Winzerin:Wein weiblich

Weingut Eva Vollmer

Eva Vollmer führt das Familienunternehmen in Mainz-Ebersheim in dritter Generation. Der langsame Wechsel von der zweiten zur dritten Generation begann bereits während ihres Studiums an der Weinbau-Hochschule in Geisenheim.

(Foto: Daniela Mohr/oh)

Eva Vollmer hat aus dem Landwirtschaftsbetrieb ihres Vaters ein Weingut gemacht - und erhielt schon für den zweiten Jahrgang höchstes Lob. Sie führt das Familienunternehmen in dritter Generation.

Von Katharina Kutsche

Der kluge Winzer erbt ein Anbaugebiet, sagt Eva Vollmer. Sie selbst dagegen erbte einen Bauernhof, den sie als "typisch rheinhessischen Gemischtbetrieb" bezeichnet: Ackerbau, eine Reithalle, eine Solaranlage. Zwar wuchsen auch Trauben auf dem Gelände in Mainz-Ebersheim, aber die wurden an eine Winzergenossenschaft abgegeben - bis Eva Vollmer begann, eigenen Wein zu keltern. Heute führt die 37-Jährige das Familienunternehmen in dritter Generation und hat aus dem Hof ein hochgelobtes Weingut gemacht.

Rund 3,76 Millionen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gibt es in Deutschland, der Mittelstand versteht sich als Herz der deutschen Wirtschaft. Die allermeisten Betriebe sind familiengeführt. Und viele von ihnen werden in diesen Jahren an die nächste Generation übergeben: Rund 227 000 Inhaber planen, ihr Unternehmen bis Ende 2020 an die Nachfolger weiterzureichen, schätzt der Mittelstandspanel der Bankengruppe KfW.

Das könnte auch eine starke Veränderung in deutschen Familienunternehmen nach sich ziehen - hin zu von Frauen geführten Betrieben. Denn vielerorts haben die Töchter und Erbinnen der Unternehmer eine reelle Chance, die Führung zu übernehmen - entweder weil es keine männlichen Nachkommen gibt, diese kein Interesse haben oder sie schlicht nicht die nötige Eignung haben. Die Frauen sind meist besser ausgebildet und trauen sich den Job zu, zumal sich alte Rollenbilder auflösen und die Nachfolge eben nicht mehr automatisch der älteste Sohn antritt.

"Ich packe gern an und mache mir die Hände schmutzig."

Angesichts von zwei Töchtern habe ihr Vater zunächst auch gedacht, dass es sich mit der Landwirtschaft in Familienhand wohl erledigt habe, erzählt Eva Vollmer. Das habe er zwar nie direkt gesagt, aber das Gefühl war da - und löste bei der älteren Tochter die Reaktion aus, dass sie stark wie ein Junge sein müsse. Für sie war das kein Problem: "Ich packe gern an und mache mir die Hände schmutzig." Dass sie dem Vater nachfolgen würde, stand dann bald fest, auch weil die Schwester einen anderen Beruf wählte. Nur: wie weitermachen, Ackerbau oder Weinbau? Vollmer entschied sich für die Trauben.

Der langsame Wechsel von der zweiten zur dritten Generation begann während ihres Studiums an der Weinbau-Hochschule in Geisenheim, Ende des Jahres 2006: "Da haben mein Mann und ich uns unabhängig voneinander ganz romantisch einen Edelstahltank zu Weihnachten geschenkt", sagt Vollmer. Ihr Vater überließ der Tochter und dem Schwiegersohn zwei Hektar Land zum Herumprobieren - sollte der Wein schmecken und sich verkaufen, dürfe das Paar weitermachen, so die Ansage. Vollmer und ihr Mann mussten die Verarbeitungsstrukturen aufbauen, von der Traube zur Flasche, die Gebäude auf dem Hof entsprechend umbauen. 4500 Flaschen, im Hauskeller gekeltert, komplett bio-produziert - das war der Anfang.

