigner reihenweise als Platzhalter einsetzt."

Wenn man ehrlich ist: Niemand steigt durch den Fall wirklich durch. Kein Investor. Kein Analyst. Kein Journalist. Aber eines wird immer klarer: Aus Sicht der Angreifer ist Wirecard gewissermaßen das perfekte Ziel für die Attacke. In seiner Frühphase war der 1999 gegründeten Payment-Dienstleisters stark in der Zahlungsabwicklung für die Porno- und Glücksspiel-Industrie tätig - was damit zusammenhängt, dass diese Branchen zu den ersten zählten, die im Internet in nennenswertem Umfang Geld umsetzten. Zatarra versucht nun offenbar, aus dieser vielleicht etwas schmuddeligen Firmenhistorie eine irgendwie dunkle Vergangenheit zu konstruieren.

Hedgefonds wetten aggressiv gegen das Unternehmen

Hinzu kommt das komplexe Geschäftsmodell von Wirecard, das zur Folge hat, dass selbst Branchenexperten die Bilanzen der Firma nur teilweise verstehen. Jahrelang hat das kaum jemanden in der Börsenwelt gestört. Die Aktie von Wirecard stieg und stieg und stieg, bis zu sechs Milliarden Euro war die Firma zwischenzeitlich wert, ähnlich viel wie mancher Dax-Konzern. Im Zuge der Zatarra-Attacke wird nun aber plötzlich auch das Zahlenwerk hinterfragt: Ist es nicht ungesund, dass mehr als 80 Prozent von Wirecards langfristigen Vermögenswerten "immateriell" sind - darunter"Kundenbeziehungen", die mit 340 Millionen Euro bilanziert werden? Oder: Was sind die vielen Tochterfirmen wirklich wert, die in den vergangenen Jahren vor allem in Asien zugekauft wurden?

Das Management hat auch auf solche Fragen Antworten, zum Beispiel, dass "immaterielle Vermögenswerte" auch in den Bilanzen anderer Technologiekonzerne eine große Rolle spielen - bloß: Gegen die Zweifel kommen solche Argumente momentan nicht an. Nicht nur Zatarras Reports schaden, Hegdefonds wetten aggressiv gegen das Unternehmen, die Aktie notierte Mitte März etwa 30 Prozent niedriger als Ende Februar; eine Kapitalvernichtung von mehr als einer Milliarde Euro.

Und nun? Wirecard gab kürzlich bekannt, seine Gewinnerwartung für dieses Jahr von 280 auf 300 Millionen Euro heraufzusetzen, die Aktie stieg um fünf Prozent. Vielleicht sind gute Zahlen ja das beste Rezept, um gegen die Zweifel anzukämpfen.

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