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Milliardenskandal:Guttenberg warb bei der Bundesregierung für Wirecard

Die Beratungsfirma des Ex-Ministers begleitete 2019 den China-Deal des Zahlungsdienstleisters - und suchte in Berlin Unterstützung für das Vorhaben.

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Guttenberg warb bei der Bundesregierung für Wirecard

Mittwoch, 15. Juli, 21:07 Uhr: Der ehemalige deutsche Wirtschafts- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat in seiner neuen Tätigkeit als Berater Lobbyarbeit in Berlin für den in Konkurs gegangenen Zahlungsdienstleister Wirecard betrieben. Gegenüber dem Spiegel bestätigte Guttenberg, dass seine Firma Spitzberg Partners die Bundesregierung 2019 über den geplanten Marktein­tritt Wirecards in China "unterrichtet und die Möglichkeiten wohlwollender Begleitung im bilateralen Verhältnis mit China eruiert" habe.

Wirecard hatte im November vergangenen Jahres angekündigt, das chinesische Unterneh­men AllScore Payment Services zu kaufen - die Eintrittskarte in den chinesischen Markt, einen der wachstumsstärksten der Welt. Spitzberg Partners fungierte bei dem Deal laut Spiegel als "Market Entry Advisor", also Berater bei der Erschließung des neuen Geschäfts­feldes. Inwieweit die Bundesregierung Wirecards Vorhaben in Asien tatsächlich unterstützte, ist unklar. Auffällig ist jedoch, dass eines der beiden bislang offengelegten Gespräche zwischen Wirecard-Vorstand Markus Braun und Finanzstaatssekretär Jörg Kukies in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum China-Deal stattfand: nämlich am 5. November 2019 - jenem Tag, an dem der Coup bekanntgeben wurde.

Bafin hat Staatsanwaltschaft über Insider-Verdacht bei Wirecard informiert

Dienstag, 14. Juli, 08:35 Uhr: Die Finanzaufsicht Bafin hat die Staatsanwaltschaft München über einen Insider-Verdacht beim kollabierten Zahlungs-Dienstleister Wirecard informiert. Eine Bafin-Sprecherin bestätigte am Montagabend einen entsprechenden Vorab-Bericht des Handelsblattes. Darin hatte es geheißen, problematisch sei unter anderem ein Post in einem Börsen-Forum.

Acht Tage vor dem Wirecard-Crash habe darin ein Nutzer geschrieben, dass der Bilanzprüfer EY am 18. Juni nicht uneingeschränkt testieren werde. Die Wirecard-Geschäftsführung habe keine erforderlichen Nachweise erbracht, woher erhebliche Summen als Sicherheiten auf Treuhandkonten stammten und Mitarbeiter hätten die Information weitergegeben, habe es in dem Post geheißen. Damit habe der anonyme Hinweisgeber das Prüfergebnis von EY vorweg genommen, so das Handelsblatt. Schon im Frühjahr 2020 seien Konzerninsider bei Wirecard über Probleme mit der Abschlussprüfung informiert gewesen.

Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München bekräftigte am Abend auf Anfrage lediglich frühere Aussagen, dass es umfangreiche Ermittlungen gegen den ehemaligen Wirecard-Vorstandschef Markus Braun und weitere Beschuldigte gebe. Dabei würden alle in Betracht kommenden Straftaten geprüft. Zur Frage ob auch Insiderhandel dazu gehört, wollte sie sich nicht äußern. Reuters

Wirecard-Insolvenzverwalter: Reges Interesse an Unternehmensteilen

Dienstag, 7. Juli, 18:35 Uhr: Für Teile des insolventen Zahlungsabwicklers Wirecard gibt es nach Angaben des vorläufigen Insolvenzverwalters ein reges Interesse unter Investoren. Für das Kerngeschäft mit der Herausgabe und Akzeptanz von Kreditkarten sowie davon unabhängige Geschäftsbereiche des Konzerns hätten sich zwischenzeitlich bereits mehr als 100 Interessenten gemeldet, teilte Rechtsanwalt Michael Jaffé am Dienstag im Anschluss an eine Sitzung des vorläufigen Gläubigerausschusses mit. Der abgestürzte Aktienkurs machte auf die Nachricht hin einen Sprung.

Am weitesten fortgeschritten seien die Aktivitäten für die US-amerikanische Gesellschaft Wirecard North America. Der vorläufige Gläubigerausschusses hat zugestimmt, die Investmentbank Moelis & Company für den Verkauf der Sparte zu mandatieren. Auch für weitere internationale Beteiligungen sowie das Kerngeschäft würden aktuell Investorenprozesse eingeleitet.

Fraglich ist nach einem Pressebericht der Financial Times vom Sonntag, wie werthaltig die Unternehmensteile von Wirecard sind. Wirecard hatte Mitte Juni einräumen müssen, dass auf Treuhandkonten geführte Gelder für das sogenannte Drittpartnergeschäft in Höhe von 1,9 Milliarden Euro wahrscheinlich nie existiert haben und daraufhin Insolvenz beantragt. Laut dem Bericht der Financial Times soll Wirecard aber auch im Kerngeschäft seit Jahren Verluste eingefahren haben, die offenbar mit den mutmaßlichen Luftbuchungen in Asien kaschiert werden sollten.

