Süddeutsche Zeitung

Windenergie:Stürmische Zeiten

Dass Wirtschaft und Umweltschützer sich einig sind, passiert nicht oft. Nun warnen sie gemeinsam vor einer Krise bei der Windkraft - ein Zeichen dafür, dass die Lage ernst ist. Eine Initiative soll den Ausbau wieder in Schwung bringen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wenn sich Umweltverbände mit der Wirtschaft zusammentun, dann muss die Lage ernst sein. Rund um die Windenergie ist das offenbar der Fall: Denn wenn Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für diesen Donnerstag zum "Windgipfel" lädt, dann werden sich die Positionen der führenden Stromverbände BDEW und VKU decken mit jenen großer Umweltverbände wie Greenpeace, WWF, Germanwatch oder der Umwelthilfe. "Die Energiewende braucht einen verlässlichen Ausbaupfad für die Windenergie", heißt es in einem gemeinsamen Zehn-Punkte-Plan. Bund und Länder müssten energischer für den Ausbau der Windkraft eintreten.

Tatsächlich ist der in den vergangenen Monaten nahezu zum Erliegen gekommen. Unter dem Strich wurden im ersten Halbjahr hierzulande 35 neue Windräder aufgestellt. Bei den Ausschreibungen, mit denen der Bund die Förderung für neue Windparks vergibt, waren zuletzt deutlich weniger Angebote eingegangen, als Zuschläge hätten erteilt werden können. Hunderte Windräder stecken in langwierigen Genehmigungsprozessen oder werden beklagt. "Ganz konkret werden kaum noch Genehmigungen erteilt", sagt Michael Class, Chef des Ökoanlagen-Projektierers Juwi. "Und damit läuft die ganze Maschinerie irgendwann leer." Beim Windgipfel gehe es darum, die Dimension des Problems aufzuzeigen. Auch Gewerkschafter schlagen Alarm. "Wenn Politik und Unternehmen nicht gegensteuern, dann steigen wir aus der Windindustrie noch früher aus als aus der Kohle", warnt Meinhard Geiken, Bezirksleiter der IG Metall Küste.

Einsprüche von Bürgern und strenge Genehmigungsverfahren schrecken Investoren ab

Eine Reihe von Bundesländern teilt die Sorgen. "Allein zwischen 2016 und 2017 sind in der On- und Offshore Windindustrie mehr als 25 000 Arbeitsplätze verloren gegangen", warnt etwa Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller (Grüne). Seien Jobs, Kompetenzen und Firmen erst weg, lasse sich der Windenergieausbau nur mühsam wieder ankurbeln. Seine Amtskollegin aus Thüringen, Anja Siegesmund (Grüne), warnt vor dem Verlust von 30 Prozent der installierten Leistung, wenn von 2021 an Windräder vom Netz gehen, deren Förderdauer nach 20 Jahren abgelaufen ist. Das mache die Lage "umso dramatischer", schreibt sie in einem Brief an Altmaier. Und auch Bernd Buchholz, FDP-Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, verlangt "Taten statt weiterer Worte". So müsse die Begrenzung beim Windstrom-Zubau zur See fallen, genauso wie unnötige Belastungen bei der Erzeugung von Wasserstoff aus Windstrom.

Umwelt- und Branchenverbände verlangen vor allem Erleichterungen bei der Ausweisung von Flächen und bei behördlichen Verfahren. So müssten pauschale Abstandsregelungen wie jene in Bayern fallen. Zudem sollten Naturschutz-Vorgaben so standardisiert werden, dass sie sich für Behörden und Investoren leicht prüfen lassen. Und Kommunen sollten finanziell beteiligt werden, wenn auf ihrem Gebiet Windräder entstehen.

Auch der mächtige Industrieverband BDI stellt sich offenbar hinter die grünen zehn Punkte. "Der BDI begrüßt Initiativen, den Windkraftausbau zu beschleunigen", ließ er wissen.

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Quelle:
SZ vom 05.09.2019
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