Süddeutsche Zeitung

Wirbel um die Abwrackprämie:Straße statt Schrottpresse

Wer die Abwrackprämie kassieren wollte, musste seinen Altwagen für immer stilllegen. Für immer? Nicht unbedingt - es gibt da einen hässlichen Trick. Bald könnten einige der Autos wieder auf Deutschlands Straßen unterwegs sein.

Thomas Fromm

Wer sein Auto liebt, sollte besser nicht dabei sein, wenn es verschrottet wird. Denn es ist ein martialischer Vorgang. Ein paar Minuten nur, in denen aus einem Auto ein elendes Häuflein Blech wird. Was bleibt, sind dann nur noch Erinnerungen an einsame Küstenfahrten, Familienurlaube und erste Küsse in diesem Fahrzeug. Zuerst kommen die Mechaniker und entziehen dem Auto die Flüssigkeiten. Restbenzin, Kühlwasser, Bremsflüssigkeiten. Alles muss trocken sein. Die Fenster werden zerschlagen, bevor der traurige Rest in eine riesige Presse gewuchtet wird. Am Ende bleibt nur ein Schrottquader, egal, ob das Auto mal ein Golf oder eine S-Klasse war, aus Wolfsburg oder Korea kam.

So sollte es auch jenen zwei Millionen deutschen Pkw ergehen, die im vergangenen Jahr für die Abwrackprämie aus dem Verkehr gezogen wurden.

Doch noch ist längst nicht jedes dieser Autos abgewrackt. "Wir gehen davon aus, dass circa 60 Prozent der Fahrzeuge zerlegt, geschreddert und verarbeitet worden sind", heißt es beim Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE). 800.000 Autos stehen demnach noch bei den Schrotthändlern herum.

Heimlich entsorgt

Schon seit Monaten wird in der Branche darüber spekuliert, dass viele Autos gar nicht abgewrackt werden würden, sondern heimlich entsorgt. Längst würden sie irgendwo in Afrika herumfahren. Außerdem heißt es, dass ein Großteil dieser Autos irgendwann auch in Deutschland wieder auftauchen wird - als ganz normale Gebrauchtwagen. Zwar müssen die Altwagen für immer stillgelegt werden. Allerdings gäbe es einen Weg, die für die Schrottpresse vorgesehenen Autos wieder in Umlauf zu bringen: Denn 2014 sollen alle Daten zur Abwrackprämie, die beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) liegen, gelöscht werden. Die Vorgeschichte des Autos wäre dann passé. Wer will, könnte dann - ganz legal - einen neuen Fahrzeugbrief beantragen und den Pkw noch einmal verkaufen.

Man müsste also nur ein paar Jahre warten, um die 800.000 Autos wieder in den Verkehr zu bringen - es gäbe ja dann nicht einmal mehr einen Nachweis darüber, dass sie verschrottet werden müssten. Und diese Vorstellung hat durchaus Charme für manche: Als Schrott sind diese Wagen nur 150 Euro wert. Als Auto aber können viele von ihnen für bis zu 2000 Euro verkauft werden. Ein Systemfehler, der vor allem denen Argumente liefert, die von Anfang dagegen waren, dass der Staat Milliarden in die Hand nimmt, um den Automarkt anzukurbeln. Und es wäre ein Beleg dafür, dass viele Fahrzeuge verschrottet wurden, die einen höheren Marktwert hatten als die Prämie nahelegte.

Eigentlich würde es sich bei vielen Autos also lohnen, sie vier Jahre irgendwo zu parken. Gäbe es nicht jene goldene Regel, die jeder Kfz-Mechaniker kennt. Dass Autos, die zu lange herumstehen, irgendwann überhaupt nicht mehr fahren. "Soll ich ein Auto drei bis vier Jahre lang stehen lassen, in der Hoffnung, dass ich es dann für 2000 Euro verkaufen kann? Das ist doch eine abenteuerliche These", findet Jörg Lacher vom BVSE.

Warum aber gibt es dann immer noch diese 800.000 noch nicht verschrotteten Autos? Die Antwort, so Lacher: Die Abwrackfirmen seien einfach überfordert. Außerdem ließe sich der alte Stahl zurzeit wegen der Krise nur schwer verkaufen. Gut möglich also, dass den Autos die Presse doch nicht erspart bleibt. Vielleicht aber kommen sie doch eines Tages wieder zurück.Thomas Fromm

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SZ vom 02.01.2011/hgn
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