Unter anderem hatte die Deutsche Bank Interesse an Zukäufen von Teilen Wirecards angedeutet. Deutsche Bank-Chef Christian Sewing betonte am Dienstag jedoch, mögliche Zukäufe hätten eine hohe Hürde zu nehmen. Vor allem müssten neue Teile, etwa im technologischen Bereich, besser sein als das eigene Angebot. dpa

Deutsche Bank zieht Übernahme der Wirecard Bank in Betracht

Freitag, 3. Juli, 10:35 Uhr: Anfang der Woche sah es noch so aus, als würde die Bank von Wirecard ebenfalls in die Insolvenz rutschen, weil inzwischen zu viel Kundengeld abgeflossen ist - nun zeichnet sich ab, dass ausgerechnet die Deutsche Bank die Tochter komplett oder in Teilen übernehmen könnte. Das Geldhaus prüfe in Abstimmung mit der Bafin, dem Insolvenzverwalter der Wirecard AG und dem Vorstand der Wirecard Bank mögliche finanzielle Hilfen, sagte ein Sprecher. Weitere Details wollte er nicht nennen. Die Diskussionen dazu laufen noch. Die Deutsche Bank ist nicht alleine: Nach SZ-Information hat auch mindestens ein Finanzinvestor Interesse an der Wirecard Bank angemeldet.

Die Finanzaufsicht Bafin hatte bei der Wirecard Bank die Bundesbank als Sonderbeauftragten eingesetzt, der dafür sorgen soll, dass keine Gelder an die Wirecard AG abfließen und die Geschäfte weiterhin laufen. Die Wirecard Bank hat eine Vollbanklizenz und darf sämtliche Finanzdienstleistungen anbieten. Sie wirbt seit Anfang des Jahres mit einem Zins von 0,75 Prozent für Giro-Guthaben auf der Banking-App "Boon Planet", während andere Institute selbst für Festgeld kaum Zinsen zahlen oder sogar Strafgebühren verlangen. Wäre die Bank in die Insolvenz gegangen, hätte der Einlagensicherungsfonds der privaten Banken Kunden entschädigt, die ihr Geld nicht rechtzeitig abgezogen haben.

Bilanziell ist die Wirecard Bank kein Schwergewicht. Per Ende März verfügte sie nach SZ-Informationen über eine Bilanzsumme von 1,6 Milliarden Euro, was ungefähr einer mittelgroßen Sparkasse entspricht. Ihr bilanzielles Eigenkapital belief sich zum Quartalsende auf 205 Millionen Euro. Unter dem Strich stand zum Quartalsende ein Überschuss von 4,7 Millionen Euro, nach 40,8 Millionen zum Vorjahresquartal.

Welche Motive die Deutsche Bank antreiben, ist noch unklar. "Wir sind eine der größten Banken im Zahlungsverkehr weltweit. Das ist eine unserer Stärken, ein echtes Kerngeschäftsfeld", sagte Deutsche-Bank-Vorstand Fabrizio Campelli dem Handelsblatt in einem am Freitag veröffentlichten Interview. "Wenn sich hier also Gelegenheiten ergeben, uns zu verstärken, werden wir uns diese ansehen."

Möglicherweise hat die Deutsche Bank es auf die Firmenkunden der Wirecard Bank im Zahlungsverkehr abgesehen, von denen sich allerdings bereits die ersten abgewendet haben. Seit Anfang Juli wickelt zum Beispiel der Discounter Aldi Süd Kreditkartenzahlungen nicht mehr über den insolventen Zahlungsdienstleister ab, sondern über den Anbieter Payone, wie das Unternehmen am Donnerstag erklärte. Die Zusammenarbeit mit der Wirecard Bank beschränke sich seitdem auf das Geschäft mit der Aldi Geschenkkarte. Für die Kunden habe das aber keine Folgen.

Ohnehin sind die Verbindungen zwischen Wirecard und der Deutschen Bank vielschichtig. Im vergangenen Jahr war es auf Initiative des Wirecard-Konzerns sogar zu informellen Fusionsgesprächen mit der Deutschen Bank gekommen, die diese jedoch schnell abbrach. Darüber hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg zuerst berichtet. Zudem hatte die Bank an Firmengründer Markus Braun zeitweise einen mit Wirecard-Aktien besicherten Privatkredit in Höhe von 150 Millionen Euro vergeben, den die Bank im März gerade noch rechtzeitig zurückforderte. Zudem war einer der Wirtschaftsprüfer, welcher von 2015 für 2017 bei EY für die Prüfung der Wirecard-Bilanz zuständig war, im Jahr 2018 als Chef-Buchhalter zur Deutschen Bank gewechselt. Nicht zuletzt waren die Deutsche-Bank-Tochter DWS mit Publikumsfonds noch bis wenige Wochen vor der Pleite überdurchschnittlich in Wirecard-Aktien investiert. Meike Schreiber

Wirecard soll seit 2014 betrogen haben

Donnerstag, 2. Juli, 17.59 Uhr: Der Schwindel beim insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard dauert offenbar schon viel länger als bisher vermutet. Bereits im Jahr 2014 soll sich die Führungsriege des in Aschheim bei München ansässigen Internetkonzerns entschlossen haben, mit vorgetäuschten, also erfundenen Einnahmen die Umsätze und Erlöse künstlich aufzublähen. Davon geht die Staatsanwaltschaft München I nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR aus. Lesen Sie hier weiter.

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