Einfach war das finanziell nicht. Beide Ehepartner arbeiteten in den Anfangsjahren noch nebenbei, fuhren Zuckerrübentraktor, schoben nachts Schnee auf dem Frankfurter Flughafen. Doch die Bank vertraute der Familie. Und der Probelauf war erfolgreich. Schon der zweite Jahrgang von Vollmers Tropfen wurde im Weinguide des Gault Millau 2010 zur "Entdeckung des Jahres" gekürt. Auch in der aktuellen Ausgabe des Guide wird ihr Wein empfohlen und mit drei (von fünf möglichen) Trauben bewertet.

Vor allem aber machte die junge Winzerin etwas, was vorher eher den männlichen Nachkommen vorbehalten war: "Wir waren die ersten in Rheinhessen, die sich getraut haben, den vollen Namen der Frau aufs Etikett zu schreiben", sagt Vollmer. "Das war schon innovativ. Aber ich bin diejenige, die diese Generation beerbt."

Auch wenn das Weingut ihren Namen trägt, teilt sich Vollmer Verantwortung und Begeisterung für das Unternehmen mit ihrem Ehemann Robert Wagner, das ist ihr wichtig. Beide haben Spezialfelder, in die der jeweils andere nicht hineinredet: Technik ist eher seins, Sensorik klar ihres, über Investitionen entscheiden sie gemeinsam. Die Kinder, drei und fünf Jahre alt, wachsen wie die vorherigen Generationen auf dem Hof im Kreis der Familie auf. Oma Anna springt ein, wenn es nötig ist, kocht das Mittagessen.

Plan W

Die eigentliche Übergabe des Hofs war 2017, da habe die Familie formell einen Schnitt gemacht, erzählt Vollmer - "was ja bei vielen Betrieben ganz schnell in die Hose geht, wenn es um mehrere Erben geht oder zu spät passiert." Den richtigen Zeitpunkt zu finden, ist häufig eine Gratwanderung. Während die Jüngeren Ausbildung und Studium im Schnitt mit Mitte, Ende 20 abgeschlossen haben und loslegen wollen, sind die Älteren noch nicht im Rentenalter und bringen wichtige Erfahrungen ein. 2018 waren 1,4 Millionen Inhaber von KMU - fast jeder Dritte - 55 Jahre oder älter. Zum geplanten Übergabezeitpunkt wird ein Viertel älter als 70 Jahre sein. "Ich glaube zwar, dass die alte Generation noch lange gebraucht wird", sagt Vollmer. "Aber irgendwann wird aus jugendlichem Leichtsinn Altersvorsicht. Die ist auch ungesund, denn da kommt keine Innovation mehr rein." Auch auf dem Weingut verlief der Generationenwechsel mit Nachfragen und Diskussionen. Vollmers Opa etwa hielt damals ihre Entscheidung, aus der Genossenschaft auszutreten, für falsch und prophezeite den Bankrott. Aber die Kritik sei niemals böse gewesen, so die Winzerin.

Heute läuft der Laden gut, auch dank Vollmers "Winzertainment". Regelmäßig veranstaltet sie Weinproben, auch im Dunkeln, und Weinpicknicks, außerdem arbeitet sie mit anderen Winzerinnen an einem Filmprojekt namens "Wein weiblich". Seit der Gründung ihres Weinguts belegt Vollmer Unternehmerschulungen für Landwirte, setzt sich mit Zielen und Konfliktmanagement auseinander - wichtig für die Ideenfindung, so die Winzerin. Aber trotz der anstrengenden Arbeit in den Weinbergen und im Barrique-Keller lässt sich auch Vollmer von Jüngeren inspirieren: ihrem 26-jährigen Praktikanten aus Australien beispielsweise, der sie gezwungen habe, Instagram vernünftig zu bespielen. "Das hätte sonst länger gedauert", sagt die Winzerin.

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