Diesel-Prozess:Ingenieur belastet Winterkorn schwer

Strafprozess gegen vier Angeklagte im VW-Abgasskandal

Mammutverfahren in großer Halle: Im Strafprozess des Landgerichts Braunschweig gegen vier Angeklagte soll der VW-Diesel-Skandal aufgeklärt werden (hier ein Archivbild).

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Im Diesel-Prozess in Braunschweig erhebt ein Angeklagter Vorwürfe gegen das ehemalige VW-Management.

Von Max Hägler, München

Im sogenannten Dieselprozess in Braunschweig sind am zweiten Prozesstag die Konfliktlinien zwischen den Angeklagten offenbar geworden. Schwerer als erwartet hat einer der Angeklagten, der Ingenieur D., den früheren VW-Vorstandschef Martin Winterkorn sowie einen weiteren Ex-VW-Vorstand belastet: Bereits 2012 habe er den damaligen Entwicklungschef der Volkswagen-Kernmarke über seine Bedenken wegen der in den USA eingesetzten Täuschungssoftware informiert, sagte der Experte für Abgasnachbehandlung am Dienstag vor dem Braunschweiger Landgericht. Allerdings erfolglos: "Er schickte mich weg mit der Aufforderung, die Unterlagen zu vernichten." Der angesprochene einstige Topmanager ist in dem Verfahren ebenfalls einer der Angeklagten.

In dem Mammutverfahren will das Gericht herausfinden, wer wann den Betrug an Dieselautos angeordnet und umgesetzt hat, der als einer der größten Industrieskandale der Republik gilt: Mindestens zwischen 2007 und 2015 verkaufte Volkswagen und die Schwestermarken Fahrzeuge, die durch eine Softwaremanipulation auf der Straße weit mehr Abgase ausstießen als auf den Prüfständen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig geht von neun Millionen illegal manipulierten Autos aus und verfolgt dazu etwa 100 Beschuldigte; in diesem ersten Prozess sitzen derzeit vier Ingenieure vor Gericht. Der Vorwurf: Gewerbs- und bandenmäßiger Betrug.

Martin Winterkorn

Nur ein Schatten: Ex-VW-Chef Martin Winterkorn.

(Foto: Jens Meyer/AP)

Bezogen auf die Rolle Winterkorns 2015, als die Manipulationen in den USA vor dem Auffliegen standen, meinte Ingenieur D.: "Alle Fakten kennend" habe der Vorstandsvorsitzende entschieden, den VW-Kollegen Oliver Schmidt in die USA zu entsenden, um die Ursache der gefälschten Emissionswerte weiter zu verschleiern. Schmidt wurde in den USA festgenommen und verurteilt.

Regieanweisungen, "um die Behörden weiter in die Irre zu führen"

Auch er selbst habe von der Leitung entsprechende "Regieanweisungen" erhalten, so der Angeklagte - "mit dem Auftrag, die Behörden weiter in die Irre zu führen. Daran habe ich mich nicht gehalten", sagte D. nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa vor Gericht. Er habe den Einsatz der Manipulationssoftware schließlich zugegeben. "Damit habe ich mich den Handlungsanweisungen meiner Vorgesetzten widersetzt und den Behörden die Wahrheit gesagt."

Er übernehme rückblickend "die Verantwortung dafür, dass ich es nicht geschafft habe, rechtzeitig aus diesem Projekt auszusteigen", betonte der Angeklagte, der von den US-Behörden als Kronzeuge geführt wurde. Im jetzt laufenden Verfahren in Deutschland ist D. der niederrangigste der Angeklagten, darauf nahm er auch Bezug in seiner ersten Einlassung: "Ich finde es ungerecht, dass ich mit den Herren auf der Anlagebank sitze, die ich gewarnt habe. (...) Es ist so, dass der Hauptverantwortliche Dr. Winterkorn verschont wird." Er sei "der vermutliche Kopf der Bande".

Der Verfahrensteil gegen Winterkorn wurde wegen einer Hüft-OP des früheren Vorstandschefs zunächst abgetrennt und verschoben. Die Justiz will bis Ende des Monats entscheiden, ob Winterkorn nicht doch noch bei diesem Prozess zu erscheinen hat, wie es die Staatsanwaltschaft fordert. In diesem Falle müsste die Verhandlung allerdings noch einmal neu beginnen.

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