Windenergie:Breitseite gegen Wirtschaftsminister Altmaier

Windräder im Morgennebel

In einem Brandbrief von seltener Klarheit stellt sich der Lobbyverband BDI hinter den Klimaschutz.

(Foto: Arnulf Stoffel/dpa)
  • In seltener Klarheit stellt sich der Lobbyverband der Industrie gegen die geplanten Einschränkungen der Windkraft.
  • Eines der größten Probleme: Neue Windräder sollen einen Mindestabstand von 1000 Metern selbst zu kleinsten Siedlungen einhalten.
  • Regionalpläne, die anderes vorsehen und vor 2015 erlassen wurden, sollen ihre Gültigkeit verlieren.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Peter Altmaier hat es nicht leicht in diesen Tagen. Schon am Dienstagabend hatte der Wirtschaftsminister von der CDU Besuch von Umweltverbänden, mehr als zwei Stunden lang ließen sie ihrem Unmut freien Lauf. Besonders über die geplanten Einschränkungen für die Windkraft. Doch an diesem Mittwoch bekommt er es mit einem Gegner zu tun, vor dem der Wirtschaftsminister noch mehr Respekt hat: der deutschen Industrie.

In einem Brandbrief von seltener Klarheit stellt sich der Lobbyverband BDI hinter den Klimaschutz - und gegen die geplanten Einschränkungen der Windkraft. Und das nicht allein: der Deutsche Gewerkschaftsbund, die beiden großen Energieverbände, die Windlobbys BWE und VDMA - sie alle haben unterschrieben. "Sehr geehrter Herr Bundesminister, Energiewirtschaft, Industrie, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft erwarten, dass die Bundesregierung mit Entschlossenheit an einer modernen, zukunftsfähigen, CO₂-freien Energieversorgung arbeitet", heißt es in dem Schreiben. Und: "Die geplanten Einschränkungen der Windenergie an Land stellen allerdings die Realisierbarkeit sämtlicher energie- und klimapolitischen Ziele der Bundesregierung in Frage."

Heikler Passus

Hintergrund ist ein Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums, der seit Dienstag bekannt ist. Vordergründig regelt er den Ausstieg aus dem Kohlestrom. Allerdings enthält er auch einen Passus, der für neue Windräder einen Mindestabstand von 1000 Metern selbst zu kleinsten Siedlungen vorsieht. Regionalpläne, die anderes vorsehen und vor 2015 erlassen wurden, sollen ihre Gültigkeit verlieren. Zugleich soll mit dem Gesetz allerdings auch erstmals das Ökostrom-Ziel der Koalition festgeschrieben werden: 65 Prozent bis 2030.

Industrie und Gewerkschaften fällen ein vernichtendes Urteil über den Vorstoß. "Es ist uns unerklärlich, dass an einer Regelung zu bundeseinheitlichen Mindestabständen festgehalten wird", schreiben sie, "obwohl klar ist, dass damit das Ziel von 65 Prozent erneuerbare Energien in 2030 nicht gehalten werden kann." Der Ausbau der Windenergie an Land werde mit diesem Vorstoß "auf lange Zeit massiv erschwert, unter Umständen sogar zum Erliegen kommen". Die Flächen für Windräder schrumpften, die Rechtsunsicherheit wachse. Die Abstandsregelung werde "alle weiteren Bemühungen zur Stärkung des Windenergieausbaus zunichtemachen und die Windenergie an Land dramatisch schwächen". Es geschieht nicht oft, dass sich der BDI derart harsch an das Wirtschaftsministerium wendet. Und noch viel seltener gleichen sich die Standpunkte von Industrie- und Umweltverbänden so wie jetzt.

Krise der Windkraft hat ohnehin schon begonnen

Das Wirtschaftsministerium verweist gerne darauf, dass die Federführung für die Abstandsregelung beim Bauministerium liege, mithin beim CSU-Minister Horst Seehofer. Gleichwohl ist das Wirtschaftsministerium für die Energie zuständig, also etwa für das Zusammenspiel von Kohleausstieg und Erneuerbaren-Ausbau. Auch der Gesetzentwurf kommt von dort. Doch nun bahnt sich auch innerhalb der Bundesregierung Streit darum an. Der Dissens sei "zu groß", um das Gesetz wie geplant am kommenden Montag zu beschließen, hieß es am Mittwoch aus Regierungskreisen. Neuer Termin ist der 3. Dezember. Vorläufig.

Die Krise der Windkraft hat ohnehin schon begonnen. Seit Monaten finden sich kaum noch neue Projekte, in den ersten neun Monaten waren so wenig neue Windräder errichtet worden wie noch nie in diesem Jahrtausend. Erst vorige Woche hatte Deutschlands Marktführer bei Windrädern, Enercon, die Notbremse gezogen: Er strich Aufträge und damit die Jobs für 3000 Mitarbeiter. In der niedersächsischen Staatskanzlei kam die Enercon-Führung deshalb am Mittwoch zum Krisentreffen mit der Landesregierung zusammen. "Wir brauchen einen Neustart bei der Energiewende mit praktikablen Lösungen", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) vor dem Treffen. "Um dort, wo Windenergie möglich ist, auch tatsächlich Windenergie zu gewinnen."

Enercon rückt allerdings auch nach dem Krisentreffen von dem angekündigten Abbau der Stellen nicht ab. "Letztendlich müssen wir jetzt für uns ganz klar festhalten, dass an dem Schritt, den wir am Freitag angekündigt haben, kein Weg vorbeigeht", sagte Enercon-Chef Hans-Dieter Kettwig. Als Grund führte er die geringe Zahl an neuen Windkraftanlagen an: "Es bricht etwas weg, was wir nicht auffangen können."

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