Süddeutsche Zeitung

Wilde Ehe:Traurig, aber Gesetz

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Immer mehr Paare leben unverheiratet zusammen. Stirbt einer der Partner, ohne dass ein Testament gemacht wurde, geht der andere leer aus.

Von Berrit Gräber, München

Leben in wilder Ehe liegt im Trend. Etwa drei Millionen Paare leben unverheiratet zusammen, während die Zahl der Hochzeiter seit Jahren rückläufig ist, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ermittelt hat. Vor allem ältere Menschen entscheiden sich zunehmend für Gemeinsamkeit ohne Trauschein - oft, um Rentennachteile zu vermeiden oder wegen des Gedenkens an den verstorbenen Ehepartner. Aber: Wenn ein Lebensgefährte stirbt, kommt meist das böse Erwachen. Denn für unverheiratete Paare gibt es kein gegenseitiges gesetzliches Erbrecht, sagt Jan Bittler, Erbrechtsspezialist und Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge (DVEV). Fehlt ein Testament, hat der Längerlebende nicht einmal Anspruch auf einen Pflichtteil.

Nur die Kinder des Verstorbenen erben, nicht der Partner, betont auch Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Ist kein Nachwuchs da, erben die Eltern, danach andere Verwandte. Selbst ein Cousin kann so Miteigentümer des gemeinsamen Hauses werden. Häufige Folge: Der Lebensgefährte wird vor die Tür gesetzt. Bestenfalls ist er fortan auf den guten Willen der Erben angewiesen.

Fehlt ein Testament, kann das zum Fiasko für den längerlebenden Partner werden. Er hat nicht einmal Anspruch auf ein Erinnerungsstück. Selbst die Trauerfeierlichkeiten darf die "Witwe" oder der "Witwer" nicht allein bestimmen. "Es gibt für wilde Ehen keinerlei gesetzliche Absicherung, wie es bei Verheirateten der Fall ist", warnt der Münchner Fachanwalt für Erbrecht. Selbst ob einer den anderen pflegte, spielt keine Rolle.

Wer vermeiden will, dass der Partner leer ausgeht, sollte unbedingt ein Testament machen, rät Bittler. Das muss allerdings jeder für sich selbst tun. Das Aufsetzen eines gemeinschaftlichen letzten Willens wie bei Eheleuten ist in wilder Ehe nicht möglich. Der Nachteil an Einzeltestamenten: Sie können jederzeit widerrufen oder still und heimlich geändert werden.

Der einzige gemeinsame Weg, sich gegenseitig etwas zu hinterlassen, ist ein Erbvertrag beim Notar. Die Partner können darin verbindlich festlegen, dass sie sich gegenseitig beerben. Und dass ihre Kinder oder andere Verwandte zu Schlusserben werden.

Ein Beispiel: Ein nicht verheiratetes Paar mit zwei gemeinsamen Kindern besitzt zusammen ein Haus. Stirbt der Mann, würde seine Haushälfte ohne Erbvertrag oder Testament an die Kinder gehen. Wollen die verkaufen, kommt es schlimmstenfalls zur Zwangsversteigerung - und die Mutter muss ausziehen.

Ein anderes Schreckensszenario: Das Paar lebt zusammen in der Eigentumswohnung oder im Haus, das nur einem von beiden gehört. Stirbt der Besitzer, kann der andere nur noch maximal 30 Tage drin wohnen, sollten die Erben ihn raushaben wollen. Als Lösung bietet sich hier ebenfalls ein notarieller Erbvertrag an, in dem sich beide zu Alleinerben einsetzen. Die weniger sichere Alternative: Ein Testament, in dem der Eigentümer den Partner als Alleinerben einsetzt oder ihm zumindest ein Wohnrecht einräumt.

Ein Testament lässt sich aber jederzeit ändern oder zerreißen. Ein Erbvertrag, der beim Notar besiegelt ist, sorgt da schon für mehr Sicherheit, erklärt Steiner. Er kann nicht einseitig modifiziert oder gar komplett aufgehoben werden. Einmal getroffene Absprachen lassen sich in der Regel nur gemeinsam vor dem Notar widerrufen oder ändern. Eine Trennung allein macht den Vertrag nicht automatisch unwirksam. Wer einmal einen Erbvertrag abgeschlossen hat, kann ihn auch nicht durch ein Testament heimlich einseitig aushebeln.

Um flexibel zu bleiben, raten Notare aber in der Regel dazu, von Anfang an Hintertürchen für den Rückzug einzubauen. So können sich die Partner das Recht einräumen, von einzelnen Klauseln oder dem ganzen Vertrag zurückzutreten. Außerdem sollte das Paar vertraglich klar machen, ob der Längerlebende ein abweichendes Testament aufsetzen darf - oder ob er an die gemeinsamen Verfügungen gebunden bleibt.

Ob Erbvertrag oder Einzeltestamente: "In jedem Fall tut sich bei unverheirateten Paaren die Erbschaftsteuer als nächste Problematik auf", sagt Bittler. In wilden Ehen kann Erben richtig teuer kommen. Der Fiskus behandelt Lebensgefährten steuerrechtlich wie Fremde. Das bedeutet: Unverheiratete Partner fallen in die Steuerklasse III mit einem Freibetrag von lediglich 20 000 Euro. Alles Vermögen, das darüber liegt, muss versteuert werden, und zwar mit hohen Sätzen von 30 bis 50 Prozent. Unter Umständen lassen sich die Steuernachteile etwa durch lebzeitige Schenkungen oder die Umwandlung von Privat- in Betriebsvermögen abmildern. Die finanziell attraktivste Lösung ist dann oft der Trauschein. "Eine Heirat ist das Steuersparmodell par excellence", sagt Steiner. Nicht nur beim Erbschaftsrecht, sondern auch steuerrechtlich sind Eheleute mit einem Freibetrag von 500 000 Euro und der günstigen Steuerklasse I wieder klar im Vorteil.

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SZ vom 08.08.2016
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