Baden-Württemberg:Kretschmann - grüner Vater im schwarzen Stammland

Dienstwagen

Grün muss er sein: Winfried Kretschmann fährt dienstlich Mercedes - was auch sonst -, aber mit Hybrid-Antrieb.

(Foto: dpa)
  • Viele Firmenchefs in Baden-Württemberg wünschen sich die Wiederwahl von Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
  • Sie loben die Wirtschafts- und Standortpolitik des Grünen.
  • Zugleich kommen CDU und FDP - jahrzehntelang bestimmende politische Kräfte im Land - gar nicht mehr gut weg bei den Unternehmern.

Von Max Hägler und Josef Kelnberger

Ausgerechnet der Mann mit dem lustigen Affen ist auf ihrer Seite. Das hat die Grünen bei allem Selbstbewusstsein dann doch überrascht: Er werde am 13. März Winfried Kretschmann wählen, erklärte Wolfgang Grupp dieser Tage. Der Regierungschef in Baden-Württemberg sei zwar von den Grünen, aber er habe seine Aufgaben "sehr gut" gemacht, das müsse er, der Konservative, anerkennen: Es wäre "nicht fair", so einen Politiker abzuwählen. Nun ist Grupp, der exzentrische Chef der Trigema-Textilfabriken, vom Anschein her nicht der durchschnittliche Unternehmer in Baden-Württemberg - wegen des Affen, der lange seine TV-Werbespots dominierte, wegen seines liebsten Verkehrsmittels, des auf dem Firmenhof in Burladingen geparkten Hubschraubers.

Südwestmetall spendete der Partei 110 000 Euro

Aber die Haltung zu Kretschmann ist wiederum nicht exzentrisch. Immer mehr Familienunternehmer und Topmanager aus Baden-Württemberg sprechen sich nun kurz vor der Wahl für einen Verbleib von Kretschmann an der Regierungsspitze aus. Viele hoffen auch auf eine neuerliche Beteiligung der SPD. Es scheint, als sei Kretschmanns Plan von der "neuen Wirtschaftspartei" aufgegangen, von den grünen Ideen, die zu schwarzen Zahlen führen - und das nach massiver Kritik an der vermeintlichen Autohasser-Partei zum Start vor fünf Jahren. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger gibt der grün-roten Landesregierung inzwischen die Note "3+"; erstaunlich gut, auch wenn er einiges kritisiert, etwa an der Schulpolitik. Der Unternehmerverband Südwestmetall spendete den Grünen sogar 110 000 Euro, mehr bekam nur die CDU.

"Die großen Sorgen, dass die Grünen die Wirtschaft behindern, das stimmt nicht, im Gegenteil", sagt Rainer Hundsdörfer, Geschäftsführer des Motorenherstellers Ebm-Papst mit 12 000 Mitarbeitern. An seinem Unternehmen zeige sich, dass Ökonomie und Ökologie zusammengehörten: Verbrauche man weniger Ressourcen, spare das Geld. "Die Regierung hat auch einen Blick für den ländlichen Raum, wir bekommen in der Region eine Straße, die es unter 20 Jahren CDU nicht gegeben hat." Das sagt nun ein Manager, der Mitglied des CDU-Wirtschaftsrates ist. Hingegen sei die FDP "blass". Und die CDU: "Hat die Chance, sich neu und jünger aufzustellen, nicht genutzt." Ihm wäre deshalb Grün-Schwarz oder Schwarz-Grün recht, sagt Hundsdörfer.

Manfred Fuchs, über vier Jahrzehnte Vorstandschef des milliardenschweren Schmierstoffkonzerns Fuchs Petrolub aus Mannheim sagt: "Ich bin unionsorientiert." Aber er fürchte, es reiche nicht für Schwarz-Gelb: "Die CDU tut sich schwer, wegen des Personals, wegen der Zerrissenheit in europäischen Fragen." Doch eine Koalition der CDU mit SPD oder Grünen, "das wäre auch okay". Kretschmann habe beachtliche Akzeptanz in der Bürgerschaft, und dessen Stellvertreter Nils Schmid (SPD) habe es zwar schwer mit seinen sich widersprechenden Zuständigkeiten, dem aufs Sparen angelegten Finanzressort und dem zu Investitionen verpflichteten Wirtschaftsressort. Aber, sagt der Konservative Fuchs: "Er ist fleißig und verständig und macht seine Arbeit gut." Insofern wäre eine Ampelkoalition "diesmal auch kein Beinbruch, mit eher bürgerlichen Grünen, einer vernünftigen SPD und einer starken FDP".

