Süddeutsche Zeitung

Nach Financial-Times-Bericht:Wirecard-Aktie stürzt um bis zu 23 Prozent ab

  • Die Financial Times stellt in einem Bericht abermals die Bilanzierungspraktiken von Wirecard infrage. Der Konzern widerspricht.
  • Die Anleger reagieren trotzdem misstrauisch, die Aktie fällt zwischenzeitlich um bis zu 23 Prozent.

Von Jan Willmroth, Frankfurt

Die Financial Times (FT) hat am Dienstagmorgen interne Unterlagen von Wirecard veröffentlicht und damit neue Zweifel an der Buchhaltung des Dax-Konzerns geweckt. Einem Bericht der britischen Finanzzeitung zufolge legen die Dokumente den Verdacht nahe, dass Angestellte des Konzerns in den Jahren 2016 und 2017 Umsätze fingiert und Kundenbeziehungen erfunden haben könnten, die gar nicht bestanden. Die Wirtschaftsprüfer von EY könnten demnach getäuscht worden sein. Die Wirecard-Aktie stürzte daraufhin um bis zu 23 Prozent ab. Wirecard weist die Vorwüfe der Financial Times zurück. Der Artikel der Zeitung sei "eine Zusammenstellung einer Reihe von falschen und irreführenden Behauptungen", die vom Autor der Geschichte in anderen Artikeln zuvor aufgestellt und bereits vollständig widerlegt worden seien, erklärte der Konzern.

Der Bericht stützt sich im Wesentlichen auf drei Excel-Tabellen, E-Mails und Chat-Protokolle von Mitarbeitern aus der Finanzbuchhaltung des Zahlungsanbieters. Die Dateien stehen im Zusammenhang mit den Berichten über Unregelmäßigkeiten im Asien-Geschäft, mit denen die FT von Ende Januar an die Buchhaltung und das Geschäftsgebahren von Wirecard in Asien infrage gestellt hatte. Auf Artikel über mutmaßliche Bilanzfälschung durch Mitarbeiter in der Singapurer Niederlassung hatte Wirecard mit einer Strafanzeige reagiert, unter anderem gegen die Reporter der FT, denen der Konzern Marktmanipulation vorwirft. Per Zivilklage fordert das Unternehmen Schadenersatz von der Zeitung. Die Finanzaufsicht Bafin hatte nach heftigen Kursschwankungen infolge der Berichte zwei Monate lang Leerverkäufe mit der Wirecard-Aktie verboten und ebenfalls Strafanzeige wegen Marktmanipulation erstattet.

Die nun veröffentlichten Tabellen und Korrespondenzen lagen der SZ ebenfalls vor; der Kontext der Dateien ist nachvollziehbar. Aus den Tabellen geht hervor, dass über eine Tochterfirma in Dubai Umsätze von Wirecard-Kunden verbucht wurden, die es laut FT möglicherweise nie gegeben hat. Der Zeitung zufolge bestreitet der Konzern alle Verdachtsmomente. Alle Kundenbeziehungen würden regelmäßig von Wirtschaftsprüfern kontrolliert. In internen Finanzberichten seien Kundendaten oftmals nicht korrekt enthalten oder es würden nur Gruppen von Kunden aufgelistet, wird der Konzern zitiert.

Als Dienstleister im elektronischen Zahlungsverkehr wickelt Wirecard sowohl selbst, als auch über Drittfirmen Geldtransfers im Kundenauftrag ab. Mit den dabei anfallenden Gebühren macht der Konzern seinen Gewinn. Das boomende Geschäft hat Wirecard zu einem der bedeutendsten deutschen Finanzkonzerne gemacht. Im Herbst 2018 steig Wirecard in den Dax auf.

Wirecard will Umsätze bis 2025 fast versechsfachen

Zu den typischen Kunden gehören Online-Shops, Fluglinien oder Firmen im Bereich des Online-Glücksspiels. Die von der FT veröffentlichten Unterlagen zeigen insbesondere die Umsätze einer Drittfirma namens Al Alam Solutions mit Sitz in Dubai, über die Wirecard in den betreffenden Jahren große Transaktionsvolumina abgewickelt habe. Von den 34 Kunden von Al Alam, die in der Tabelle auftauchen, hätten 15 auf Anfrage jedwede Geschäftsbeziehung mit Al Alam bestritten, heißt es in dem Bericht. Acht von ihnen hätten im Jahr 2017 gar kein Geschäft mehr gehabt. Bemerkenswert ist das, weil Wirecard mit den Transaktionen über Al Alam relativ mehr verdient hat als mit dem selbst abgewickelten Massengeschäft. Von der FT mit den Unregelmäßigkeiten in Zusammenhang mit Al Alam konfrontiert, reagierte der Konzern lediglich mit der Aussage, Kunden hätten üblicherweise nur Verträge und eine Anbindung an Wirecard direkt. Wirecard sei eine Plattform, die "verschiedene an der Wertschöpfungskette des Bezahlens Beteiligte" integriere.

In den vergangenen Monaten war die Aufregung um die Singapur-Affäre abgeklungen. Wirecard erhielt im Frühjahr ein uneingeschränktes Testat für den Jahresabschluss 2018, die Aktie erholte sich. Noch in der vorigen Woche hatte Konzernchef Markus Braun angekündigt, die Umsätze des Unternehmens bis 2025 fast versechsfachen zu wollen.

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