Wirbel um These von Piketty:Ist die Kapitalismus-Formel widerlegt?

Thomas Piketty visit at the Dutch Senate

Thomas Piketty: Mit seinem epochalen Bestseller "Das Kapital im 21. Jahrhundert" wurde er vor wenigen Jahren zu einem der gefragtesten Ökonomen der Welt.

(Foto: dpa)

Mit seinem Werk zur Ungleichheit wurde der Ökonom Thomas Piketty berühmt. Nun hat ein IWF-Ökonom sich seine Formel angesehen. Und er sagt: Sie stimmt nicht.

Von Jan Willmroth

Thomas Piketty macht vermutlich Urlaub. Das kann man seiner Abwesenheitsnotiz entnehmen, wenn man ihm in diesen Tagen eine Mail schreibt. Dabei hätte er Grund genug, sich zu äußern: Zum wiederholten Mal hat jemand die wichtigste Botschaft des Pariser Ökonomen empirisch überprüft - und diesmal vielleicht endgültig widerlegt.

Mit seinem epochalen Bestseller "Das Kapital im 21. Jahrhundert" wurde Piketty vor wenigen Jahren zu einem der gefragtesten Ökonomen der Welt. Mehr als zehn Jahre Forschung gingen dem voraus, zusammen mit Kollegen erstellte er eine riesige Datenbank, seine Kernbotschaft lässt sich auf zwei Buchstaben und ein Ungleichheitszeichen reduzieren: r > g. Die Bedeutung dahinter: die Kapitaleinkommen wachsen schneller als die Gesamtwirtschaft.

Während von der Kapitalrendite vor allem Vermögende profitieren, steigen die Löhne von Arbeitern und Angestellten nur mit der gesamten Wirtschaftsleistung oder langsamer. Piketty sieht darin den wichtigsten Grund für die steigende soziale Ungleichheit in den westlichen Gesellschaften. Karl Marx reloaded. Ungleichheit ist seitdem Pop, nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften. Die Politik hat das Thema wiederentdeckt, sogar Hedgefonds-Manager machen sich Sorgen wegen der sozialen Kluft. Umso wichtiger, dass die Gründe für diese Ungleichheit genau bekannt sind.

Carlos Góes ist Ökonom und Datenexperte beim Internationalen Währungsfonds in Washington. Um Pikettys Hypothese zu testen, hat er Daten zu 19 Industrieländern aus drei Jahrzehnten untersucht. "Ich finde keine empirischen Belege dafür, dass sich die Dynamik in der Richtung bewegt, wie Piketty es andeutet", schreibt er in seinem aktuellen Papier (hier als PDF). Aus dem Ökonomen-Sprech übersetzt: Überprüft man die zentrale Botschaft Pikettys anhand historischer Daten, fällt die Theorie in sich zusammen. Dass die Einkommen und Vermögen in den Industrieländern in den vergangenen Jahrzehnten so auseinanderdriften, lässt sich mit der Kapitalismus-Formel r > g jedenfalls nicht erklären.

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