Unternehmer beklagen "miserable Performance" von FDP und CDU

Offen spricht der Familienunternehmer aus, was von vielen zu hören ist: Sozialdemokrat Schmid sei zwar zu leise, habe jedoch ein Ohr für die Bedürfnisse der Wirtschaft, etwa bei der Erbschaftsteuer. Kretschmann behebe mithilfe von Pragmatismus und Stärke das Problem, dass seine Partei keine stringente Wirtschaftspolitik habe. Von "großer Zustimmung" der Unternehmer für Kretschmann spricht einer der mächtigsten und am besten verdrahteten Konzernlenker in Baden-Württemberg.

Er will sich aber nicht zitieren lassen - weil sich das nicht zieme. Wie groß? "Über 50 Prozent." Das liege an der Regierungsarbeit, aber auch an der "miserablen Performance" der bisherigen Unternehmerparteien: Die FDP liefere im Wahlkampf nicht groß in Sachen Wirtschaft und sei nur ein Sammelbecken für Merkel-Kritiker. FDP-Parteichef Christian Lindner spreche zwar gern frei, sei aber unpräzise, verkörpere nicht die Marktliberalität innerhalb der sozialen Marktwirtschaft. Die CDU wiederum sei noch weiter weg von der Wirtschaft als der FDP-Kandidat Hans-Ulrich Rülke. Man spüre allzu oft, dass CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf früher Landrat gewesen sei: "Der hat vor allem Kompetenz in Kommunalpolitik, aber nicht in Wirtschaft." Was wäre also das Beste für Baden-Württemberg? "Die Besten von Grün, Rot und Gelb unter Kretschmanns Führung."

Diese Lösung haben sich die Liberalen erst einmal verbaut: Ausgeschlossen haben sie eine Ampel-Koalition. Spitzenkandidat Rülke polterte jüngst SPD-Wirtschaftsminister Schmid auf großer Bühne an, dieser verstehe wenig von Wirtschaft. Dabei plädieren selbst namhafte Unternehmer, die stets die FDP unterstützen, im Gespräch mit der SZ für eine Zusammenarbeit der Liberalen mit Grün-Rot.

Bemerkenswerte Entwicklung im Auto-Ländle

Es ist eine bemerkenswerte Entwicklung, die dieses vom Automobil geprägte Land durchgemacht hat. Vor fünf Jahren, kurz nach Amtsantritt, machte Kretschmann Furore mit dem Satz: "Weniger Autos sind natürlich besser als mehr." Ein Unding, schimpften so ziemlich alle Industriechefs. Kretschmann korrigierte sich schnell; manche in seiner Partei halten das für populistisch, gerade außerhalb des Südwestens. Die Wohlmeinenden sagen: Er hat zugehört.

Der Ministerpräsident versammelt regelmäßig wichtige Unternehmer um sich und diskutiert mit ihnen Zukunftsfragen. Es ist eine stille Runde. Kaum jemand will sich als Kretschmann-Berater outen, auch wenn man seine Arbeit zunehmend gut findet. Die großen Konzerne und die Mittelständler kamen ihm auch deswegen näher.

Stolz fährt Kretschmann seinen Dienst-Mercedes mit Hybridantrieb, befürwortet Tests von "Monstertrucks" und parliert fließend über das "Internet der Dinge". Am Freitag weihte er noch frohgemut Neubauten des Kettensägenherstellers Stihl ein.

Der Start der grün-roten Regierung sei vielleicht etwas holprig gewesen, aber "wir fühlen uns nun verstanden", beschrieb Volkmar Denner das Verhältnis letzthin. Sein Wort hat Gewicht, er leitete Bosch, den weltgrößten Autozulieferer, der auch Vorbild in Sachen Etikette und Traditionsbewusstsein ist.

Ein Porsche als Dienstwagen ist zu provokativ - noch

Selbst bei den Autoherstellern, die schon allein wegen ihres Produktes erst einmal nicht grün-affin sind, verzieht man nicht mehr das Gesicht. Oliver Blume, der neue Porsche-Chef, spricht von einem sehr guten Kontakt zur Regierung, speziell zum Regierungschef, einer "großen Persönlichkeit". Mit dem habe er viele übereinstimmende Ansichten bei der Frage, wohin sich die Autowirtschaft entwickeln müsse, gerade in Sachen Elektromobilität.

Versöhnlichere Worte, als sie Blumes Vorgänger Matthias Müller übrig hatte, bevor er als VW-Chef nach Wolfsburg ging. Müller mokierte sich etwa darüber, dass kein Grüner einen ressourcenschonenden Hybrid-Panamera als Dienstwagen gewählt habe.

Ein Porsche als Dienstwagen, das war sogar den pragmatischen grünen Promis aus Baden-Württemberg zu provokativ. Zumindest bisher.

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